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Theater an der Wien: ALCINA von Georg Friedrich HÄNDEL

Ein Fest der Stimmen – auf der Bühne wie im Orchestergraben

27.09.2018 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

 

WIEN/Theater an der Wien
„ALCINA“ von Georg Friedrich HÄNDEL
26. September 2018           Von Manfred A. Schmid  
Alle Fotos von Herwig Prammer


Ein Fest der Stimmen – auf der Bühne wie im Orchestergraben

Mit der sechsten Aufführung ist die musikalisch allgemein hoch gepriesene Neuinszenierung der Händel-Oper auch schon wieder vorbei. Aber das ist ja der Normalfall im Stagione-Prinzip dieses Theaters. Wiederaufnahmen sind da äußerst selten; alljährliche neue Premieren dafür der Regelfall.

Die Derniere bestätigte jedenfalls den vorherrschenden Tenor in der Kritik: Diese Alcina ist vor allem musikalisch ganz und gar gelungen und festigt den Ruf dieser Opernbühne, in Sachen Barockopern in Wien tonangebend zu sein. Denn die erfolgreiche Staatsopern-Alcina, 2010 zum Auftakt der Ära Dominique Meyer herausgekommen, hat keine nachhaltige Wirkung ausgelöst, auch wenn sie 2016 erneut auf dem Spielplan gestanden ist. Daran ändert auch nichts, dass inzwischen – im Februar 2018 – mit der Neuinszenierung von Ariodante eine weitere Händel-Oper ihre Premiere im Haus am Ring erlebt hat. Die Begründung einer neuen Barockopern-Tradition an diesem Haus wird so nicht erfolgen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Direktionszeit Meyer ein absehbares Ablaufdatum hat.

Eine Würdigung dieses jüngsten Alcina-Abends beginnt mit dem hochkonzentriert und geradezu exemplarisch aufgestellten Concentus Musicus Wien, der unter der Leitung des jungen Stefan Gottfried den Beweis erbringt, dass die jahrzehntelange Aufbauarbeit des Ensemblegründers Nikolaus Harnoncourt auch in Zukunft gute und dauerhafte Früchte trägt. So ist es eine wahre Freude, diesem Orchester zuzuhören: Unangestrengter Originalklang, nicht als ideologisch aufgeladener Glaubensgrundsatz, sondern als erfreuliche Selbstverständlichkeit. Die homogene Abstimmung ist perfekt ausbalanciert, und die selten gewordenen Instrumente wie Blockflöte und Laute sind wohl integriert und verpassen dem Ensemble eine ganz eigene Note.

Marlies Petersen in der Titelpartie bildet das Kraftzentrum auf der Bühne. Die mehrmals zur Opernsängerin des Jahres gekürte Sopranistin gehört schon gewissermaßen zum – allerdings realiter nicht vorhandenen – Stammensemble des Hauses und zieht als mächtige und in Liebesdingen äußerst launische und sprunghafte Zauberin alle Register ihres Könnens. Sie ist stark präsent von Anfang an. Wenn sie sich zum Ende hin stimmlich etwas zurücknimmt, dann ist das Ausdruck des Machtverlustes, den sie erleiden muss und der sie zu einer ohnmächtigen Frau macht, der das Heft des Handelns entrissen wurde. Ihre Gestaltung in dieser Phase gelingt so intensiv, dass man sogar anfängt, Mitleid mit ihr zu verspüren.

Zu ihren erbittertsten Gegenspielern werden der infolge eines Schiffbruchs auf ihrer Zauberinsel gelandete Bradamante und ihr Verlobter Ruggiero, der sich zunächst aber erst von Alcina lösen muss. Katarina Bradic singt die zum Teil als Hosenrolle angelegte Partie der Bradamante mit fein facettiertem Mezzosopran und trittsicher in den Koloraturen. David Hansens als Ruggiero verfügt über einen in der Mittellage sehr soliden Countertenor, wirkt in der Höhe jedoch etwas schrill. Die Morgana wird von Mirella Hagen gegeben und steht nicht nur dramaturgisch im Schatten ihrer großen Schwester Alcina. Ihr anmutiger, leicht soubrettenhaft klingender Sopran entspricht aber gut den Anforderungen dieser Partie. Rainer Trost, ebenfalls längst ein Stammgast des Hauses, ist als Oronte ein verlässlicher Vasall der gestrengen Gebieterin, Florian Köfler ein ebensolcher für Bradamante. Sehr gelungen ist die Besetzung der Partie des Oberto – Sohn eines in einen Löwen verwandelten Gegners von Alcina – mit dem Knabensopran des beherzt singenden St. Florianer Sängerknaben Christian Ziemski. Dass der Arnold Schoenberg Chor – wie immer – eine makellose Leitung abliefert, ist nichts Neues. Eine wertschätzende Erwähnung ist dennoch mehr als eine Selbstverständlichkeit.

Und die viel gescholtene Inszenierung Tatjana Gürbacas und das öde Bühnenbild von Katrin Lea Tag? Keine Aufregung wert. Beide stören nicht die – ohnehin nur schwer nachvollziehbare – turbulente Handlung, sondern sind – abgesehen von ein paar infantilen Gags (wenn sich etwa Oronte das Herz aus dem Leib reißt und es dann in der Hand trägt) – recht nett anzuschauen (die hübschen, hellen Kostüme stammen ebenfalls von Katrin  Lea Tag). Ob sich in diesen Wirrwarr inszenatorisch jemals eine Überschaubarkeit einbringen lässt, dieser Beweis ist noch zu erbringen.

Es stimmt schon: Eigentlich müsste, statt der kahlen, grauen Kraterlandschaft, laut Textbuch eine blühende, farbenfrohe, üppig sprießende Zauberlandschaft den Schauplatz auf der Insel bilden. Aber wo die Handlung so abstrus ist, muss man derartige Anweisungen auch nicht unbedingt für bare Münze nehmen.

Manfred A. Schmid
OnlineMERKER

 

 

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