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LAXENBURG / Schloss: Serenadenkonzert mit CHEN REISS

Musikalische Paarläufe, mit Bravour vorgeführt

11.09.2023 | Konzert/Liederabende
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Andreas Fröschl (Klavier), Chen Reiss (Sopran), Chris Pichler (Gestaltung und Rezitation). Alle Fotos: Laxenburger Schlosskonzerte / Thmas Valka

LAXENBURG / Schloss: Serenadenkonzert mit CHEN REISS, Schumann, Mendelssohn und Mahler

10. September 2023

Von Manfred A. Schmid

Drei große Künstlerpaare stehen im Mittelpunkt des Konzerts im Schlosstheater Laxenburg, das im Rahmen der Serenadenkonzerte des Landes Niederösterreich in Kooperation mit den Laxenburger Schlosskonzerten stattfindet. Die Schauspielerin Chris Pichler hat für das von ihr zusammengestellte Programm aus dem Liedschaffen von Fanny Hensel und ihres Bruders Felix Mendelssohn-Bartholdy, von Clara und Robert Schumann sowie von Alma und Gustav Mahler eine Auswahl getroffen. Um Einblicke in die jeweils nicht immer einfachen Beziehungen zu bieten, die sich vor allem daraus ergaben, dass das kompositorische Schaffen der Frauen gegenüber dem der Männer für weniger wichtig erachtet oder gar  – wie im Falle Alma Mahlers – letztlich ganz unterdrückt wurde, trägt sie aus Briefen und Tagebucheintragungen aussagekräftige Passagen vor, in denen die Komponistinnen, ausgesprochen selbstbewusst, dazu Stellung beziehen. Fanny berichtet etwa darüber, wie sich ihre schöpferische Arbeit nach der Verehelichung verändert und wie sehr sie in der Ferne den künstlerischen Austausch mit ihrem Bruder vermisst, während Clara Schumann über den enervierenden Kampf gegen ihren Vater schreibt, der sich gegen ihre Heirat mit Robert ausspricht und gegen den sie vor Gericht ziehen muss, um Recht zu bekommen. Alma Mahler erzählt von der mühsamen Annäherung an den großen Hofoperndirektor, den sie anfangs tatsächlich wortwörtlich nicht riechen kann, dessen Musk sie nicht versteht, und schildert auch schonungslos offen ihre allmähliche Loslösung von Alexander Zemlinsky, den sie liebt und auch als Komponisten überaus geschätzt hat. Alle drei Frauen haben gemeinsam, dass sie sich selbst als eigenständige Komponistinnen verstehen, die nicht nur im Schatten ihrer Partner stehen. Nur Clara fühlt sich gelegentlich gegenüber dem großen Genie ihres Mannes Robert etwas benachteiligt, besinnt sich dann aber immerhin ihrer hochgeschätzten Qualitäten als Pianistin.

Eine idealere Interpretin als Chen Reiss hätte sich für dieses Programm kaum finden lassen. Die Sopranistin, in Wien als häufig eingesetzte Sophie im Rosenkavalier wie auch in der Titelrolle von Das schlaue Füchslein noch in bester Erinnerung und längst gern gesehener Gast auf den großen Bühnen der Welt, hat sich schon seit längerem zur Aufgabe gestellt, sich in ihren Konzerten, wann immer es geht, für das Schaffen von Komponistinnen, insbesondere etwa für Fanny Hensel, einzusetzen. Ihrem hellen, feinen Sopran ist bei der Gestaltung der Lieder keinerlei Opernhaftigkeit anzumerken. Reiss erweist sich als ausdruckstarke, nuancenreiche und die jeweiligen Stimmungen profund auslotende Liedsängerin. In Hensels „Die Mainacht“ beschwört sie das  beseelte, vom silbernen Mond beschienene Liebesspiel im Nest der Nachtigall und das von Laub überhüllte Taubenpaar. Auch im darauf folgenden Lied „Dämmrung senkte sich von oben“, nach einem Text von Goethe, dient die nächtliche Naturschilderung des „holden Lichts“ des Abendsterns, von Nebel und Mondglanz als Spiegelbild intensiver Gefühlserregung, die langsam abklingt und zur Ruhe kommt: „Und durch’s Auge schleicht die Kühle sänftigend in’s Herz hinein.“ Das Klopstock-Gedicht „Die frühen Gräber“  besingt ebenfalls  dem silbernen Mond und „des Maies Erwachen“ und ist ohne jegliche Düsterkeit. Fröhlich und beschwingt von mediterraner Helle ist das „Gondellied“ nach einem Gedicht von Emanuel Geibel. Auch hier spielen „Sternenheer“ und „Mondespracht“ eine wichtige Rolle. Wie hoch Chen Reiss und Chris Pichler das Liedschaffen von Fanny Hensel wertschätzen, äußert sich nicht zuletzt auch darin, dass von Fannys Bruder Felix keines seiner Lieder auf dem Programm steht, sondern dessen „Lied ohne Worte A-Dur op. 19/4“, seelenvoll interpretiert von dem jungen österreichischen Pianisten Andreas Fröschl, der nicht nur ein hellhöriger, wacher Liedbegleiter ist, sondern auch solistisch auf sich aufmerksam macht, wie später auch in Robert Schumanns Notturno F-Dur op. 6/2“.

