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LACHEN/ Pfarrkirche „Heilig Kreuz“ / Kanton Schwyz: MUSIKSOMMER AM ZÜRICHSEE. Abschlusskonzert

25.10.2020 | Konzert/Liederabende

Musiksommer am Zürichsee: „Verweile doch! Du bist so schön!“

Am 24. Oktober fand unter denkwürdigen Umständen das Abschluss Konzert des Festivals „Musiksommer am Zürichsee“ noch statt. Der Kanton Bern hat für diesen Tag die Ampel auf „Rot“ gestellt. Der neue Festivalleiter Manuel Bärtsch ist erst seit diesem Jahr der künstlerische Leiter und unterrichtet an der Hochschule Bern. So nahe kommt einem die Ampelschaltung. Und die Befürchtung begleitet uns in der Zeit, dass es wohl eher schlechter wird in den Zeiten der Pandemie. Nun lag der Ort des Abschlusskonzerts in Lachen im Kanton Schwyz in der Pfarrkirche „Heilig Kreuz“, die schon selbst einen Artikel wert ist. 1707 wurde beschlossen, eine neue Kirche zu bauen. Die Pläne werden dem Einsiedler Klosterarchitekten Caspar Moosbrugger (1656 – 1723) zugeschrieben. Die Inneneinrichtung wurde teilweise von Lachner Künstlern geschaffen. Merkmal für Lachen und der Kirche sind die beiden Zwiebeltürme. Zwei Türme sind neben der Pfarrkirche bei der Klosterkirche Einsiedeln im Kanton Schwyz nur noch zu sehen.

„Schönheit des Abschieds“ ist der Titel des Abschlusskonzertes und hiermit und mit dem Programm hatte Manuel Bärtsch fast eine prophetische Vision gehabt. Angesichts der Pandemie ein kleines Wunder, dass das diesjährige Abschlusskonzert des „Musiksommer am Zürichsee“ durchgeführt werden konnte. Manuel Bärtsch ist nicht nur ein erstklassiger Kriesenmanager sondern selbst ein hervorragender Pianist, der auch das Konzert selbst am Konzertflügel begleitete und sich hierbei angenehm zurückhaltend in die musikalische Aufführung einfügte, ohne aber hierbei seine Klasse zu verleugnen.


Musiker des Kammerensembles des LSO im Konzert (Foto: Carlo Stuppia)

Komme ich zu Programm mit dem mehr als passenden Titel „Schönheit des Abschieds“. Es lohnt sich hier aus dem Programmheft zu zitieren: „Im Jahr 1913 lag der Abschied des «langen 19. Jahrhunderts» wie der Historiker Eric Hobsbawn die Zeit zwischen der Französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg bezeichnet, in der Luft. Gerade diesen umbruchreichen Jahren trotzten feinfühlige Nasen kulturelle Erzeugnisse von eigentümlicher Schönheit ab, ähnlich goldener Sonnenstrahlen, die vor schwärzester Gewitterkulisse eine besondere Strahlkraft entwickeln. Was «Schönheit» war, lag jedoch – und damals ganz besonders – im Auge des Betrachters…“

Das Wetter empfing das Publikum an der Pfarrkirche „Heilig Kreuz“ mit diesen goldenen Sonnenstrahlen, nachdem die letzten Tage sehr grau und verregnet waren. Eine Dramaturgie der Natur, die sich nicht schöner hätte planen lassen können.  Mit dem Gefühl der Wärme der letzten Spätsommer- oder Goldenen Herbsttage begab man sich nun in die Kirche, wohl wissend, dass es vermutlich angesichts der Pandemie eines der letzten Konzerte für eine große Weile sein könnte.

Eröffnet wurde das Konzert mit „Till Eulenspiegel einmal anders!“ von Richard Strauss/Franz Hasenöhrl gespielt vom Kammerensemble des Luzerner Sinfonieorchester. Die Musiker spielte aus einer inneren Inbrunst so leidenschaftlich und mit einer so großen Spielfreude, dass ich nicht umhin komme alle namentlich aufzuführen. Stojan Krkuleski, Klarinette; Ulrich Poschner, Violine; Andrea Cellachi, Fagott; Florian Abächerli, Horn; Beat Feigenwinter, Cello und David Desympelaere, Kontrabass. Hochkonzentriert, tief bewegt und ergriffen spielten sie auf, wie aus einem Guss aber sehr differenziert. Es waren Übergänge und musikalische Übernahmen der einzelnen Instrumente mit einer Klarheit zu hören, die ich sehr selten bisher gehört hatte. So war der Auftakt schon ein ganz großer Genuss.

