Lech am Arlberg: LECH CLASSIC FESTIVAL – “COSÌ FAN TUTTE“ – 10.8. 2024– mit einem großartigen Ensemble
Peter Kellner, Pavel Kolgatin. Foto: Peter Panik
Fußgetrampel und tosender, langanhaltender Applaus in den mit Glas und Holz ausgekleideten, neu eröffneten Veranstaltungssaal der „Lechwelten“. Nachdem eine Woche jeden Abend ein abwechslungsreiches Programm von Verdi, Wagner und Donizetti über Johann Strauss, Bruckner, Beethoven und Haydn auf höchstem künstlerischem Niveau geboten wurde, wird nun mit Spannung und Aufregung Mozarts „Così fan tutte“ entgegengefiebert. Die hohen Erwartungen an die semi-szenische Aufführung können ausreichend Erfüllung finden, obwohl es Umbesetzungen gibt und Günter Haumer, Ensemblemitglied an der Wiener Volksoper, kurzfristig einspringen muss. Der Wiener Bariton kann auch vom Auftreten als weltweiser Philosoph und Misanthrop Don Alfonso überzeugen, der als Drahtzieher der Amouren auch mit in deutsch gesungenen Textpassagen die Fäden zieht.
Peter Kellner, Margarita Gritskova, Tetsuro Ban. Foto: Peter Panik
Große bunte Plakate hinter dem Lech Classic Orchester zeigen Handlungsorte in Neapel. Mit kitschig-schöner Gestaltung von Sonnenterrassen mit Vesuv-Ausblick, elegantem Rokoko-Salon, festlichem Spiegelsaal und gepflegten Gärten am Meer kann gekonnt die Stimmung um die fatale Wette und der erotischen Verkleidungs- und Partnertausch-Komödie eingefangen werden. Statt der üblichen Rezitative führt der Österreichische Kammerschauspieler Joseph Lorenz als Erzähler pointiert und mit großer Leidenschaft durch die Handlung und gibt auch spannende Einblicke in Mozarts eleganter Musik, seinen frechsten Tönen und Da Pontes unvermeidbaren Witz-Kapriolen. Der Dirigent Tetsuro Ban animiert die Musiker des Lech Classic Festivals ohne Dirigierstab zu knisterndem Spiel, die Tempi erklingen leicht und auch mit dramatischer Verve. Der Japaner achtet genau auf die Atmung der Solisten und setzt sängerfreundlich und behutsam ein. Orchestermusiker von international renommierten Spitzenorchestern wie ORF Radio-Symphonie, Wiener und Berliner Staatsoper, aus Linz, Graz, Köln u.a. musizieren mit Hingabe und Spielfreude und brillieren unter der Studienleitung von Kamila Akhmedjanova, die auch am Cemballo begleitet. Der Rezensentin fehlen die Rezitative etwas, aber in vielen Gesprächen mit den Festival-Gästen werden die interessanten Einleitungen in die Musiknummern und die treffenden Erklärungen so sehr gelobt, sodass die Aufführung wohl auch deshalb ein großer Erfolg wird.
Herausragend gestalten die 2 Liebespaare vokal und darstellerisch die Zeit der Selbstprüfung vor der Ehe. Jennifer O´Loughlin trumpft als Fiordiligi bei der anspruchsvollen Felsenarie mit großen Sprüngen in der Gesangsmelodie auf, zeigt bei den Duetten mit Schwester und Verlobten aber auch schön-klingende Geschmeidigkeit und jugendliche Frische ihres ausgezeichnet geführten Soprans. Die Amerikanerin und Bayerische Kammersängerin präsentiert sich gekonnt als vornehme Dame aus Ferrara, die dem Geliebten treu bleiben will und verwirrt über ihre Gefühle zu einem anderen Mann ist.
Peter Kellner, Pavel Kolgatin, Margarita Gritskova, Jennifer O’Loughlin. Foto: Peter Panik
Als ihre Schwester erlebt man eine expressive, spielfreudige Margarita Gritskova, die neben fülliger Mittellage und schönen piani auch über die nötige bewegliche Höhe der Dorabella verfügt. Zum dramatischen Ausbruch wird die explosiv vorgetragene „Wahnsinnsarie“ mit hastigen Tempi „Smanie implacabili“– die Russin beweist souverän, ihren in allen Lagen gut geführten Mezzo.
Mit traumhaftem Schmelz-Timbre, fließenden Legato-Bögen und beeindruckender Höhensicherheit ist Pavel Kolgatin ein idealer Ferrando, dessen lyrischer Tenor auch optimal mit Fiordiligi beim Liebesduett – mit Kuss am Ende – harmoniert. Peter Kellner interpretiert souverän, kraftvoll und mit passender Mimik und Gestik den Soldaten Guglielmo. Diese Rolle hat der slowakische Bariton mit flexibler Stimmführung bereits bei der Kosky-Premiere im vorigen Monat ausgezeichnet auf die Bühne der Wiener Staatsoper gebracht. Eigentlich war laut Programm vorgesehen, dass das Wiener Ensemblemitglied einen (besonders jungen) Don Alfonso singen soll – umso bemerkenswerter, dass man ihm die sehr kurzfristige Umbesetzung überhaupt nicht anmerkt. Uliana Alexyuk spielt eine freche, schlaue Despina mit weißer Spitzenschürze, hat für diese Rolle schon eine sehr füllige Stimme, aber sorgt besonders in Verkleidung als zittriger Notar für Lacher im Publikum, das mitgerissen den Konzertsaal verlässt.
Susanne Lukas