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LEIPZIG/ Zyklische Aufführung des Rings an vier aufeinander folgenden Tagen: DAS RHEINGOLD

06.05.2016 | Oper

LEIPZIG/ Oper: DAS RHEINGOLD, 5. Mai 2016

Zyklische Aufführung des Rings an vier aufeinander folgenden Tagen


Karin Lovelius (Fricka), Tuomas Pursio (Wotan). Copyright: Tom Schulze

Nach der Götterdämmerung-Premiere am 30.4. steht nun vom Donnerstag bis Sonntag der erste komplette Ring-Zyklus in Leipzig seit über 40 Jahren wieder auf dem Spielplan. 2016 ist die Oper Leipzig deutschlandweit das einzige Haus, das einen Ring schließt und ihn an vier Tagen zeigt. Leipzig und der Ring hat schon historisch eine enge Liaison aufzuweisen. 1876 gab es hier den ersten Ring außerhalb Bayreuths. Auch ist die Inszenierung von Joachim Herz in den 70-er Jahren legendär geworden, bot sie doch genug Inspirationsquelle auch für den Jahrhundert-Chereau Ring in Bayreuth, der den Ring ebenfalls in Bezug zu seiner Entstehungszeit setzte. So viel zur nüchternen Statistik.

Der sogenannte Vorabend zum Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ war gestern in der Geburtsstadt des Komponisten doch eher eine zaghafte Angelegenheit. Rosamund Gilmore, die Regisseurin, hat sich entschieden, den Ring mit sanft moderner Optik so zu erzählen, wie es im sprichwörtlichen Buche steht. Weder ein politisches Statement im Sinne einer durchaus angebrachten gesellschaftlichen Systemkritik noch technische Pyromanie sind Gilmores Sache. Durchaus jugendfrei dürfen die Götter etwas albern, sich von Loge vorführen lassen oder allzu Menschliches in stereotypen Bahnen ausrollen. Die einzige zeitgeistige Zutat in diesem doch recht einfach gestrickten Rezept ist ein Bewegungschor, der die mythischen Elemente darstellen soll. Das Ballett darf also in enge Trikots gehüllt, die man auch über den Kopf ziehen kann (Kostüme Nicola Reichert), sich winden und drehen wie zuweilen Würmer, ohne den Sinn des Bühnengeschehens zu kommentieren noch ihn sichtbarer zu machen. Im wesentlich ein szenischer Firlefanz, den man sich hätte sparen können.

Das Einheitsbühnenbild (Carl Friedrich Oberle) stellt eine Art Kellergewölbe oder Zisterne dar,  mit breit nach unten geführter Treppe, die sich um einen Stützsäule windet. In die Säure ist eine Plexiglasvitrine eingelassen, in der zuerst das Gold glänzt, später das Architekturmodell Walhalls exponiert wird. Im Vordergrund ist ein seichtes Plantschbecken aufgestellt, das nach Trockenlegung auch als Sparringplatz dient, wo sich die bourgeoisen Götter tummeln. Durch vergitterte Luken unter dem Becken geht es nach Nibelheim, in einer Seitenloge darf Donner den gar nicht bedrohlichen Hammer schwingen. Fricka thront am zum Umzug bereits verpackten Schreibtisch, Wotan darf in dieser Szenerie eher als Vorstadtstrizzi als als Ehrfurcht gebietender Gott aufgeplustert herumgockeln.

Die musikalische Seite ist wie meist in Leipzig, gediegen bis sehr erfreulich. Aus dem anfangs nicht immer homogen aufspielenden Gewandhausorchester gewinnt Dirigent Ulf Schirmer zunehmend schärfere Konturen. Die Comédie humaine findet im Orchestergraben eher als auf der Bühne statt. Da gibt es durchaus grelle Töne, dramaturgisch werden Extreme ausgereizt, wobei dies Sinn macht, aber nicht immer schön klingt. Dennoch: Luxuriös wie immer die Bläsertruppe, der silberne, nicht üppige Streicherklang des Leipziger Edelklangkörpers kann sich da nicht immer durchsetzen. Schauen wir, wie sich die Orchesterbalance heute in der Walküre entwickelt.

