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LANGENLOIS / Schloss Haindorf: Operette GRÄFIN MARIZA

Ein nicht ungetrübter sommerlicher Operettenabend vor einer Traumkulisse

26.07.2024 | Operette/Musical
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Oliver Ringelhahn (Graf Tassilo) und Cornelia (Gräfin Mariza). Alle Fotos: Operette Langenlois / Barbara Palffy

LANGENLOIS / Schloss Haindorf: Premiere der Sommeroperette GRÄFIN MARIZA

25. Juli 2024 – Premiere

Von Manfred A. Schmid

Einzigartig ist die Kulisse des Sommerfestivals Operette Langenlois. Das wunderschöne Schloss Haindorf, in dessen Hof die Aufführungen stattfinden, ist das eigentliche Bühnenbild. In seiner Wirkung durchaus vergleichbar mit der Bedeutung, die der Dom für den Salzburger Jedermann einnimmt. Das macht es für Regisseur Peter Lund recht einfach, weil er in seiner zusätzlichen Funktion als Bühnenbildner so gut wie arbeitslos ist und sich voll und ganz auf die Inszenierung von Emmerich Kálmáns Meisterwerk Gräfin Mariza konzentrieren kann. Außer ein paar Sitzgelegenheiten, die hin und wieder herbeigeschafft werden müssen, ist es nur ein landwirtschaftliches Gerät, das die Bühne prägt: Ein Förderband in der Ecke links, mit dem die Strohballen auf die Tenne transportiert werden können. Die reiche, von hartnäckigen Feiern umschwärmt Gutsherrin, Gräfin Mariza, ist nämlich Besitzerin von 16.000 Schweinen, und hat einen innovativen neuen Verwalter engagiert, der den Betrieb umsichtig und erfolgreich leitet, während sie die meiste Zeit in der Hauptstadt verbringt. Dass der Verwalter in den sie sich bei einem ihrer raren Besuche auf dem Land verliebt, in Wahrheit ein Graf ist, wird sie allerdings erst beim Happyend einer operettenhaft von zahleichen Wendungen und Missverständnissen begleiteten Beziehung herausfinden.

Gräfin Mariza – mit Betonung auf der zweiten Silbe des Namens, wie Intendant Christoph Wagner-Trenkwitz in seiner launig-kurzen Begrüßungsrede („Wir sind ja nicht in Mörbisch!“) erklärt – wurde 1924, genau vor einhundert Jahren, uraufgeführt. Peter Lund belässt die Handlung, wie schon im Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald, in den frühen 20-er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Adelstitel sind offiziell bereits abgeschafft, aber die hier lächerlich gemachten Standesdünkel bestehen weiterhin und geben Anlass für witzige nostalgische Bemerkungen. Vornehmlich aus dem Mund von Fürst Populescu (souverän dargestellt von Marco Di Sapia), der als einer der Gäste an der von der Hausherrin überraschend einberufenen Verlobungsfeier mit dem von ihr erfundenen Bräutigam Baron Kolomán Zuspán, teilnimmt. Als dabei ein Baron auftaucht, der tatsächlich den Namen dieser Figur aus Der Zigeunerbaron von Johann Strauß trägt, nimmt die amüsante Affäre ihren höchst komischen weiteren Verlauf. Lund inszeniert mit viel Schwung und gut eingebauten Gags – ein Motorrad mit Beiwagen kreuzt auf – und bezieht in seiner Personenführung alle räumlichen Möglichkeiten des Schlosshofs und des beidseitig begehbaren Stiegenaufgangs ein. Vor allem aber legt er Wert darauf, auf die gar nicht so erfreuliche Lage der oft unfreundlich behandelten Bediensteten aufmerksam zu machen. Ein Höhepunkt ist die Moralpauke, die Manja, die alte Vertraute der Gräfin – im Original eine junge Zigeunerin – von oben herab den verwirrten Gästen hält. Ulrike Steinsky lässt in die Gestaltung dieses Auftritts ihre langjährige Bühnenerfahrung an der Staats- wie auch der Volksoper einfließen.

