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LEOBEN/Stadttheater: DIE FLEDERMAUS – 3. Januar 2018
An einem wahrlich historischen Ort lief über Weihnachten und Neujahr „Die Fledermaus“ von Johann Strauss mit vier total ausverkauften Aufführungen – im Leobener Stadttheater, welches das älteste Stadttheater Österreichs ist! Schon in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts findet sich eine bürgerliche Laienspielgruppe, die 1790 die Häuser an der Ecke Homanngasse – Straußgasse als Theater adaptiert. Der eigentliche Theaterraum ist sehr kurz, dafür mit drei Rängen auf engem Raum aber vergleichsweise hoch. Anfangs wurden hier meist volksnahe Stücke aufgeführt, und der Erlös aus den Eintrittsgeldern wurde für die Erhaltung des Armeninstitutes gespendet. Nach dem ersten Direktor Franz Egger von Eggenwald (1790-91) folgten in den Jahrzehnten danach zahlreiche Theaterdirektoren, Intendanten und Bühnenmeister, die mit fixen Ensembles arbeiteten. Nach dem 2. Weltkrieg kommen hauptsächlich auswärtige Schauspielgruppen. Seit 2003 steht das Stadttheater unter der Leitung des Kulturmanagements der Stadt Leoben.
János Mischuretz, Markus Ahme. Foto: Rudolf Thausing
Der Verein „Operette Leoben – Musiktheater“ hat diese schöne und äußerst lebendig dargebotene Inszenierung der „Fledermaus“ heraus gebracht, immerhin sieben Jahre nachdem die Vorhänge der letzten Leobener Operetten-Eigenproduktion fielen. Im Programmheft schildert die Intendantin Gloria Ammerer, dass die Vorbereitungen für diese Neuproduktion über eineinhalb Jahre liefen und dabei eine enge Zusammenarbeit mit der Oper Graz und ihrer Intendantin Nora Schmid sowie der Musik- und Kunstschule Leoben (Musikalische Gesamtleitung: Christian Peter Riegler, Chor: Susanne Kopeinig) erreicht werden konnte. Zu Anfang der Proben konnte man so auch die Grazer Probebühne in Anspruch nehmen. Das relativ einfache, aber damit auf die darstellerische Intensität gut abgestimmte Bühnenbild lag in den Händen von Christoph Gehre. Hervor stach eine adaptierte Version des „Paradieses“ aus dem Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch, die auf einem bühnenweiten Paravent in zwei Teilen das Palais des Prinzen Orlofsky zierte – gut zur dortigen Stimmung passend… Der untere Ausschnitt aus der linken Tafel des Triptychons, der „Garten Eden“, hing bereits an der Wand des klassizistischen Salons im Hause Eisenstein. Isabel Toccafondi schuf die meist zeitgenössischen und bei den Damen fantasievoll und mit interessanten Farbvariationen gestalteten Kostüme.
Foto: Rudolf Thausing
Regisseur Christian Thausing, zur Zeit Regieassistent und Spielleiter an der Oper Graz, konnte mit einer äußerst intensiven Personenregie, die sicher durch die darstellerischen Fähigkeiten der Sänger noch gesteigert wurde, einen zeitweise mitreißenden Ritt durch diese „Fledermaus“ gestalten, die das Publikum – am Szenenapplaus hörbar – ständig mitnahm. Insbesondere die vielen Duette und Terzette konnten nicht nur durch ihre sängerische Qualität, sondern auch durch die beherzte schauspielerische Intensität überzeugen. Allen voran Markus Ahme als Gabriel von Eisenstein, Corina Koller als Rosalinde und Anita Voszech als Adele. Einen starken Kontrast an zur Schau gestellter Souveränität und Ruhe zu diesen dreien war die Lettin Helena Sorokina als Prinz Orlofsky. Für Thausing ist die „Fledermaus“ „unglaublich zeitlos“. Er sieht hier „echte Menschen mit ihren Bedürfnissen und Nöten, die uns an ihrem Leben teilhaben lassen.“ Seine Referenz an den „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch sollte sagen: „Alles ist erlaubt.“ Aber auch: „Alles kann, nichts muss.“
