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LEIPZIG: MAX REGER-FESTTAGE

20.05.2016 | Konzert/Liederabende

LEIPZIG : MAX REGER FESTTAGE vom 13. – 16.5.2016


Max Reger

 Normalerweise ist es ja so, dass G e b u r t sorte ihre berühmten Söhne feiern(auch wenn diese dann schleunigst das Weite gesucht haben). Die Stadt Leipzig hingegen richtete soeben grosse Festivitäten für Max Reger aus, der hier am 11.Mai 1916  v e r s t o r b e n ist.

Reger wurde nur 43, was höchstwahrscheinlich auf seinen unmäßigen Lebenswandel zurückzuführen ist. Unzählige Anekdoten sind davon überliefert: Einmal soll er zwei Stunden lang nur Schnitzel bestellt haben, ein anderes Mal kurz vor einem Konzert zwei riesige Berner Platten – bestehend aus verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten wie Rindfleisch, geräucherter Schweine- und Rinderzunge und geräuchertem Bauchspeck, Rippli, Schüfeli, Gnagi, Zungenwurst und Schweineohren oder -schwänzen – verschlungen haben, das alles heruntergespült mit ebenso großen Mengen an Alkohol.

Zum Glück für uns war er jedoch in seiner Kompositionstätigkeit mindestens genauso unmäßig, sodass er ein gigantisches Oeuvre hinterließ: Reger verfasste zahlreiche Werke für Orgel, Harmonium, Klavier, Violine, Orchester, Soloinstrumente mit Orchester, Kammermusik und Vokalwerke. Die Gesamtausgabe umfasst 38 Bände.

Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war er einer der meistaufgeführten Komponisten Europas, seither hört man nur noch selten etwas von ihm, was möglicherweise daran liegen mag, dass er den einen immer noch zu modern, und den anderen dagegen in der Zwischenzeit zu altmodisch erscheint.

Insofern kamen die geballten Aktivitäten zum Todestag gerade recht, um uns mit seinem Werk wieder etwas vertrauter zu machen.

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Einen Höhepunkt der Festtage bildete zweifellos die Lange Reger Orgel Nacht, die gleichzeitig in sechsverschiedenen Kirchen stattfand. Die schönste davon ist vielleicht die wunderbar renovierte, im äußerst ungewöhnlichen klassizistischen Stil gehaltene Nikolaikirche, dicht gefolgt von der weltberühmten Thomas – und  der sehr atmosphärischen Michaeliskirche. Beeindruckend auch die riesige, düstere, immer noch von Kriegs- und Vernachlässigungsschäden gezeichnete Peterskirche (aus dem späten 19.Jhdt). Sehr überraschend wiederum die Begegnung mit der brandneue, supermoderne, extrem rationalistische und  total kühle Propstei-Kirche, der man nie und nimmer ansehen würde, dass sie eigentlich dem katholischen Ritus geweiht ist.

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Die Peterskirche. Copyright: Robert Quitta

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Probstei-Kirche. Foto: Robert Quitta

 

Von dem Orgel-Marathon besonders in Erinnerung blieben: das Choralvorspiel „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, Variationen und Fuge über ein Originalthema, Sinfonischer Prolog zu einer Tragödie, Introduktion und Passacaglia sowie die „Zwölf Stücke“.

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Die Kongresshalle am Zoo. Foto: Robert Quitta

In der soeben hervorragend restaurierten Kongresshalle am Zoo(die in der Nachkriegszeit dem Gewandhaus als provisorische Spielstätte diente) führte das Mendelssohn Orchester Regers Violinkonzert, das längste aller Zeiten, auf. Der Dirigent, Mitinitiator und künstlerischer Leiter des Gedenkjahres, David Timm, begegnet dem erneuten Unmaß-Vorwurf mit einem sehr simplen Vergleich: „Es kann schon sein, dass Reger hier zuviel des Guten getan hat. Aber man sollte sich das Ganze wie ein besonders üppiges, ausuferndes Buffet vorstellen: es ist ein großzügiges Angebot, aber man muss ja nicht alles essen !“

Im mörderisch schwierigen Solopart brillierte jedenfalls der schwedische Geiger Ulf Wallin.

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Die Schuke-Orgel im Gewandhaus. Foto: Robert Quitta

Zum Abschluss kam auch die gigantische Schuke – Orgel im Gewandhaus kam zum Zug. Man hörte z.B. das „Benedictus“, „Der Mensch lebt und besteht nur eine kleine Zeit“ sowie die berührende Choralkantate „Meinen Jesum lass ich nicht“.

 Die intensiven Reger-Festtage gingen am 20.5. zu Ende. Das ganze Jahr hindurch wird aber noch, nicht nur in Leipzig, sondern im ganzen deutschen Bundesgebiet,fleißig Reger-Pflege betrieben. Details unter: www.reger-in-leipzig.de

 Wer zu diesen Veranstaltungen nicht anreisen kann oder will, kann sich gemütlich zuhause zwei exzellente CD-Neuerscheinungen zu Gemüte führen:

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Die dreiteilige Box mit Kammermusik(für Violine, Viola bzw. Cello, erschienen im Kamprad-Verlag).

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Sowie die 14(!) CDs umfassende Gesamtaufnahme des Orgelwerks von Kurt Rapf (erschienen bei MPS).

 Robert Quitta, Leipzig

 

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