Wie aus einem großen Kinofilm folgte „Der Wind“ nach Oscar Wilde vertont von Franz Schrecker 1909. Die Musiker bewiesen, wie viel Kraft in einem Klangbild stecken kann. Es brauchte keine laufenden Bilder, um den Wind in seiner unterschiedlichen Stärke bis hin zum Säuseln wahrzunehmen. Die Pfarrkirche „Heilig Kreuz“ gibt den Musikern einen ungeahnt schönen akustischen Raum hierfür.

Diana Schnürpel und Manuel Bärtsch bei der Probe (Foto: Carlo Stuppia)

Anschließend zeigte der Pianist Manuel Bärtsch, welch große Qualitäten er auch als Liedbegleiter zu seinen Fähigkeiten zählen kann. Mit der derzeit noch im Luzerner Opernensemble zu erlebenden Sopranisten Diana Schnürpel, die das Haus im Februar verlassen wird, um am Staatstheater Meiningen zu singen, kamen schon bei den ersten Töne des Gedichtes von Herrmann Hesse „Ravenna“ vertont von Othmar Schoeck 1913 eine Gänsehaut auf. Ein tiefes und warmes Timbre erfüllte die Kirche. Diana Schnürpel brillierte mit hervorragender Diktion und sauberer Intonation ohne unnötige Vibrati, wie man es auch von ihr erwartet und heute nicht mehr allzu oft von Sänger*innen geboten bekommt. „Der Kranke“ von Joseph von Eichendorff wiederum vertont von Othmar Schoeck 1913 rundete den ersten Gesangteil ab. Beide Lieder lassen ein Reflektieren über die Zeit zu und berührten das Publikum tief in Zeiten der Pandemie – eine verlassene Stadt und ein Kranker, der die schöne Welt nicht verlassen will.

Es folgte das Adagio aus dem Kammerkonzert (1924) von Alban Berg. Hier bewies sich nun auch der Pianist Manuel Bärtsch, wie Ensemble tauglich er ist und ergänzte Stojan Krkuleski und Ulrich Poschner des Luzerner Kammerensembles, als ob sie täglich miteinander spielen, obwohl auch die Probenzeiten unter der Pandemie litten.

Es folgten die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss nach den Gedichten von Herrmann Hesse (Frühling, September und Beim Schlafengehen) gefolgt von dem Gedicht (Im Abendrot) von Joseph von Eichendorff, die nicht nur das Publikum ergriffen, sondern mit besonderer Hingabe und Leidenschaft von den Musiker und der Sängerin durchgehend am ganzen Abend geboten wurde. Krönender Abschluss und emotionaler Höhepunkt des Abends war dann der „Morgen“ nach dem Text von John Henry Mackey von Richard Strauss vertont.


Alle Musiker und die Sängerin des Abends bei der Probe (Foto: Carl Osch)

„Und morgen wird die Sonne wieder scheinen und auf dem Wege, den ich gehen werde, wird uns, die Glücklichen sie wieder einen inmitten dieser sonnenatmenden Erde… und zu dem Strand, dem weiten, wogenblauen, werden wir still und langsam niedersteigen,
stumm werden wir uns in die Augen schauen, und auf uns sinkt des Glückes stummes Schweigen…“  Dieser Text berührte auch die Sängerin Diana Schnürpel, die mit ihrer ganzen Seele im Gesang, wie auch die Musiker das Publikum am Abend verzauberten und ihn unvergesslich machten. Schade für jeden, der das Konzert nicht hören konnte. So viel gute Musik ist wirklich sehr selten zu hören.

Ergriffen applaudierte das Publikum und wartete darauf, dass der Abend nicht enden würde. Ich habe sehr selten so ergreifende Musik in einer derart hohen und nicht zu sagen perfekten Niveau gehört. Zum Schluss sollte hier nicht der Arrangeur der „Vier letzte Lieder“ und des „Morgens“ Paul Suits vergessen werden, der hiermit zeigt, dass Kammermusik die musikalische Hoffnung der Zeit ist. Es war ein Abend für die Ewigkeit, den man somit nicht vergessen wird.

Luzern, den 25. Oktober 2020

Carl Osch

 

 

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