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LEIPZIG/Musikalische Komödie: DIE GROSSE SÜNDERIN – Operettenrarität von Eduard Künneke

19.11.2017 | Operette/Musical

Operettenzauber in Leipzig: „Die große Sünderin“ von Eduard Künneke (Vorstellung: 18. 11. 2017)

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Ballett-Szene. Copyright: Ida Zenna

Die Musikalische Komödie in Leipzig setzte kürzlich die Ausgrabung selten gespielter Werke mit der Operette „Die große Sünderin“ von Eduard Künneke (1885 – 1953) fort. Die Uraufführung dieser Operette in drei Akten, deren Libretto Katharina Stoll und Herman Roemmer verfasste, fand am 31. Dezember 1935 in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin statt.

Der Inhalt dieser erotischen Komödie in Kurzfassung: Die junge verwitwete Herzogin Sibylla bewegt sich selbstbewusst zwischen Büßergewand und Reifrock, zwischen einsamer Klause und dem eigens für rauschende Feste erbauten Lustschloss Bonbonniere – stets unter der strengen Beaufsichtigung ihrer Oberhofmeisterin Arabella, genannt die „Tugendwache“. Der große Abenteurer und Frauenheld Reiteroberst von Schrenk erobert das Herz Sibyllas im Sturm. Nach allerlei Intrigen, Verwechslungen und Verwicklungen rund um ein indisches Seidentuch winkt der lebenslustigen Witwe wie auch ihrer Freifrau Jakobe schließlich ein Happyend.

Das historische Vorbild zur Titelfigur von Künnekes Operette war die badische Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg. Sie gilt als eine der schillerndsten Figuren der Barockzeit. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1707 führte sie bis zu ihrem Ableben 1733 die Geschäfte allein weiter und soll in der Öffentlichkeit nur schwarze Kleidung getragen haben. Schon zu Lebzeiten soll sie angeordnet haben, dass auf ihrer Grabplatte folgende Inschrift anzubringen ist: Betet für die arme Sünderin. Da ihr Leben genügend Zündstoff für Spekulationen bot, war es kein Wunder, dass Künneke durch ihre Geschichte der armen Sünderin zu seiner Operette Die große Sünderin inspiriert wurde.

Sehr informativ und reichlich illustriert war das Programmheft der Musikalischen Komödie, das unter anderem unter dem Titel „Lustschloss und Einsiedlerkapelle“ über die rege Bautätigkeit der Sibylla Augusta berichtet (Schloss Favorite mit Eremitage, Einsiedlerkapelle in Rastatt, Amtshaus in Offenburg, Schlosskirche in Rastatt, Jagdhaus auf dem Fremersberg, Lorettokapelle in Rastatt, Pagodenburg, Schlosskirche in Ettlingen, Residenzschloss).

Ein Giacomo Girolamo Casanova (1725 – 1798) zugeschriebenes Zitat aus dem Programmheft: „Wer schläft, sündigt nicht, wer vorher sündigt, schläft besser.“

Der österreichischen Regisseurin Alexandra Frankmann gelang eine von Witz sprühende erotische Inszenierung mit guter Personenführung, die das Publikum immer wieder zu Lachsalven und Szenenapplaus  motivierte. Passend dazu das Bühnenbild von Florian Parbs, das fast nur aus mit Luft gefüllten Plastik-Tulpen verschiedener Größe bestand, die oft genug zu erotisch-komischen Situationen führten. Der Zeit des 18. Jahrhunderts entsprechen die von Rebekka Zimlich entworfenen farbenreichen Kostüme.

Bildergebnis für leipzig die große sünderin
Lilli Wünscher als Herzogin Sibylla und Adam Sanchez als Reiteroberst von Schrenk (Copyright: Ida Zenna/ Youtube)
Als Herzogin Sibylla brillierte die deutsche Sopranistin Lilli Wünscher. Sie bot sowohl stimmlich wie auch darstellerisch durch ihre erotische Ausstrahlung eine exzellente Leistung. Ihr ebenbürtig der fesche mexikanische Tenor Adam Sanchez, der mit seinem Schmelz in der Stimme und seinem verführerischen Spiel zu begeistern wusste und wie ein klassischer Heldentenor aus vergangenen Zeiten seine Rolle anlegte. Man bekam das Gefühl, dass bei seinen theatralisch gesungenen Verführungskünsten so manche Besucherin vor Neid erblasste.

Eindrucksvoll auch die deutsche Sopranistin Nora Lentner in der Rolle der Freifrau Jakobe. Köstlich ihre erotischen Szenen als verkleidete Herzogin mit dem strammen Leutnant Jürgen von Sommerfeld, der vom amerikanischen Tenor Jeffery Krueger sehr komödiantische gespielt wurde. Auch stimmlich füllten beide ihre Rollen exzellent aus.

Sehr humorvoll und mimisch ausdrucksstark gab die Sopranistin Angela Mehling die Rolle der Gräfin Arabella, der Tugendwächterin am Hof. Mit Noblesse spielte der Bariton Patrick Rohbeck den Hofmarschall Dagobert. Für Lachsalven im Publikum sorgten der österreichische Tenor Andreas Rainer als Prinz Edolin von Bunzlau und der deutsche Bassbariton Hinrich Horn als Fürst Bodo von Bodenstein, die ihre Rollen kabarettreif ausfüllten.

Viel Applaus erhielt auch das Ballett mit der Solistin Alla Bykanova für ihre tänzerischen Darbietungen (Choreographie: Mirko Mahr) und der stimmkräftige Chor und Extrachor der Musikalischen Komödie (Einstudierung: Mathias Drechsler).

Das Orchester der Musikalischen Komödie, temperamentvoll geleitet von Stefan Klingele, brachte die operettenhaften Klänge des Komponisten in allen Nuancen zum Klingen.

Udo Pacolt

 

 

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