Kurt Maier überreicht Kurt Rydl den „Österreichischen Musiktheaterpreis 2018). Copyright: Barbara Zeitung
KAMMERSÄNGER KURT RYDL – MUSIKTHEATER PREIS 2018 FÜR SEIN LEBENSWERK
Er sang bis jetzt an159 Opernhäusern 1200 Aufführungen an der Wiener Staatsoper, mit anderen Häusern 2007
Absoluter Rekord!
Kurt Rydl mit seinem „Rollenbuch“. Foto: Barbara Zeininger
Der „Megabass“, der derzeit zwischen Berlin und Wien pendelt, fand einen Abend Zeit, um in der Online-Galerie ein Gespräch über sein bewegtes Leben zu führen..
Der Wiener Künstler besuchte in dem damals russisch besetzten vierten Wiener Gemeindebezirk das Gymnasium in der Waltergasse. Da wurde Russisch angeboten und es war eine gute Entscheidung, in dieser Sprache zu maturieren, Sein Russisch-Professor verschafft ihm ihm später ein Stipendium an das Tschaikowsky Konservatorium in Moskau. Vom Unterrichtsstil in Russland ist er heute noch begeistert. Wie viel für die Studenten ermöglicht wird, wie es jeden Tag Gesangsstunden gab und nicht wie an hiesigen Universitäten ein- oder zweimal in der Woche. Die Arbeit mit den angehenden Künstlern war (und ist) wesentlich intensiver. Dafür wurde in die Stimmbildung wesentlich mehr Zeit investiert und es ging überhaupt behutsamer, dennoch gründlicher und sorgsamer voran. Er fand auch das Leben als Student während des russischen Jahres sehr schön (die jungen Russinen sind ja bekanntermaßen recht attraktiv) und bereichernd und will es nicht missen.
Kurt Rydl erinnert sich eines Vorsingens in heimischen Gefilden. Ein Fach-Konkurrent war damals Hans Peter Heinzl, der als nächster drangekommen wäre, doch als er den jüngeren Kurt Rydl hörte, zog er seine Bewerbung zurück! Es entwickelte sich eine sehr schöne Freundschaft, die mit dem Tode Heinzls 1996 endete, der eine sehr erfolgreiche Kabarett und Schauspielkarriere hatte.
Erstes Engagement für Kurt Rydl war Linz, darauf folgten drei Jahre Stuttgart, wo sein erster Intendant, der ihn engagierte, Wolfgang Windgassen war. Leider verstarb der legendäre Tenor bereits einen Monat, nachdem Windgassen sein Engagement angetreten hatte. In Stuttgart hielt es ihn drei Jahre. Dann kam der Start in Wien während der Direktion Prof. Dr. Egon Seefehlner. Dieser förderte den jungen Künstler sehr, und gab ihm schöne große Rollen, ohne dieses wertvolle Potential zu sehr zu strapazieren. So wurde er viel im italienischen Belcantofach eingesetzt und hatte die Möglichkeit, das italienische Fach für Premieren immer gut mitzustudieren – und war dann immer der perfekte Zweite. So konnte er große Verdi-Rollen wie „Attila“ mit Ghiaurov studieren und dann in weiteren Reprisen selbst darstellen. Weil die Umsetzung auf der Bühne ist sicher ein großes Anliegen von Kurt Rydl. In dieser Seefehlner-Direktionszeit bekam der Künstler auch fast immer „Gastierurlaub“. Für fest engagierte Sänger ist und war dieses Thema fast immer ein Problem. Auch in der Direktionszeit von Dr. Claus-Helmut Drese lief alles bestens. Als KS Eberhard Wächter die Staatsoper übernahm, bot er Kurt Rydl seine Gage (Wächter bekam die absolute absolute Höchstgage als Ensemblemitglied ) als große Aufforderung an, um ihn im Ensemble zu halten. Insgesamt blieb er dann vierzig Jahre fix an der Wiener Staatsoper. Als Dir. Ioan Holender nach dem Tode Wächters die Geschicke der Wiener Staatsoper zu leiten hatte, änderte sich sehr bald vieles. Ein Beispiel: Kurt Rydl wurde gebeten, eine Probe für Goran Simic als Ferrando mit Zubin Mehta zu übernehmen, am Vormittag, dann musste er ein Flugzeug erreichen, und war natürlich nach der großen Szene im ersten Bild gegangen. Mehta war aber von Holender nicht über diese Situation informiert gewesen und es kam zum Skandal. Nach einigen Jahren nahm ihn „Sparmeister“ Holender aus dem Vertrag mit der Fixgage und setzte ihn auf Basis Basis von Abendhonoraren. Somit schied er offiziell aus dem Ensemble aus und wurde anscheinend nicht mehr als fixes Hausmitglied geführt und daher von der Direktion Dominque Meyer nicht so berücksichtigt, wie es einem Rydl gebührt hätte. Die Auftritte in seinem Stammhaus wurden sehr dezimiert. Besonders hat ihn geschmerzt, dass kein einziger Abend, den er sang, ein Werk von Richard Wagner war (mit Ausnahme eines Gurnemanz, für den er in letzter Sekunde einsprang). Aber der „gerettete Ochs“ im „Rosenkavalier“ brachte ihm eine riesigen Publikumserfolg.
