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LANGENLOIS / Schloss Haindorf: DAS LAND DES LÄCHELNS

Strahlender Tenor mit Schmelz ebnet Grenzen zwischen Oper und Operette ein

29.07.2023 | Operette/Musical
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Mila Schmidt (Susann) und Keisuke Nejime (Traumprínz). Alle Fotos. Operette Langenlois / Barbara Pálffy

LANGENLOIS / Schloss Haindorf: DAS LAND DES LÄCHELNS

28. Juli 2023 (3. Aufführung der Neuinszenierung)

Von Manfred A. Schmid

Mit Lehárs 1929 uraufgeführter „romantischer Operette“ Das Land des Lächelns entführt die Operette Langenlois das Publikum in eine exotische Welt, die einen veritablen culture-clash thematisiert und damit das übliche Happyend der Operettenseligkeit weit hinter sich lässt. Die Exotik ist diesmal allerdings etwas anders gestrickt als gewohnt, denn Regisseur Florian Hurler verlegt die Geschichte einer durch anscheindend unüberbückbare kulturelle Unterschiede und Mentalitäten verunmöglichten Liebe kurzerhand in das Zirkusmilieu. Die Wienerin Lisa verliebt sich nicht – wie im Libretto festgelegt – in den chinesischen Prinz Sou Chong, dem sie in seine ferne Heimat nachfolgt, wo sie sich zunehmend entfremdet fühlt und schließlich nach Europa zurückkehrt, sondern Sou Chong ist diesmal „Prinzipal“ in einem Wanderzirkus, der seine Fähigkeiten durch eine Ausbildung in China komplettiert und Lisa bei einem Auftritt in Wien kennen- und lieben gelernt hat. Als der Zirkus überraschend die Zelte abbrechen muss, um ein Engagement in Nürnberg anzutreten, reist sie mit ihm mit, bis die Verbindung schließlich und unausweichlich in Entsagung und Verzicht mündet. Hier prallen also nicht westliche und fernöstliche Zivilisation und deren jeweiligen Gepflogenheiten und Eigenheiten aufeinander, sondern bürgerliches Leben trifft auf die unstete Welt der vazierenden Gaukler, Spaßmacher und Artisten. Sou Chongs Lächeln hat also mehr mit dem Lachen des Bajazzos in der gleichnamigen Oper von Leoncavallo gemein als mit dem unergründlichen Grinsen eines Buddha, und die Erfahrung, die Lisa in einer für sie letztlich doch fremd bleibenden Welt machen muss, findet eher eine Entsprechung in Paul Burkhards Operette Das Feuerwerk. die heuer in Kittsee auf dem Programm steht und in der sich eine Tochter aus bürgerlichem Haus partout in den Kopf setzt, sich ihrem in der Familie als Schwarzes Schaf geltenden Onkel, der einen Zirkus leitet, anschließen zu wollen, sich letztendlich aber doch davon abbringen lässt.

Die Inszenierung von Florian Hurler, vom dem auch die gelungen exotisierende Choreographie stammt, führt zudem eine Rahmenhandlung ein, in der Lisa im Rückblick, rund 30 Jahre danach, ihrer Tochter Susann (Mila Schmidt) von ihrer Begegnung mit Sou Chong erzählt, was dazu führt, dass die Handlung zuweilen auf zwei Ebenen erfolgt: Das inzwischen schon etwas älter gewordene Paar wird durch ein jugendliches Ballett-Traumpaar (Mila Schmidt und Keisuke Nejime) ergänzt, was besonders dann reizvoll wird, wenn beide auf der Bühne gleichzeitig aufeinandertreffen  und nebeneinander agieren.

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Jörg Schneider (Soi Chong), im Hintergrund Keisuke Nejime (Traumprinz)

Die gänzlich neue Definition der Personenkonstellation, inklusive Rahmenhandlung, im dezenten Bühnenbild von Roland Tscherne – das eigentliche, alles dominierende Bühnenbild ist ja ohnehin die herrlich restaurierte Frontfassade von Schloss Haindorf – funktioniert weitgehend gut. Etwas problematisch bleibt darin allerdings die Rolle Sou Chongs. Der Prinz als Prinzipal lässt sich schwer greifen, denn eigentlich ist er ja doch „nur“ ein Clown. Wenn es einen Prinzipal im Zirkus geben sollte, dann wäre das wohl der Zirkusdirektor. Der aber ist, als gar nicht so gutmütiger Onkel Tschang, mit Christoph Wagner Trenkwitz besetzt, was zwangsläufig zu Kompetenzunklarheiten führen muss. Schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass die komplexe, vielschichtige Zeichnung der Charaktere, auf die Lehár großen Wert legte, in dieser neuen Konstellation ebenfalls nicht mehr ganz so klar nachvollziehbar ist. Doch das liegt nicht an dem großartigen Jörg Schneider, der als Sou Chong hinreißend ist und den am Schluss großmütig verzichtenden Liebhaber in größter Glaubwürdigkeit dastehen lässt. Dass der vielseitige Tenor der Wiener Staatsoper, dessen Repertoire von Mozart über Wagner bis zu Strauss und Alban Berg reicht, ein großer Fan des Operettengenres ist, darf als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Als tragischer Zirkusclown Sou Chong aber bringt er das Kunststück zusammen, wie schon Richard Tauber bei der Uraufführung, die Grenzen zwischen Oper und Operette vergessen zu machen und damit dem Ansinnen Franz Lehárs, der diese Trennung gerade auch in Das Land des Lächelns überwinden wollte, zu seinem Recht zu verhelfen. Mit dem mit Schmelz und inniger Hingabe dargebotenen „Dein ist mein ganzes Herz“ erobert Schneider das Publikum, dass er zuvor schon mit dem fein geflochtenen „Von Apfelblüten einen Kranz“ bezaubert hat.

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Jakob Semotan (Gustl) und Juliette Khalil (Mi).

Cornelia Horak ist eine sympathische, ausdrucksstarke Lisa, die im Rückblick die Geschehnisse ohne Bitterkeit, sondern dankerfüllt Revue passieren lässt. Als der Lisa ziemlich widerwärtig begegnender Zirkusartist Paul tritt Benjamin Oeser prägnant in Erscheinung.

Als Buffopaar Mi und Gustl setzen die zierlich-possierliche Juliette Khalil und der komödiantisch mit allen Wassern gewaschene Jakob Semotan, beide von der Volksoper Wien, für komödiantische Akzente. Ungemein berührend ist Khalil aber in der Schlusszene, wenn sie, Hand in Hand mit ihrem Bruder, von ihren jeweiligen Geliebten Abschied nehmen und entsagen muss. The show must go on. Auch im Zirkus.

Das Wiener Kammerorchester unter der Leitung von Lorenz C. Aichner bringt Lehárs melodienreiche, tänzerische, mit exotischen Farbtupfen angereicherter Musik zum Blühen. Begeisterter Applaus für eine spannende Reise in ein sich diesmal etwas anders präsentierendes Land des Lächelns.

 

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