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LAUSANNE/ Opera de Lausanne: DON QUICHOTTE von Jules Massenet. Derniere

13.10.2025 | Oper international

Jules Massenet: Don Quichotte an der Opera de Lausanne:
Derniere vom 12. Oktober 2025

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 Stéphanie D’Oustrac und  Nicolas Curjal. Foto: Carole Parodi

Mit Jules Massenets Don Quichotte präsentiert das Haus eine Oper, die nur selten auf dem Spielplan steht. Das Werk, 1910 uraufgeführt, verbindet romantische Ritterideale mit stiller Melancholie und einer typisch französischen Klangsprache, die zwischen Eleganz und Intimität changiert. In Bruno Ravellas neuer Inszenierung steht nicht der komische Aspekt des Stoffes im Vordergrund, sondern die tragische Dimension eines Mannes, der an seinen Idealen festhält, während die Welt um ihn längst weitergezogen ist.

Bruno Ravella nähert sich der Oper ohne ironische Distanz, sondern mit ernsthaftem Interesse am seelischen Zustand des Protagonisten. Gleich zu Beginn zeigt er Don Quichotte als gealterten, leicht desorientierten Mann, der sich seiner bürgerlichen Hülle entledigt und in Unterkleidung zurückbleibt – eine bildhafte Metapher für seine gesellschaftliche Entblössung und geistige Absonderung.

Die Bühne von Leslie Travers schafft mit geneigten Flächen, transparenten Prospekten und einer Vielzahl von Glühbirnen eine flexible Szenerie, die sich mühelos zwischen Realität, Erinnerung und Traum bewegt. Das Lichtdesign von Ben Pickersgill verstärkt diesen Eindruck, indem es die Übergänge zwischen Innen- und Aussenwelt in wechselnde Farbspiele taucht. Gabrielle Dalton kleidet die Figuren in eine Mischung aus historischen und zeitlosen Kostümen; besonders Dulcinée, in Rot und Schwarz als Cabaret-Diva gestaltet, wird so zur Projektionsfläche für Don Quichottes idealisierte Liebe.

In der Titelrolle überzeugt Nicolas Courjal mit einer Darstellung von beeindruckender Präsenz und Würde. Sein dunkler, resonanter Bass verleiht Don Quichotte sowohl heroische Autorität als auch menschliche Verletzlichkeit. Besonders in den leisen Momenten – etwa in der Abschiedsszene – gelingt ihm eine glaubhafte Balance zwischen Pathos und innerer Zerrissenheit. Courjal vermeidet jede Überzeichnung und findet zu einer Interpretation, die den Charakter als tragischen Träumer begreifbar macht.

Stéphanie d’Oustrac gestaltet Dulcinée als kluge und eigenständige Frau, die sich des Spiels mit ihrer Wirkung bewusst ist. Ihr Mezzosopran besitzt eine rauchige, sinnliche Färbung, die sie flexibel zwischen Ironie, Zärtlichkeit und Wehmut einsetzen kann. Ihre Arie „Lorsque le temps d’amour a fui“ wird zum stillen Höhepunkt des Abends – ein Moment der Selbstreflexion zwischen Stolz und leiser Reue.

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Nicolas Curjal (Don Quichotte) und Marc Barrard (Sancho). Foto: Carole Parodi

Marc Barrard als Sancho Panza zeichnet die Figur mit menschlicher Wärme und unaufdringlicher Komik. Sein runder Bariton trägt die Arie „Riez, allez, riez du pauvre idéologue“ mit spürbarer Anteilnahme, ohne ins Sentimentale zu geraten. Er verkörpert Sanchos bedingungslose Loyalität und ist in dieser Inszenierung mehr als nur Diener oder Gegenpart – er wird zum emotionalen Vermittler zwischen Don Quichottes Traumwelt und der nüchternen Realität.

Auch die Nebenrollen sind sorgfältig besetzt. Andrea Cueva Molnar (Pedro), Herlinde Van de Straete (Garcias), Maxence Billiemaz (Rodriguez) und Jean Miannay (Juan) agieren als geschlossene Ensemblegruppe, die mit Spielfreude und stimmlicher Klarheit überzeugt. Ihr präziser Ensemblegesang trägt zur lebendigen Dynamik der Aufführung bei und gibt den gesellschaftlichen Szenen eine szenische Leichtigkeit.

Unter der Leitung von Laurent Campellone entfaltet das Orchester Massenets feine, farbenreiche Partitur mit grosser Transparenz. Campellone legt Wert auf Balance. Die delikate Instrumentierung bleibt stets durchsichtig, auch in den dichter gesetzten Passagen. Er vermeidet Übertreibungen und lässt die emotionale Wirkung aus der Musik selbst entstehen. Besonders die Holzbläserfarben und die weichen Streicher tragen zur Atmosphäre von Sanftheit und Melancholie bei, die das Werk durchzieht.

Der Chœur de l’Opéra de Lausanne, einstudiert von Alessandro Zuppardo, überzeugt durch klare Artikulation und ein homogenes Klangbild. Besonders in den Massenszenen zeigt der Chor eine gute Balance zwischen Präzision und Ausdruck. Die Sängerinnen und Sänger reagieren sensibel auf die feinen Stimmungswechsel der Partitur – mal verspielt und spöttisch, mal getragen und ernst.

Diese Produktion von Don Quichotte ist eine respektvolle, zugleich poetisch durchdachte Annäherung an Massenets späten Opernstil. Ravella inszeniert das Werk weder als Märchen noch als Komödie, sondern als humane Studie über Sehnsucht, Idealismus und Einsamkeit. Gesang, Regie und Orchesterarbeit greifen eng ineinander, ohne Effekthascherei.

Das Ergebnis ist eine Aufführung von stiller Intensität – sorgfältig gearbeitet, musikalisch fein abgestimmt und in ihrer Gesamtheit von einer Würde, die Don Quichottes Traum ernst nimmt.

Da alle Darsteller der französischen Sprache mächtig sind, macht diese Aufführung noch mehr zu einem Höhepunkt der besonderen Art. Die Diktion und die Textverständlichkeit ist hervorragend.

 

 

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