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KÜNSTLERGESPRÄCH ÜBER DIE PRODUKTION „ALMTRIEB“ IM RAHMEN DES „ZYKLUS ZEITGENÖSSISCHER MUSIK “ BEI DEN FESTSPIELEN ERL.

26.05.2019 | Themen Kultur

KÜNSTLERGESPRÄCH ÜBER DIE PRODUKTION „ALMTRIEB“ IM RAHMEN DES „ZYKLUS ZEITGENÖSSISCHER MUSIK “ BEI DEN FESTSPIELEN ERL.

Ort des Künstergesprächs/ Interviews : Galerie des Online-Merker, 23. Mai


Valentin Lewisch. Foto: Thomas Pechhacker

Diskussionsleitung: Valentin Lewisch

Auf Einladung des Online-Merkers konnte ich ein Künstlergespräch mit den Komponisten der Uraufführungen des Zyklus zeitgenössischer Musik bei den Tiroler Festspiele Erl (Alm-Trieb: Ein Triptychon) führen.

Ich konzipiere und inszeniere dabei diese Konzertreihe. Und so war es eine spannende Möglichkeit zu diskutieren, was nun die neue Musik eigentlich ist. Und wie schreibt man im 21. Jahrhundert klassische Musik?

Einigkeit bestand darüber, dass es prinzipiell schwierig ist, neue oder zeitgenössische Musik auf einen Stil herunterbrechen zu wollen.


Valentin Lewisch, Carlo Tertio Druml. Foto: Thomas Pechhacker

Wie Carl Tertio Druml ausführte, spielt etwa im Fall einer Liedvertonung der Text ja gerade eine überragende Rolle und bestimmt die musikalische Sprache mit. So ist Liebeslyrik in posttonaler Musik naturgemäß schwer vorstellbar, alles was aber die „Abgründe der Seele“ erforscht kann vielmehr ins Dissonante gehen.

Dieser Aspekt neuer Musik fand auch bei den anderen Komponisten große Zustimmung. Andri Joël Harison etwa, der ein Liebesgedicht Paul Celans vertont, betonte dessen gleichermaßen elegischen und melancholischen Charakter, der sich ebenso in der Person Celans spiegelte und der vom Komponisten in einer Form immer aufgenommen werden muss. Joël Harison betonte auch die Notwendigkeit, verständlich zu bleiben und sich nicht in eine für das Publikum unzugängliche Kunstsprache zu flüchten.


Carlo Tertio Druml, Andreas Trenkwalder, Andri Joël Harison. Foto: Thomas Pechhacker

Interessant ist, dass auch Andreas Trenkwalder, obwohl Computermusiker und einer wohl etwas andren Tonästhetik verschrieben, hier ebenso auf den großen Bedeutungswert von Vorlagen verwies: Eichendorffs „Frühe“ beschreibt eine Stimmung wie sie uns allen bekannt ist: Nebel, Stille, die sanfte Kühle des Morgens. Auch wenn Trenkwalder mit Verfremdungseffekten durch Live-Elektronik arbeitet, verlangen selbst moderne technische Möglichkeiten einen starken Fokus auf die Aussage des Werkes. Neue technische Möglichkeiten erlauben aber natürlich, diese Stimmungen ganz anders erfahrbar zu machen.

Der kreative Schaffensprozess kommt somit für alle drei Komponisten aus der Idee eines Gefühls, das dieses Werk in ihnen evoziert. Durch Technik, Handwerk, die zur Verfügung stehende Besatzung und Kreativität entstehen so aus völlig verschiedenen Gedichten auch völlig verschiedene Werke.

Dominant ist im Schaffensprozess auch bei allen drei Komponisten der Computer: Schon aus der Notwendigkeit einer Reinschrift erfolgen Abgaben eigentlich nur noch als PDF. Dass Andreas Trenkwalder am Computer schreibt vermag nun nicht zu überraschen.


 Andreas Trenkwalder, Andri Joël Harison. Foto: Thomas Pechhacker

Bei Andri Joël Harison entstehen die Stücke nach Bedarf – mal konzipiert er, mal schöpft er frei aus dem Gedächtnis oder gar am Flügel improvisierend. Zur finalen Notenübertragung am Rechner nutzt er eine Echtholzklaviatur, die ihm als Pianisten ein besonderes Bedürfnis ist.

Skizziert wird allerdings händisch. Papier und Bleistift scheinen für einen kreativen Prozess somit immer noch unerlässlich, auch weil sie, wie bemerkt wurde, wesentlich mehr Freiraum und Kreativität in der Form der Notation erlauben und den Schaffensprozess weniger kanalisieren und vorbestimmen. Schon Friedrich Nietzsche meinte schließlich: Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken!

Carl Tertio Druml schreibt hingegen überhaupt fast nur händisch und verfasst auch Korrekturen immer neu, anstatt in die bestehenden Skizzen zu schreiben, was eine große Dokumentationsfähigkeit mit sich bringt, aber natürlich Stapel an Papier schafft, die am Schreibtisch herumliegen.

Und so verschieden wie die Werke und die Arbeitsstile sind auch die Künstler: Andreas Trenkwalder als fast schon klischeehaft bergaffiner Tiroler Musiker, der gerade durch das Ausreizen technischer Möglichkeiten neue und unbekannte Klänge sucht; Andri Joël Harison als Spross einer madagassischen Musikerdynastie und Klaviervirtuose; Carl Tertio Druml als spätberufener Komponist der (nach eigenen Angaben) mit 20 kaum Noten lesen konnte und für den sich als „Jazzer“ die Musikgeschichte von der 2. Wiener Schule rückwärts erschlossen hat.


Valentin Lewisch, Carlo Tertio Druml, Andreas Trenkwalder, Andri Joël Harison. Foto: Thomas Pechhacker

Wenig überraschend eint sie ihre Liebe zur Musik, die in unterschiedlichsten Stilen, als Konsequenz der unterschiedlichen Persönlichkeiten, ihre Ausprägung findet.

Insofern dürfen wir uns auf großartige Uraufführungen bei den Tiroler Festspielen Erl im Sommer 2019 freuen, bei denen wir beweisen werden, wie vielfältig diese eine Gattung „zeitgenössische Musik“ doch ist.

Auch abseits dieser Uraufführungen, die sicherlich Höhepunkte bilden, haben wir für diese Konzertreihe ein wirklich außergewöhnliches Programm und Konzept (https://www.tiroler-festspiele.at/alm-trieb). Überzeugen Sie sich am Besten selbst davon, am 8., 15. und 22. Juli im Festspielhaus in Erl!

Valentin Lewisch

VIDEO-KOSTPROBEN:

VIDEO TRENKWALDER

Video Andri Joel Harison

VIDEO / AUDIO Carlo Tertio Druml

 

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