Soweit zur gegenwärtigen (für Rydl nicht eben erfreulichen Situation mit der Wiener Staatsoper.
Mit der Zeit kamen dann alle großen Wagnerrollen in sein riesengroßes Repertoire, bis auf den „Hans Sachs“. Der ging sich einfach nie aus. Ohne ausreichenden Proben wollte er nie an ein Rollendebüt herangehen und bei dieser so langen und kräfteraubenden Partie schon gar nicht. Es gab Angebote von München, Köln und Hamburg. Er sang und singt immer abwechselnd deutsches und italienisches Fach, wobei heute das deutsche überwiegt. Im russischen Fach ist er ebenso gefragt. Dass es nie in Wien einen „Warlam“ gab, ist mehr als verwunderlich. „Pimen“ sehr oft, aber für so ein komisches Talent wieKurt Rydl (man denke an seinen „Basilio“ oder „Bartolo“), ist das eine unverzeihliche Unterlassung!
An die meisten Opernhäuser, an denen er sang, hat er sehr schöne und gute Erinnerungen. So hatte er im gefürchteten Parma einen sensationellen Erfolg als „Attila“, als er für Boris Christoff einspringen musste. Sehr gerne ist er immer an der Oper von Turin, das Teatro Verdi in Triest war ebenso ein gutes Haus, speziell in der Direktionszeit von Raffaello de Banfield (Raphael Douglas Baron von Banfield Tripcovich),. Ein eleganter feiner Herr, der nicht nur ein hervorragender Direktor war, sondern auch Komponist einiger Opern.
Auch an der Scala Milano ist er immer sehr gefragt, so hatte er die Ehre, bis jetzt fünf mal in der Premiere der Inaugurazione am 7. Dezember zu singen, die ja bekanntlich auch immer ein ganz großes gesellschaftliches Ereignis ist. An der Scala war er sehr oft in allen großen Wagnerrollen zu erleben. So auch einmal, in einer Parsifalproduktion alternierend mit einem Kollegen Gurnemanz und Titurel. Nach einer Vorstellung in Zürich trat er die Reise im Zug nach Mailand an, Titurel war angesagt. So machte er es sich im Speisewagen gemütlich, um zu so einer angenehmen kleinen Rolle zu reisen. Angekommen in der Scala sagte der damalige Chef Riccardo Muti, „Kurt, bitte du musst auch Gurnemanz singen, Kollege ist krank“. So bat er um möglich viel Wasser auf der Bühne, was schwierig war, da die Bühne fast leer war. So fand man eine Lösung, indem ein Balletteleve als Page verkleidet wurde und der immer mit Becher und Wasser unterwegs war und der immer in der Nähe von Gurnemanz zu sein hatte. Da kam es schon zu heiteren Szenen, man denke an „Tosca am Trampolin“.
In Rom gab es eine wunderbare Zusammenarbeit mit Giuseppe Sinopoli, der damals Chef der Santa Cecilia in Roma war. Dort entstand ein kompletter Ring, Parsifal und Lohengrin.
An der Deutschen Oper Berlin ist er derzeit für die „Fledermaus“ als „Frank“ in den Proben. Die Regiearbeit mit Rolando Villazon ist anstrengend. Gerne erinnert er sich an große Erfolge in Berlin wie zum Beispiel „Attila“, „Simone Boccanegra“ mit Renato Bruson und Mara Zampieri.
Das einzig große Haus, das in seiner Sammlung fehlt, ist die Met. Da musste er aus familiären Gründen den Rosenkavalier absagen. Der Gesundheitszustand seiner Mutter erforderte Rydls Anwesenheit in Wien. Also sprach er mit dem Wiener Betriebsbüro ab, dass er für den Fall des Falles in Wien – aber nur in Wien – einsatzbereit wäre. Es kam zu Einsätzen und die Met hörte davon, rief im Betriebsbüro an und fragte, ob Herr Rydl in Wien singt. Als die Frage bejaht wurde – ohne auf die Begleitumstände hinzuweisen – war die Met-Direktion verstimmt. Aufopfernd widmete er sich auch der Pflege seines schwerkranken Vaters. Oft holte er warmes Essen aus der Kantine der Staatsoper, um seinem Vater eine gute Mahlzeit nach dessen Geschmack zu bringen. Es tut ihm sehr, sehr leid, dass sein Vater, der ihn immer unterstützte, die ganz große Karriere des Sohnes nicht mehr miterleben konnte.
