Carlo Carlone nach Schloss Brühl nun im Wallraf-Richartz-Museum
Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger
Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone entstammte der Künstlerfamilie Carlone. Er wurde in Scaria als Sohn des Baumeisters, Bildhauers und Stuckateurs Giovanni Battista Carlone geboren und ist auch dort 1775 gestorben. Er ist ein Wegbereiter des Rokoko mit seinen farbig bewegten Fresken und Altarbildern. Nachdem er in Deutschland und Österreich viele Werke geschaffen hatte, kehrte er in reiferen Jahren nach Oberitalien zurück, wo er noch eine große Anzahl von Arbeiten hervorbrachte. (Quelle: Wikipedia)
wer kennt nicht die himmlischen Deckengemälde von Schloss Brühl bei Köln! Es sind einige der vielen Meisterwerke von Carlo Innocenzo Carlone (1686-1775), dem bis jetzt noch nie eine Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum gewidmet worden war. Lediglich im Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1975 wurde ein Teil davon präsentiert. Prof. Dr. Joseph Matzker hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dank seines profunden Wissens um die Materie, seiner Kenntnis aller bedeutenden dementsprechenden Literatur, aber auch dank der vielen interessanten Bekanntschaften im professionellen Kunstbereich, auf dem darauf spezialisierten Auktionsmarkt und im diesbezüglichen Antiquitäten-Fachhandel.
Sein eigenes Wissen kam nicht von ungefähr. Als Sohn des Malers und Kunst-Oberstudienrates Alfred Matzker und aus einer Familie stammend, die hauptsächlich aus Kirchenmusikern, Organisten und Architekten bestand, verdiente er sich sein Medizinstudium in St. Gallen und Heidelberg ausschließlich durch Auftritte als Musiker, darunter als Organist, Pianist, Cembalist, Pauker, Cellist, Dirigent, Sänger, auch in solistischen Rollen, wie zum Beispiel dem Osmin in der Entführung aus dem Serail, Komponist, Maler und Theaterdirektor. Dies alles – wohl bemerkt – neben seinem Medizinstudium, ohne jegliche Hilfe von den Eltern und, was viele nicht wissen, da sie es kaum bemerkten, mit nur einem Bein, da er als Jugendlicher auf eine Mine getreten war und auf grausame Weise sein Bein verloren hatte. Aus diesem Grund konnte er, wie er selbst sagte „kein ordentlicher Organist mehr werden“ und studierte daher Medizin. Er war im Übrigen selbst ein medizinisches Phänomen, denn er besaß das absolute Gehör in Verbindung mit Musik-Farben-Synästhesie und olfaktorischen Zweitempfindungen. Seine eigenen Kompositionen wurden von Elly Ney in Konzerten gespielt und im Rundfunk als Beispiel von großartiger Komposition der Orgelmusik zu Gehör gebracht. Wenn man seinen Beruf als Universitätsprofessor und HNO-Chefarzt eines großen Städtischen Krankenhauses ernst nimmt, hat man, wie sich jeder denken kann, normalerweise wenig Zeit für Anderes. Daher stand er jeden Morgen in seinem Leben um 5:00 Uhr auf, spielte mindestens eine halbe Stunde lang Konzerte von Bach, Telemann und Händel an Orgel und Cembalo, las den gesamten Corriere della Sera auf Italienisch von vorn bis hinten durch, ebenso wie die Hauszeitung FAZ. Er leistete sich keine Restaurantbesuche, teures Essen oder Weine, Markenkleidung, Nobelautos oder Luxusreisen, sondern erlaubte sich lediglich zweimal im Jahr für jeweils maximal drei Wochen nach Italien, zuletzt Umbrien, mit dem Auto zu reisen, wo er Kirchen, Kunsthändler und seine Freunde besuchte und mit seiner Frau in einer einfachen Pension aß und übernachtete. Er besaß nicht mal eine Krawatte. Zu seinen Freunden gehörten Anna Moffo, Michelangelo Antonioni und Emilio Vedova, um nur einige zu nennen.
Er hat sämtliche großen Barockorgeln Deutschlands, Österreichs und Italiens gespielt, organisierte die Konzerte der Westdeutschen HNO-Ärzte und besaß neben vielen anderen Instrumenten selber drei Barockorgeln. Eine davon, die er persönlich aus Eisenach nach Deutschland gebracht, abgebeizt und bemalt hatte, war bekannt dafür, dass Joseph Haydn auf ihr gespielt hatte. Einladungen schlug er kategorisch aus, und auf Gesellschaften ging Prof. Matzker so gut wie nie, wenn, dann lud er auf sehr herzliche Art und Weise Gäste zu sich nach Hause zu Hauskonzerten ein. Er galt selbst in Kunst-Fachkreisen als einer der besten Kenner der diversen Tiepoli, Carlo Carlones und all ihrer bedeutenden und auch weniger bekannten Zeitgenossen, so dass er oft abends angerufen wurde von Spezialisten aus Italien oder Amerika, die sich seinen Rat bezüglich eines Bildes, einer Zeichnung oder einer Skulptur einholen wollten. Nachdem er abends um 19:30 Uhr die Südwestfunk-Nachrichten gehört hatte, setzte er sich regelmäßig bis ca. 22:00 Uhr an einen Riesenstapel Kunst- und Auktionsbücher und schrieb ausführlich Tagebuch. Einen Fernseher gab es in seinem Haus nicht. Stattdessen las er zum Beispiel mit großer Freude das gesamte Werk Theodor Fontanes. Um also allein schon eine solch kleine bzw. übersichtliche Sammlung, wie sie jetzt im Wallraf ausgestellt ist, zusammenzutragen (und dies ist nur ein winziger Teil der gesamten Sammlung), vermag es auf diesem Spezialgebiet Jahrzehnte, vor allem aber eine immerwährende und fortlaufende, tiefe Begeisterung. Dies nur als Ergänzung zu dem Vortrag, den Michael Venator aus Anlass der Dauerleihgaben Prof. Matzkers an das Wallraf-Richartz-Museum hielt. Da die Sammlung auf der Basis dieser brillanten und charismatischen Persönlichkeit gewachsen ist, die ohnehin in Köln allein schon als hervorragender Arzt bekannt genug ist und im Laufe seines Wirkens tausenden von Menschen das Leben gerettet hat, sollten auch diese Facetten beleuchtet werden. Prof. Matzker erhielt das Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsident Karl Carstens überreicht, eine persönliche Papst-Audienz bei Johannes Paul II., wurde unter anderem für seine Erfindung des Künstlichen Speichels ausgezeichnet und trug verschiedene Ehrentitel Italiens.
Die Sammlung wird bis zum 6. Dezember 2020 im Barock-Geschoss des Wallraf-Richartz-Museums gezeigt.
Carlo Carlone-Ausstellung. Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone. Aktstudie. Foto: Andrea Matzker
Carlo-Carlone: Darbringung Jesu im Tempel. Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone: Die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone: Kreuzabnahme. Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone: Martyrium des Hl. Felix und Hl. Adauctus. Foto: Andrea Matzker
Carlo Carlone: Triumpf des Heiligsten Altarsakraments. Foto: Andrea Matzker