Sängerisch war das Rheingold durchwachsen. Von den Rheintöchtern (Eun See You als Woglinde, Kathrin Göring als Wellende und Sandra Janke als Flosshilde) kann nur Frau Göring reüssieren, der Zusammenklang war alles andere als schmeichlerisch. Der junge finnische Heldenbariton Tuomas Pursio im metallisch changierenden Mantel hat schon fast alle Tribute eines echten Wagner-Helden, in der Mittellage klang in der Aufwärmehase noch einiges fragil und wackelig. Die Höhe ist beeindruckend, der Kavalierston passt ebenso vorzüglich zum noch jungen machtbesessenen „Gott“. Als seine Frau Frick darf die Grande Dame der Leipziger Oper, Karin Lovelius, wie immer mit schönem rundem Ton brillieren. In der Darstellung bleibt sie allerdings bieder bis schablonenhaft. Das kann man nicht von der schwarz düsteren Erde der Nicole Piccolomini behaupten. Ihre Weissagung orgelt sie mit pompöser Tiefe so, dass sie nicht nur Wotan auf den Ring verzichten lässt, sondern auch im Publikum unter die Haut geht. 

Die für mich mit Abstand beeindruckendste Gesangsleistung des Abends bot Thomas Mohr als Loge. Ein waschechter unverbrauchter Heldentenor mit Reserven ohne Ende, einem ansprechenden männlichen Timbre und einer intelligenten musikalischen Gestaltung. Der Jubel am Ende beim Solovorhang bestätigte die außerordentliche Leistung dieses Sängers, den man sich im schweren Fach wohl merken sollte. Ich freue mich schon auf seinen Götterdämmerung Siegfried am Sonntag. Dan Karlström als Mime kann ebenfalls an dieses hohe Niveau anschließen: Als Charaktertenor mit bestens fokussierter Stimme, Komödiantentum im Blut und hoher Bühnenpräsenz hat er alle Attribute eines Publikumlieblings. Als Typus ist Jürgen Linns Albreich ohne Fehl und Tadel, vor dem Fluch gerät er allerdings hörbar an seine stimmlichen Grenzen. Eine unruhige, manchmal fahle Mittellage nimmt der Figur akustisch auch einen Teil der nötigen Dämonie und infernalischen Niedertracht. 

Von den Riesen hat stimmlich eindeutig Stephan Klemm als Fasolt die Nase vorne. Sein Porträt des liebenden Untams, des kräftigen Riesenbabys mit weicher Seele ist ein Theatercoup. Klemm schenkt dem Publikum mit rund mächtigem Bass eine ganz authentische unmittelbar rührende  Figur. James Moellenhoff als Fafner macht seine Sache gut, ohne akustisch in Erinnerung bleibende Akzente setzen zu können. Donner und Froh sind als Persiflage britischer Lords Witzfiguren, Jürgen Kurt und Bernhard Berchtold leihen dem ihre wenig durchschlagkräftigen Stimmen. Das Heda Hedo am Schluss war matt. Marika Schönberg könnte als Freia ein neckischer Katy Perry Verschnitt sein, stimmlich bleibt sie zu soubrettenhaft und im Ungefähren.

Den zwölf Darstellerinnen und Darstellern der mythischen Elemente ist ob ihrer Leistung hoher Respekt zu zollen, wenngleich ihr Einsatz, wie bereits erwähnt, wenig zur Erhellung des Stücks beiträgt.

Der Anfang ist gemacht. Die Besetzungen der nächsten Tage lassen noch viel erwarten. Ob allerdings diese Produktion in den Annalen der Rezeptionsgeschichte des Rings einen Logenplatz einnehmen wird, daran darf schon jetzt gezweifelt werden.

Dr. Ingobert Waltenberger   

 

 

 

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