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LAUSANNE/Opéra de: EUGEN ONEGIN – Neuinszenierung

09.04.2022 | Oper international

Eugen Onegin an der Opéra de Lausanne vom 8.4.2022

Eugen Onegin - Lausanne Opernhaus (2022) (Produktion - Lausanne, schweiz) |  Opera Online - Die Website für Opernliebhaber

Tschaikowsky ist einer der liebenswertesten russischen Komponisten. Seine dramatische, empfindsame und melancholische Persönlichkeit verschmilzt mit den tief schwelgerischen Klängen seiner Musik. Sie strahlt eine unvergleichliche Noblesse aus, die von einem authentisch slawischen Geist durchdrungen ist. Eugen Onegin, 1879 komponiert und auf der Grundlage der Schriften von Puschkin, ist seine vierte Oper. Sie lässt uns in eine tiefgründige Erforschung der menschlichen Gefühle zwischen Liebe, Gleichgültigkeit und Hass eintauchen. Der Komponist war sich bewusst, dass er von den üblichen Regeln des Genres abwich, und beschloss, den Begriff lyrische Szenen zu verwenden, um ein Werk zu definieren, dessen roter Faden sich vor allem auf die psychologischen Porträts der Figuren und nicht auf eine traditionelle lineare Erzählung konzentriert. Neben der berühmten Szene mit Tatjanas Brief gehört Lenskys grosse Arie zu den unverzichtbaren Elementen des Repertoires der Tenöre.

Die Neuproduktion der Tschaikowski-Oper Eugen Onegin von Éric Vigié ist eine Koproduktion mit der l’Opéra Royal de Wallonie in Liège. Der Intendant des Hauses welcher für die Inszenierung verantwortlich ist, hat das Werk in die Zeit der russischen Revolution versetzt. Im Ukraine Konflikt ist diese Lesart gewagt!

Bevor sich der Vorhang hebt, wird eine Botschaft zur Unterstützung der Ukraine auf die Leinwand projiziert. Eric Vigié hat beschlossen, dass er, seine umfangreiche Produktion von vor vier Jahren nicht zu ändern. Filmsequenzen von der Oktoberrevolution 1917 untermalen die symphonische Einleitung. Dann taucht das erste Bild auf. Unter der schönen Beleuchtung von Henri Merzeau besteht das Bühnenbild von Gary McCann aus einer von Schiebetafeln umgebenen Plattform mit einem langen Tisch, vier Stühlen und einer Schaukel in der Ferne. Madame Larina und ihre beiden Töchter Tatjana und Olga sind in makelloses Weiss gekleidet und werden von Amme Filipjewna und einem Dienerpaar umgeben, das wie das Erntevolk beige gekleidet ist und drei Strohsäcke mit religiösen Motiven auslegt. Als eine Prozession mit einem Banner auftaucht, erhebt sich eine zwiebelförmige Kuppel aus den Gewölben.

Die Ankunft von Lenski und seinem Freund Onegin veranlasst Tatjana, sich in einem baufälligen Pavillon zurückzuziehen, wo sie ihren berühmten Brief schreiben wird, den der Empfänger ihr in einer Geste seltener Ehrerbietung zurückgibt.

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Foto: Opéra de Lausanne

Im zweiten Akt wird der Aufstand mit voller Wucht losgetreten. Die Kuppel verwandelt sich in eine Kanonenöffnung, auf der Tatjana wie eine Muse sitzt und eine sehr seltsame Mütze trägt. Der letzte Akt führt uns zu den monumentalen Statuen von Lenin und Stalin, deren Sockel einer kleinen Ratte auf Stacheln weichen wird. Am Ende tauchen ein paar verschlafene Partygäste auf, gedrängt von einem verzweifelten Onegin, der die steife, knabenhafte, in leuchtendes Rot gehüllte Tatjana umarmt, die ihren verachteten Verehrer von den Wachen abführen lässt, bevor sie ihrem Mann gegenübertritt, der wie ein furchterregender Richter in der Tür steht.

Gesungen wird sehr schön. Natalia Tanasii ist brillant. Die Sopranistin verfügt mit ihrer hellen, klaren Stimme über alles, was diese Partie fordert. Kraft, Sicherheit bei den hohen Tönen und Ausstrahlung. Fulminant agiert sie in der Brief-Szene, in der sie tief in die Seele einer jungen Frau blicken lässt.

Irina Maltseva ist stimmlich und darstellerisch eine idealtypische Olga. Kostas Smoriginas überzeugt als Eugen Onegin mit gepflegter Stimmführung. Der Lensky von Pavel Petrov ist sehr gepflegt, sehr ausgewogen und stimmschön gestaltet er die Arie des Lensky. Alexandr Bezrukov agiert und intoniert tadellos als Gremin.

Auch die kleineren Partien waren sehr gut besetzt: Susanne Gritschneder als Larina, Qiulin Zhang als Filipjewna, Jean Miannay als Monsieur Triquet und Alexandre Diakoff als Saretzki.

Gavriel Heine lässt am Pult des Orchestre de Chambre de Lausanne wenige Wünsche offen. Er setzt auf klangliche Schönheit und eine sehr fokussiert Tempoführung, was dem Gesang viel Unterstützung bot. Exzellent, der Choeur de l’Opera de Lausanne. Die Aufführung wird vom Publikum im voll besetzten Haus mit grossen Ovationen bedankt.

Marcel Emil Burkhardt

 

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