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Ensemblefoto Tennispartie

Auch die Tanzeinlagen (Choreographie Lisa-Victoria Ebner) und die Kostüme von Daria Kornysheva lassen das Flair der Zwanzigerjahre wiederauferstehen: In den kecken Hüten der Damen und den zum Teil schrill-bunten Anzügen einiger der – wie sie wohl zu Recht vermutet – vor allem geldgierigen Verehrer der Gräfin. Doch alle diese Vorzüge werden empfindlich beeinträchtigt, wenn es besetzungsmäßig in einer wichtigen Rolle überhaupt nicht klappen will. Oliver Ringelhahn mag einmal ein exzellenter Sänger gewesen sein. Dass er aber, wie den biographischen Angaben im Programmheft zu entnehmen ist, bereits vor vier Jahren ein Kulturmanagement-Studium abgeschlossen hat und seither nur noch als Chefdisponent im Linz und ab der kommenden Saison als Betriebsdirektor und stellvertretender Intendant in Oldenburg tätig ist, hat einen triftigen Grund: Dieser Tenor klingt in der Höhe so erbärmlich schlecht, dass er eigentlich nur noch im geselligen Freundeskreis oder unter der sprichwörtlichen Dusche singen dürfte, keinesfalls aber auf einer Bühne, für die das Publikum Eintritt zahlt. So ein Fauxpas dürfte einem erfahrenen Musiktheater-Experten, wie Christoph Wagner-Trenkwitz einer ist, jedenfalls nicht passieren. Im Fall Ringelhahns und seiner mangelhaften gesanglichen Leistung als Graf Tassilo handelt es sich nämlich nicht um eine vorübergehende Indisponiertheit, sondern um einen bedauerlichen Dauerzustand. Das lässt sich auch nicht gutmachen, wenn Wagner-Trenkwitz als herrlich komische Dritter-Akt-Figur einen blendenden Auftritt hat, als reiche Tante Bozena auf Stöckelschuhen elegant die Bühne betritt und dabei fast wie Lotte Tobisch daherkommt. Aber da hat er immerhin die Lacher auf seiner Seite.

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Christoph Wagner-Trenkwitz (Tante Bozena) mit Erwin Belakowitsche (Baron Kolomán Zsupán), Tina-Josephine Jaeger (Lisa), Cornelia Horak (Mariza) und Oliver Ringelhahn (Tassilo)

Auch die bewährte Cornelia Horak kann sich in der Rolle der Gräfin in den Duetten („Sag ja, mein Lieb, sag ja“) und weiteren Auseinandersetzungen mit ihrem Verwalter Graf Tassilo mangels eines ebenbürtigen Partners nicht in ihre Bestform steigern. Da wäre sicherlich mehr daraus zu machen gewesen. So aber bleibt es bei einer soliden Performance.

Nicht berührt von dieser Beeinträchtigung zeigt sich zum Glück das komödiantisch und gesanglich toll auftrumpfende knmische Paar, bestehend aus Graf Tassilos Schwester Lisa – Tina Josephine Jaeger feiert damit einen gelungenen Einstand bei der Operette Langenlois) – und dem Schweinebaron Koloman Zuspán aus Varasdin, eine Paraderolle für Erwin Belakowitsch, der auf Schloss Haindorf schon seit 20 Jahren das Publikum erfreut und immer wieder überrascht.

Trotz recht ansprechender Leistung des Strauss Festival Orchesters Wien unter der Leitung von Lorenz C. Aicher – die Tonanlage war allerdings keinesfalls optimal eingestellt, auch was die Verstärkung der Gesangsstimmen betrifft – reicht es nicht für einen ungetrübten Operettenabend. Der Applaus des Publikus, das gekommen ist, um sich zu unterhalten, fällt freundlich, aber nicht überschwänglich aus. Einen Vergleich mit der Vorjahresproduktion von Lehárs Land des Lächelns ersparen wir uns gnädig. Nur so viel: Jorg Schneider war damals der Tenor.

 

 

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