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Chen Reiss

Während aus dieser Programmierung geschlossen werden kann, dass Hensels Lieder gegenüber denen aus der Feder ihres Bruders der Vorzug eingeräumt wird, zeigt die Gegenüberstellung von Robert Schumanns Liedern „Die Lotosblume“ und „Widmung“ und Clara Schumanns „Sie liebten sich beide“ und „Liebst du um Schönheit“, von Reiss mit schlichter Innigkeit dargeboten, dass Claras Vokalkompositionen berühren und von großer Könnerschaft sind, aber mit denen ihres Gatten doch nicht ganz mithalten können. Dass sie dennoch zu den großen Komponistinnen der Romantik zählt und es verdient, aufgeführt zu werden, steht aber dennoch außer Zweifel.

Ähnlich ist es mit der durchaus begabten Alma und dem Genie ihres Gatten Gustav Mahler. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es ihr nach der Heirat, wegen des ihr von ihrem Mann auferlegten Komponierverbots, nicht möglich war, sich kompositorisch weiterzuentwickeln. Wer weiß, was aus ihr noch geworden wäre, hätte sie reifen können.  Das zärtliche, tastende Bekenntnis „Bei dir ist es traut“, nach einem Rilke-Gedicht, und das abwechslungsreiche, höchst dramatisch durchkomponierte Lied „In meines Vaters Garten“, von Chen Reiss mit Verve und geradezu plastisch vorgetragen, verweist jedenfalls auf ein starkes schöpferisches Potenzial.

Der um die von Chris Pichler mit viel Engagement und auch Humor vorgetragene Lesungen erweiterte Liederabend ist überaus gelungen, wird zu Recht mit viel Applaus bedacht und mit einer entzückenden Zugabe – Fanny Hensels Liedchen „Italien“ – abgeschlossen.

Dennoch sei angemerkt: So reizvoll die Idee ist, Kompositionen dieser drei Frauen exemplarische Lieder ihrer Ehemänner, bzw. im Falle Fanny Hensels, ihres Bruders gegenüberzustellen, erscheint es doch nicht fair, dass z.B. Alma Mahlers Stücke sich mit den Meisterwerken „Ich atme einen linden Duft“ und „Liebst du um Schönheit“ ihres Göttergatten Gustav matchen müssen. Außerdem wird damit wiederum suggeriert, dass sie nicht eigenständig genug seien, nicht für sich selbst allein sprechen könnten, sondern nur an der Seite ihrer berühmten Partner präsentiert werden sollten. Damit bleiben sie irgendwie in deren Schatten stehen. Es ist aber an der Zeit, sie, ganz und allein für sich sprechend, ans Licht zu bringen. Aber das hat Chen Reiss ohnehin schon längst gemacht. Insofern geht also dieser Konzertabend durchaus mehr als in Ordnung und ist eine musikalische Wohltat.

 

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