Nach Neuschwanstein und dem Grafenschloß stehen ihr zauberhafte Abenteuer bevor. Im Online-Merker verrät die charmante Saarländerin in welcher Produktion ihre Fans das Multitalent in Kürze erleben dürfen.
Mit einem Kreuz um den Hals und einer Überdosis Knoblauch im Blut traute ich mich vor einigen Tagen ins von Vampiren bevölkerte Stage Operettenhaus Hamburg, wo ich mit der Darstellerin der Sarah aus dem Kultmusical Tanz der Vampire zum Gespräch verabredet war.
Kristin Backes als Sarah in Hamburg (Foto: Jessie Vos)
1997 in St. Wendel geboren, stand Kristin Backes schon im zarten Alter von elf Jahren in einer Hauptrolle auf einer Musicalbühne. So verwundert es nicht, dass sie ohne eine klassische Ausbildung als Schauspielerin oder Musicaldarstellerin nicht nur gesanglich sondern auch schauspielerisch vollends auf der Bühne überzeugt und von ihren Fans gefeiert wird. Seit der Deutschland-Premiere von Tanz der Vampire im März 2000 wurde die Show bis zur Derniere am 15.9.2024 genau 6.556 Mal in Stuttgart, Berlin, Hamburg, Oberhausen, München und Köln gespielt, bevor die Produktion in die Gruft, also ins Archiv wandert. Die Faszination der Zuschauer ist nach fast 25 Jahren ungebrochen und Vampire sind ja bekanntlich untot. Man weiß nie, wann und wo sie wieder zum Vorschein kommen.
Nur noch bis 15. September wird die Show gespielt und bei der jungen Sängerin kommen in diesen Tagen immer wieder Momente der Wehmut auf. „Oft stehe ich auf der Bühne und realisiere in ganz unterschiedlichen Szenen: das wird bald nicht mehr meine tägliche Routine sein, es wird eine Zeit ohne diese Show kommen.“ Immerhin müsse sie ihre Lebensroutine nun nicht mehr an die acht Shows pro Woche angleichen. „Ich darf jetzt auch mal am Abend zwei Gläser Wein trinken, statt nur einem“ freut sie sich.
Ein bis dato gut gehütetes Geheimnis erfahre ich auch: Kristin wird Hamburg erhalten bleiben und übernimmt in Harry Potter und das verwunschene Kind die Rolle Maulende Myrthe und als Cover Delphi Diggory. „Ich freue mich sehr drauf, jetzt auch verstärkt ins Schauspiel zu gehen und mir da ganz neue Skills zu erarbeiten. Das Stück ist reines Sprechtheater, allerdings mit viel Bewegung. Es ist sehr detailliert und präzise und insbesondere Zauberei wird in dieser Produktion großgeschrieben. Ich habe schon ein wenig Zaubererfahrung, da mein bester Freund Vize-Europameister ist und ich schon einige Sachen mit ihm gemacht habe. Aber so im Fokus zu stehen und in die Zauberwelt einzuführen, das ist jetzt auch neu für mich.“
Schon bald zaubert Kristin Backes gemeinsam mit Harry Potter (Foto: privat)
Nach ersten Erfahrungen in lokalen Musicalproduktionen im Saarland hat Kristin Backes vier Semester lang Germanistik und Schulmusik studiert. Dann kam Regisseur Benjamin Sahler vom Festspielhaus Füssen mit dem Musical Die Päpstin nach Neunkirchen und hat Künstlerinnen und Künstler für die Besetzung kleinerer Rollen gesucht. „Ich war grad 19 Jahre alt und es war mein absoluter Traum mit Stars wie Anna Hofbauer, Kevin Tarte und Uwe Kröger auf der Bühne stehen zu können. Ich wurde tatsächlich als Emergency Cover für die Hauptrolle engagiert. Gottseidank musste ich sie da noch nicht spielen. Ich weiß nicht, ob ich dieser Verantwortung gewachsen gewesen wäre, aber ich durfte mit proben und dabei stellte sich heraus, ich würde gut in deren Team passen. So kam ich in Füssen zu meinem ersten Engagement, was sowohl Einsätze auf der Bühne als auch die Mitarbeit im Produktionsteam beinhaltete. Deshalb habe ich mein Studium geschmissen und bin nach Füssen gezogen. Ich habe sozusagen dort meine Musical-Ausbildung gemacht. Ich habe insgesamt acht verschiedenen Rollen auf der Bühne verkörpert, ich habe eine Kostümabteilung aufgebaut, ich war für Social Media zuständig, ich habe sowohl am Verfolger als auch im Radio-Raum gesessen. Ich habe gedresst, ich habe Dispositionspläne erstellt, ich habe Pressetexte geschrieben. Nach 4 1/2 Jahren wollte ich mich in erster Linie künstlerisch stärker weiter entwickeln. Zu dieser Zeit gab es die Ausschreibung von Tanz der Vampire in Stuttgart. Jeder hatte mir gesagt, ich sei eine tolle Sarah, wobei ich selbst noch nicht mal daran geglaubt hatte, überhaupt zu einem Casting eingeladen zu werden. Ich habe ja weder eine formale Ausbildung als Bühnenkünstlerin noch irgendeinen Abschluss. Schließlich hatte ich einen sehr spannenden Audition-Prozess, in dem ganz intensiv mit mir gearbeitet wurde. Ich wusste, ich hatte für Sarah vorgesungen, aber hatte keine Ahnung, ob es um ein Cover ging, oder mehr. Dann wurde ich tatsächlich die Erstbesetzung und ich bin nach Stuttgart gezogen. Als das Musical nach Hamburg wanderte, entschied ich, diese 10 Monate auch noch zu machen und nun wohne ich in der Musical-Hauptstadt.“
Rob Fowler als Graf und Kristin Backes als Sarah (Foto: Morris Mac Matzen)