Der deutsche Tenor Markus Ahme hat sein Gesangsstudium u.a. bei Reiner Goldberg absolviert und Meisterkurse bei Ben Heppner, Johan Botha und Michael Rhodes genommen. Erst vor wenigen Monaten war er der Cavaradossi in Pretoria. Er sang den Eisenstein mit einem stimmstarken, ins Heldische gehenden Tenor, der auf einer guten baritonalen Grundfärbung auch die Höhen der Partie mit großem Ausdruck mühelos meistert. Man merkt Ahme die Erfahrung mit der Rolle an – sie scheint ihm auch darstellerisch wie auf den Leib geschrieben. Hier war aber auch schon ein Siegmund zu hören… Seine junge Rosalinde, die aus Leoben stammende Corina Koller, begann ihre künstlerische Laufbahn ab dem 5. Lebensjahr in klassischem Balletunterricht, Blockflöte, Klavier und Gesang an der Musik- und Kunstschule Leoben. Sie schloss gerade erst 2017 mit ihrem Master of Arts in Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität und im selben Jahr ihr Bachelorstudium Gesang an der Universität Graz ab. Dennoch gab sie bereits eine ausdrucksvolle und stimmlich beeindruckende Rosalinde mit einem dunkel getönten Sopran und weitgehend auch guten Höhen. Zudem ist sie das, was man als ein Bühnenvieh bezeichnet. Sie e ihre diversen Rollen als Rosalinde sehr authentisch, und es klappte auch bestens mit dem ungarischen Dialekt bei der großen Arie im Mittelakt – sicher ein Talent mit Zukunft! Die Ungarin und heute in Österreich lebende Anita Voszech schloss ihr Studium mit Gesangs-Masterdiplom und Gesangspädagogik-Magisterdiplom an der Universität Graz mit Auszeichnung ab. Sie ist schon länger im Profigeschäft unterwegs und auch Mitglied des Grazer Robert Stolz Ensembles. Ihre Adele sprühte nur so von Feuer und ließ einen ebenso kraft- wie klangvollen und perfekt geführten Sopran erklingen, der jeder Herausforderung in ständiger Übereinstimmung mit der jeweiligen Aussage gewachsen war. Eine Adele der Sonderklasse, mit großer Musikalität! Helena Sorokina aus Riga gab einen darstellerisch sehr präsenten Orlofsky mit ihrem klangvollen, eher hellen Mezzosopran. In ihrer Souveränität hob sie sich von all den geschäftigen MitstreiterInnen im Mittelakt klar ab. Ihre Arie „Das ist bei mir so Sitte…“ wurde zu einem Höhepunkt im quirligen Geschehen. Witzig der Spruch: „Bei mir gibt es kein Verhüllungsverbot!“ Dank ihres absoluten Gehörs ist Sorokina im Bereich der zeitgenössischen Musik stark gefragt und auch in der Oper, der Operette, dem Musical und Chanson in Österreich sowie im Ausland tätig.
Corina Koller, Markus Ahme. Foto: Rudolf Thausing
Der Slowene David Jagodic studiert im Masterstudium Lied und Oratorium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und sang den Alfred engagiert mit kräftigem Tenor. Mit einem ausgezeichneten lyrischen Bariton sang der junge Österreicher David Franz Hobelleitner den Dr. Falke, den er auch sehr humorvoll spielte. Er war schon auf Konzertreisen mit unterschiedlichen Ensembles in vielen Ländern Europas und in Asien unterwegs. Der Budapester János Mischuretz spielte einen respektvollen und eleganten Gefängnisdirektor Frank mit einem klangvollen Bass. Der junge Severin Prassl überzeugte als Dr. Blind nicht nur stimmlich sondern auch durch seine gute Komik. Ute Veronika Olschnegger aus Leoben gab eine engagierte und kokette Ida, die sich bestens mit ihrer Schwester Adele abstimmte. Der Regieassistent Michael Zejdlik sprang als Frosch für Franz Suhrada ein und machte seine Sache außergewöhnlich gut, natürlich auch mit einigen zündenden Witzen. Der Chor der Musik- und Kunstschule Leoben agierte sehr lebhaft im 2. Akt und ließ echte Champagnerstimmung aufkommen, obwohl Orlofsky zuvor Eisenstein einen Madeira kredenzt hatte. Das Chorensemble wirkte choreografisch gut abgestimmt und konnte auch stimmlich voll überzeugen. Man machte ungewohnterweise die Pause mitten im 2. Akt und ließ den Chor dann mit dem Ohrwurm „Wiener Blut, Wiener Blut…“ beginnen.
Der Dirigent Christian Peter Riegler aus Gleisdorf ist seit 1993 Lehrer an der Musik- und Kunstschule Leoben für Schlagzeug und Ensembleleitung Blasorchester und fungiert seit 2002 als Dirigent der Bergkapelle Leoben-Seegraben und des Universitätsblasorchesters der Montanuniversität Leoben. Er leitete das Operettenorchester Leoben mit viel Verve und Interesse an der Hervorhebung der dynamischen Stellen, was manchmal zu einem etwas zu lauten Klangbild führte, eben auch wegen des relativ kleinen Raumes. Exzellent musizierte unter anderen die Piccoloflöte. Es gab es hier und da kleinere Wackler im Orchester, die den guten Gesamteindruck des sehr engagierten Ensembles und der offenbar mit viel Herzblut entstandenen Produktion nicht schmälerte. Das Publikum sah es mit seinem Riesenapplaus ebenso. Man sollte in Leoben überlegen, diese Inszenierung wieder aufzunehmen oder gar an ein anderes Haus dieser Größenordnung auszuleihen. Es wäre sicher von Erfolg beschieden.‘
Klaus Billand