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LEIPZIG: Abschied und Ehrung für Prof. Ulf Schirmer zum Start von WAGNER 22 am 19. Juni 2022  „3 Wochen Unendlichkeit – Schwelgen – Rausch“

28.06.2022 | Themen Kultur

LEIPZIG: Abschied und Ehrung für Prof. Ulf Schirmer zum Start von WAGNER 22 am 19. Juni 2022

 „3 Wochen Unendlichkeit – Schwelgen – Rausch“

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Foto: Klaus Billand

Das ist das Motto von WAGNER 22 der Oper Leipzig, mit der das Haus in der Geburtsstadt des großen Komponisten und Bayreuther Meisters alle seine 13 Opern und Musikdramen in chronologischer Folge (soweit es dramaturgisch sinnvoll ist) vom 20. Juni bis zum 14. Juli 2022 aufführen wird. Mittlerweile sind die drei Frühwerke über die Bühne gegangen, und man ist bei „Lohengrin“ angekommen, der am 30. Juni zu sehen sein wird.

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Oberbürgermeister Burkhard Jung mit Prof. Ulf Schirmer. Foto: Klaus Billand

Zuvor allerdings stand eine große Abschiedsfeier mit Ehrung für den nun scheidenden Leipziger Intendanten und Generalmusikdirektor Prof. Ulf Schirmer als Auftakt auf dem Programm im Felix Restaurant. Es war sein Herzensanliegen, mit diesem in der Rezeptionsgeschichte wohl einzigartigen Wagner-Marathonlauf den Schluss seiner langen Amtszeit seit 2009/10 als GMD und 2011/12 zusätzlich als Intendant der Oper Leipzig zu feiern. Offenbar hatte es der damalige GMD Gustav Brecher (1914-33) schon einmal versucht, alle 13 Werke aufzuführen, wurde aber von der Nazi-Machtergreifung daran gehindert und von Oberbürgermeister Goerdeler entlassen.

 Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, Gastgeber des Events mit etwa 100 geladenen Gästen, erinnerte an diesen weit in der Vergangenheit liegenden Plan eines Vorgängers des heute zu Ehrenden. Er hob besonders Schirmers große Verdienste hervor, die zu Beginn seiner Zeit in ernsthaften Problemen befindliche Leipziger Oper wieder in ruhiges Fahrwasser gebracht und vor allem das Publikum zurückgeholt zu haben. Dabei konnte Jung, der bereits seit 2006 OBB ist, Schirmer in seiner gesamten Amtszeit in beiden Funktionen begleiten und lobte das stets gute und vertrauensvolle Verhältnis mit ihm. So spielte Schirmers sehr positive Sicht auf die technischen Abteilungen des Hauses, vor allem die Werkstätten, eine wesentliche Rolle bei dieser Zusammenarbeit. Durch ihn wurde ein bedeutender Teil Leipziger Kultur wieder für die Bürgerstadt Leipzig zurückgewonnen. Jung sprach von bisweilen „blindem Vertrauen“!         Ganz besonders würdigte er auch Schirmers Engagement für eine Wiederbelebung der Musikalischen Komödie – MuKo, die in Leipzig stets sehr beliebt war und ist. Später unterstrich deren Betriebsdirektor auch diese Wertschätzung.

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Blick in den Saal. Foto: Klaus Billand

Burkhard unterstrich, dass das Haus eine Geschichte von etwa 300 Jahren hat, wie auch das Gewandhausorchester, und es Ulf Schirmer stets ein Privileg gewesen sei, an der Leipziger Oper Intendant zu sein. Er wollte das Publikum erreichen, während andere das Feuilleton erreichen wollten, (was heute wieder ein verstärkter Trend zu sein scheint. Anm. d. Verf.). So ließ man eine Publikumsbefragung durchführen, und es ergab sich eine bedeutende Schnittmenge zwischen dessen Präferenzen und den Vorstellungen des neuen Intendanten Ulf Schirmer. Dann kämpfte er für das damit korrespondierende Budget, und Jung hob hervor, dass Budgets aus der Feder Schirmers immer hielten, ja bisweilen sogar unterschritten wurden. Schließlich dankte er ihm noch für die innerstädtische Vernetzung des Hauses und die Kinder- und Jugendeinbindung.