Kristins aktuelle Social Media Aktivität nimmt die Follower mit hinter die Kulissen und macht deutlich, dass die großen kommerziellen Produktionen gar nicht so eintönig und steril sind, wie man glauben könnte. Dieser Teil ihrer Arbeit begann bereits in Füssen, wo es hieß: Du bist die Jüngste – Du machst Social Media. „Als ich dann bei den Vampiren war, hieß es irgendwann, wir wollen die Position ‚Social Media Captain‘ schaffen. In Stuttgart hat Stage Entertainment kein Marketing vor Ort und es ist überhaupt oft schwierig Content mit Darstellern zu bekommen. Ich fand diese Idee sehr spannend, denn ich wusste ja schon wie es ist, für eine Firma über eine Theaterproduktion Content zu erstellen. Ich hatte mich also gerne angeboten und habe diese Funktion dann auch in Hamburg weiter bekleidet. Die Posts erstelle ich in Absprache mit dem Brand-Team. Manches wird vom externen Content-Team bearbeitet und manches mache ich direkt selbst, weil wir Darsteller einfach einen anderen Blick auf die Abläufe haben. So habe ich eine neue Leidenschaft entdeckt und habe auch privat angefangen mehr in dieser Richtung zu machen. Es passiert auch hin und wieder, dass mir Leute nach der Vorstellung sagen, sie hätten meine Videos auf TikTok gesehen und sich daraufhin ein Ticket für die Show gekauft.“
Als Zuschauer finde ich manchmal den Charakter der Sarah spannender als den des Grafen, denn sie wandelt sich ja vom braven Töchterchen im Dorf zur Vampirbraut. Kristin Backes sieht dies ein wenig anders: „Ich finde, man kann den Grafen vielschichtiger anlegen, als es bei Sarah der Fall ist. Allein in der Nummer ‚Unstillbare Gier‘ kann der Darsteller so unendlich viele Farben reinbringen. Als Sarah vollzieht man eine Wandlung und inzwischen versuche ich diese auch stärker und mutiger anzulegen als früher, aber sie reagiert immer nur. Sie ist der Spielball, mit dem gespielt wird. Entweder steht sie unter den Pantoffeln ihres Vaters oder erliegt später wie in Trance der Macht des Grafen. Nur in der Szene ‚Draußen ist Freiheit‘ / ‚Die roten Stiefel‘ hat sie kurz Macht, kann selbst lenken und entscheidet: ich gehe zu dem Schloss, egal was vorher gesagt wurde. Das macht super viel Spaß und ist auch toll, aber ich habe das Gefühl, die Rolle bewegt sich in einem gewissen Rahmen. Sie muss natürlich sein, sie muss unschuldig sein. Als Graf kannst Du dir da mehr Wege – und sogar Irrwege – bauen. Du kannst den Charakter vielschichtiger machen. Musst Du nicht, aber Du hast in dieser Rolle mehr Möglichkeiten. Das liegt im Ermessen des jeweiligen Darstellers. Ich liebe es auf jeden Fall, aus der Sarah so viel wie möglich rauszuholen.“
Autogrammwünsche sind trotz Social Media und Digitalisierung immer noch ein großes Thema für die Fans. Es kommt ganz viel Post mit Autogrammwünschen und oft wirklich liebevoll gestalteten Briefen ans Theater. Auch nach der Vorstellung stehen immer Menschen am Bühneneingang, die nach Autogrammen fragen. Gebissen worden ist Kristin von Möchtegern-Vampiren zum Glück noch nicht, aber bei einigen Szenen, in denen sie durch den Zuschauerraum geht, versucht schon ab und zu mal jemand, sie anzufassen. „An der Stage Door gibt es auch manchmal unangenehme Erfahrungen, auf die ich insbesondere am Anfang noch nicht so gut vorbereitet war. Ich habe im Laufe der Zeit gelernt, mit den Wartenden zu kommunizieren und klare Grenzen zu setzen. Dass man einfach mal von Fremden umarmt wird, oder einen Kuss auf die Wange bekommt, kommt immer mal wieder vor. Die Momente an der Stage Door sind für mich ein ganz toller Teil meines Jobs, aber wenn es dann doch vereinzelt mal übergriffig wird, wünsche ich mir manchmal reflektierteres Verhalten. ‚Würde ich einer fremden Person in einer normalen Konversation jetzt auch um den Hals fallen und sie küssen?‘“
Bei den Shows von Tanz der Vampire hat es im Juni erstmals eine ‚Sing Along Show‘ gegeben, bei der das Publikum in einigen Nummern lautstark mitsingen durfte. „Das war für uns ein komplett neues Konzept, welches international hier und da schon erfolgreich umgesetzt wurde. Für Stage Entertainment war das ein Test, ob das deutsche Publikum hieran überhaupt Interesse zeigt und offenbar ist der Bedarf auch bei uns vorhanden. Das hat so gut funktioniert, dass es am 13.9. eine zweite Show dieser Art geben wird“
Schnappschuss auf der Bühne: Marc Rohde mit Kristin Backes (Foto: Clio Kumlehn)
Irgendwann in der Zukunft möchte Kristin Backes gern ihr eigenes Theater haben. Vom Gefühl her wird das eher im Süden sein als in Hamburg, aber man muss mal schauen, wo das Leben sie noch hin spült. Obwohl Kristin ja in Hamburg bleiben wird, wird sie gemeinsam mit anderen Ensemblemitgliedern am 9. September im unmittelbarer Nähe des Stage Operettenhauses – im Imperial Theater – ein Time to say goodbye Konzert geben, welches die Mitwirkenden auch gleich selbst organisieren.
Marc Rohde im August 2024