An Zusammenarbeiten mit Götz Friedrich und Johannes Schaaf erinnert er sich auch gerne. Besonders an die Produktion der „Entführung aus dem Serail“.
Auch war oder ist er immer gerne in Paris.
In Bayreuth gab es wenig Vorstellungen, nur etwa zwanzig bis fünfundzwanzig. Diese Termine überschnitten sich immer mit Salzburg. Im „Ring“ bot man ihm einmal Hunding und Fafner, aber nicht den Hagen an (von der Direktion John Tomlinson zugesagt). Rydl war darob nicht begeistert, wenn schon, dann mit dem „Hagen“. Es wäre die Sinopoli-Produktion gewesen – es sollte eben nicht sein.
Als der geschätzte Kollege Marti Talvela plötzlich verstarb, übernahm Kurt Rydl in Berlin den gesamten Wagner und die Simon Boccanegra Produktion.
Ein lustiges Erlebnis gab es bei einem Gastspiel in Tokio, bei „Figaro unter Karl Böhm. Es war im letzten Bild, als sich Kollege Alfred Sramek, im Auftritt stehend, die Zahnprothese richtete und ihm dabei voll mit einem Zahn im Mund angrinste. Der neben ihm auf der Bühne stehende Heinz Zednik krümmte sich vor Lachen, also brachten beide keinen Ton hervor. Böhm war am Ende der Vorstellung glücklich über dieses „PIANO“.
Falls es einmal ans Erholen geht, so gibt es auf Mallorca eine herrlich schöne Finca, weit weg vom schlimmsten Massentourismus. Ein schönes großes Anwesen mit achthundert uralten Olivenbäumen, die vor zweitausend Jahren oder noch früher von den Phöniziern auf die Insel gebracht wurden und weiter später von den Arabern gepflegt wurden. So gibt es immer eigenes Olivenöl.
In Wuppertal besitzt er den noch betriebenen Barmer Bahnhof. Er rettete das klassizistisch wertvolle Gebäude. Sein Schwager besitzt darin ein feines Restaurant und die Bahnhofsbuchhandlung, die Familie Rydl hat sich eine gemütliche 80m² Wohnung eingerichtet. Im Bahnhof finden natürlich auch kulturelle Veranstaltungen statt. Natürlich werden die Wände auch für die bildende Kunst verwendet.
Russland wird ebenso immer wieder ein Ziel für den Künstler sein, seien es Masterclass oder Vorstellungen oder Galakonzerte. Wie ein großes Konzert in Minsk wo er mit dem „Floh“ von Mussorgski reüssierte. Dies und „La callunia“ singt er auch bei einer „Fledermaus“ Produktion in Tokio, wo er bei dem Fest von Orlofsky auftritt. In Paris ist wieder „Arabella“ Graf Waldner angesagt, sowie auch in München.
Ein großes Fest war eine ganz große Operngala mit allen renommierten Künstlern Russlands, in Wladiwostok zur Eröffnung der Oper. Diese Hafenstadt am Japanischen Meer ist von Moskau noch weitere neuen Flugstunden entfernt. Sein Auftritt war nach circa fünfunddreißig Sängern war mit der Krönungsszene aus Boris und wieder der „Floh“. Es war ein großer Erfolg, aber die Reise war so anstrengend, dass nach vollbrachtem Auftritt nur die Medizin Wodka helfen konnte.
An der Wiener Staatsoper wäre ein Wiedersehen sicher eine feine Sache. Man kann sich an die große Zeit mit Mephisto, Attila, Capellio, Colline, neben Wagner noch vieles andere sehr gut erinnern.
Elena Habermann „ausgebucht“, Kurt Rydl. Copyright: Barbara Zeininger
Der „Online-Merker“ bedankt sich für das so interessante, aber auch auch heitere Gespräch. Bevor es begann, erhielt Kurt Rydl endlich den Musiktheaterpreis von Kurt Werner Maier überreicht. Es handelt sich um den „Goldenen Schikander“, den er in Graz auf der großen Gala nicht in Empfang nehmen konnte, weil er in Berlin weilte. Die Porzellan- Figur blieb damals in einem sicheren Raum stehen und wurde vergessen. So kam der Online-Merker zu der Ehre, dass der Musiktheaterpreis an Kurt Rydl in seinen Räumen überreicht wurde
Das Gespräch führte Elena Habermann am 12.11.2018