Es passte sehr gut, dass daraufhin der Bariton Franz Xaver Schlecht  Das Lied „Zueignung“ von Richard Strauss nach dem Gedicht „Habe Dank“ des österreichischen Dichters Hermann von Gilm mit Klavierbegleitung sang. Großer Applaus!

 In seiner kurzen Antwort unterstrich Ulf Schirmer, dass wirklicher Erfolg an großen Häusern, oder „Tempeln“, wie er auch sagte, nur mit starker Motivation möglich sei – und diese Motivation habe er für die Oper Leipzig immer gespürt. Insbesondere freue er sich darüber, dass an der MuKo €10 Millionen investiert worden sind und dieses beliebte Haus damit auf neue sichere Füße gestellt wurde. Auch er schätze die ständige Offenheit im Verhältnis mit OBB Jung sehr. Im Hinblick auf WAGNER 22 hob er hervor, dass Operndirektorin Franziska Severin ein Netzwerk von Covers, ja ein „regelrechtes Coversytem“ aufgebaut habe, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle 13 Werke sicher über die Bühne gehen können. Kathrin Göring, die auch an den kommenden Abenden vielbeschäftige Mezzosopranistin an der Oper Leipzig, sang daraufhin einnehmend „Stehe still!“ aus den Wesendonck-Liedern.

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Kathrin Göring. Foto: Klaus Billand

Im weiteren Verlauf dankten Leiter und Leiterinnen der verschiedenen Abteilungen des Hauses Ulf Schirmer für die lange Zeit der Zusammenarbeit, insbesondere Lydia Schubert, Verwaltungsdirektorin; Franziska Severin, Operndirektorin; Torsten Rose, Betriebsdirektor der MuKo; Dr. Christian Geltinger, Leiter der Jungen Oper; Mario Schröder, Ballettdirektor; KS Martin Petzold für das Sängerensemble; sowie zwei Vertreter des Personalrats. Matthias Schreiber, Cellist im Gewandhausorchester und Vertreter des Orchestervorstands, lobte ebenfalls die gute Zusammenarbeit mit GMD und Intendant Schirmer, ging aber als einziger auch etwas detaillierter auf die Situation am Hause vor dessen Amtsbeginn ein. Im Namen des Gewandhausorchesters übergab er dem Ehepaar Schirmer eine kleine japanische Gartenlaterne, bezugnehmend auf das große Asieninteresse des Intendanten.

Schließlich kam es zur Präsentation des Buches „Ulf Schirmer / Oper Leipzig“, eine sorgfältig und mit vielen Beteiligten zwischen 2019 und 2021 entstandene Dokumentation von Friederike Pank. Als sie 2018 aushilfsweise im Intendanzbüro tätig war und später für kurze Zeit in diese Funktion zurückkehrte, konnte sie alle relevanten Gesprächspartner im Hause treffen, die sie zu einer Reflektion über das Wirken Ulf Schirmers benötigte. 2020 lud man sie dann zu dieser Dokumentation ein. So empfiehlt Pank mit dem Buch, „eine Zeitreise durch verschiedene Perspektiven auf die Ära Schirmer zu machen und das Geschehene aus mal geteilten, mal widersprüchlichen, mal sich gegenseitig ergänzenden Blickwinkeln zu betrachten.“ Dies ist ihr mit der äußerst ansprechenden Publikation, die zudem interessant und reichhaltig bebildert ist, zweifellos gelungen. Pank, aufgewachsen in einer Leipziger Musikerfamilie, promoviert zur Zeit im Ramen eines Forschungsprojekts der Universität Oxford zum Thema Kohleausstieg, Strukturwandel und Postsozialismus in Ostdeutschland und ist auch künstlerisch als Lyrikerin, Herausgeberin und Musikerin aktiv.

Den Schlusspunkt setzte dann Franz Xaver Schlecht mit Franz Léhars „Freunde, das Leben ist lebenswert!“ aus „Giuditta“ – in der Tat ein Motto, zu dem die Kunstform Oper in allerhöchstem Maße beizutragen vermag – immer noch…

Eine Wagnerisch gekennzeichnete Abschiedstorte durfte natürlich nicht fehlen, gefolgt von einem exquisiten Abendessen und einem noch langen geselligen Beisammensein auf der herrlichen Terrasse der „Felix Wagner Lounge“ mit Blick auf die feierlich erleuchtete Oper Leipzig und den Augustusplatz.

 Klaus Billand aus Leipzig             

 

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