Cunewalde/Kirche: MARTHA ARGERICH & MISCHA MAISKY BEIM 4. LAUSITZ FESTIVAL – 3.9.2022
Das, 2019 gegründete. LAUSITZ FESTIVAL mit dem Ziel, eine vom niedergehenden Bergbau geprägte Region in Deutschland, die Lausitz (im Osten Sachsens und Süden Brandenburgs) kulturell zu beleben, blickt in diesem Jahr bereits auf ein vierjähriges erfolgreiches Bestehen zurück und unter dem Motto „AufBruch“ das den vielfachen Aspekten von Abschied und Anfang sinnlich nachspüren soll, in die Zukunft.
Martha Argerich, die überaus vitale und aktive, schon über achtzigjährige Pianistin, der man ihr Alter in keiner Weise anmerkt, die „Königin am Klavier“, „unergründliche Tasten-Sphinx“, Hohepriesterin am Piano“ und wie sie sonst noch bewundernd genannt wird, ließ es sich nicht nehmen, auch in diesem Jahr zum dritten Mal dabei zu sein. Aus persönlichen Gründen musste der Konzertabend um drei Tage verschoben werden, da sie erst kurz zuvor vom Buenos Aires Festival zurückgekehrt war. Das erwartungsvolle Publikum kam nach Cunewalde in der Oberlausitz und füllte Deutschlands größte Dorfkirche, ein Kulturdenkmal, erbaut Ende des 18. Jahrhunderts, mit drei Emporen und 2632 Sitzplätzen, von denen derzeit wegen des baulichen Zustandes nur noch etwa 1600 nutzbar sind, mit Schutznetz unter der Decke, aber für das Konzert im Inneren dezent angestrahlt.
Zusammen mit Startcellist Mischa Maisky gestaltete die Argerich einen unvergesslichen Abend mit Kammermusik vom Feinsten. Beide Meister ihres Instrumentes sind ein eingespieltes „Team“. Es erstaunt immer wieder, wie sie sich in die Musik versenken, die sie gerade spielen, und dem Publikum durch ihre Interpretation erschließen. Beider Zusammenspiel verbindet sich auf ideale Weise durch gleiches musikalisches Empfinden, so dass die musikalischen Linien der Instrumentalparts in gemeinsamer Gestaltung und doch individuell, zusammengeführt werden, sich verbinden, ineinander greifen, sich umschlingen und wieder ihre Selbständigkeit behaupten – ein Hörgenuss und Erlebnis der besonderen Art.
Den Beginn des gemeinsamen Auftritts bildeten „Fantasiestücke“ von Robert Schumann, in musikalischer Seelenverwandtschaft der beiden Künstler, sehr differenziert, feinfühlig, mit Innigkeit und angemessenem Temperament, abwechslungsreich und in einer großen Farbskala für jedes Stück dargeboten.
Beim „Klaviertrio d‑Moll (op. 49) von Felix Mendelssohn-Bartholdy gesellte sich Susanne Barner, Soloflötistin der Hamburger Sinfoniker, dazu und fügte sich, vor allem auf die technische Seite orietiert, in das geniale, ausdrucksstarke Zusamenspiel ein.
Mit „singendem“ Cello und einfühlsam-temperamentvollem Klavierspiel widmeten sich Argerich und Maisky mit ebensolcher Feinfühligkeit und Können der „Sonate für Violoncello und Klavier g‑Moll“ (op. 66) von Frédérik Chopin und ließen sie zum musikalischen Erlebnis werden.
Nach diesem rein romantischen Programm klangen mit der „Sonate für Violoncello und Klavier d‑Moll“ von Claude Debussy, der ersten von „Six sonates pour divers instruments“, etwas andere Töne an. Wegen des Ersten Weltkrieges lehnte Debussy alles Deutsche und damit auch den klassischen deutschen Kompositionsstil nach dem Vorbild von Beethoven und Brahms kategorisch ab. Er fand seine eigene künstlerische Identität in der Orientierung auf die französischen Komponisten der Barockzeit. Seine Sonaten sind drei- statt viersätzig, frei in der Form, elegant und fantasievoll.
Nach dem meditierenden, verträumten „Prolog“ entfalteten sich mit flüssigem, temporeichem Klavierspiel, das vom „schwebenden“ Klang des Cellos beantwortet wurde und in freier Art den Rhythmus aufnahm, der zweite und dritte Satz leicht ironisch, buffonesk und schwerelos, so “Ironique”, wie es nach Debussys Worten klingen sollte.
Jeder Begegnung mit beiden Künstlern liegt ein Zauber inne. Sie leben in und mit der Musik, beide souveräne Meister ihres Instrumentes und mit großer Ausstrahlung.
Mit einer ebenso meisterhaft gespielten melodisch perlenden Zugabe für den begeisterten Applaus beendeten sie einen außergewöhnlichen Konzertabend.
Ingrid Gerk