WIDERSTAND DES HERZENS: „WEISSE ROSE“ VON UDO ZIMMERMANN ALS BEKLEMMEND-AKTUELLES STÜCK (22.10.2016)
Claudia Rohrbach. Copyright: Paul Leclaire
Auf der kahlen Bühne 3 des Renovierungs-Ausweichquartier „Staatenhaus“ der Kölner Oper tut sich zunächst wenig. Im Halbdunkel liegt ein junges Paar auf dem Boden, es tropft von der Decke und dann beginnt eine irreale und zugleich poetische Zwölfton-Musik. Und plötzlich kapiert man: die beiden jungen Leute, die in Köln von Wolfgang Stefan Schwaiger und Claudia Rohrbach sehr eindringlich dargestellt werden – sind Hans und Sophie Scholl in der Nacht vor ihrer Hinrichtung. Sie wurden 1943 dabei erwischt, dass sie Flugzettel gegen den Irrsinn der Nationalsozialisten verfasst und verteilt hatten. Zwei Jahre lang blieb die katholische Studentengruppe unentdeckt. Dann wurde sie verhaftet und bereits nach wenigen Tagen zu Tode befördert – auch die Geschwister Scholl, er war 24, sie 21 Jahre jung. Sie wurden zum Symbol für das andere Deutschland, für die Rolle des Gewissens in der Diktatur. Der „Widerstand des Herzens“ durch die „Weisse Rose“ ist verfilmt worden und hat auch eine der erfolgreichsten zeitgenössischen Opern durch Udo Zimmermann ( Jgg. 1943, geb. in Dresden) provoziert. Die viel aufwendigere Urfassung stammt aus dem Jahr 1967, heute spielt man die „Szenen für zwei Sänger und 15 Instrumentalisten“ aus dem Jahr 1986; nach Texten von Wolfgang Willaschek. In Köln hat man mit dem jungen, dynamischen Studienleiter Arne Willimczik einen idealen musikalischen Leiter für ein höchst anspruchsvolles Werk. Als Regisseurin verpflichtete die Intendantin Birgit Meyer die Griechin Niki Ellinidou (Ausstattung Nefeli Myrtidi), für die beiden Solisten griff man aufs eigene Ensemble zurück. Wolfgang Stefan Schwaiger wurde in Tirol geboren, trat ab 10 Jahren bei den Wiltener Sängerknaben in Solorollen auf , studierte in Wien und gilt seit 3 Jahren als „Geheimtipp“ – spätestens mit seinem „Don Giovanni“ im Sommer 2014 im Schönbrunner Schlosstheater kann man ihn als „rising star“ bezeichnen. Und er wiederholte diesen durchschlagenden Erfolg in diesem Sommer in Bregenz. Die Intendantin der Kölner Oper entdeckte den Österreicher übrigens als Jurorin des Otto Edelmann-Wettbewerbs und gab ihm jetzt seine erste „Große Chance“. Nun man kann ihn mit Recht als Idealbesetzung bezeichnen. Er ist fast gleich alt wie der idealistische Widerstandskämpfer, seine Stimme klingt einmal wie die eines Schubert-Spezialisten, dann wieder wie ein Alban-Berg-Bariton, der bald den Wozzeck übernehmen könnte. Wolfgang Stefan Schwaiger ähnelt übrigens sogar optisch Hans Scholl. Faszinierend! Völlig gleichwertig seine Bühnen-Schwester, Sophie Scholl – wie wurde vom Ensemble-Mitglied Claudia Rohrbach übernommen, die in Köln u.a. als Adele in der „Fledermaus“, als Zerline in „Don Giovanni“ oder als Micaela in „Carmen“ besonders geschätzt wird. Sie strahlte heitere Fröhlichkeit aus. Und ihr Optimismus ging unter die Haut! Die Inszenierung ist sehr stimmig, deutet mehr an als sie ausführt. Die Lichtregie (Nicol Hungsberg) muss besonders hervorgehoben werden. Und die Musik von 15 Instrumentalisten erhöht diese emotionale Wirkung. Zuletzt ist man betroffen, wie aktuell die „Weisse Rose“ wieder geworden ist. Es werden wieder Grenzzäune errichtet, Flüchtlingsheime in Brand gesetzt und mit dem Emblem „Vaterland“ geworben. Da sprechen doch die Original-Zitate aus der Oper von Udo Zimmermann für sich: „Sagt nicht, es ist fürs Vaterland. Verlängert diesen Wahnsinn nicht!“ (Hans, 16.Szene) Oder: „Ein Wort wird alle Schranken nieder reißen“ (Sophie 16. Szene). Insgesamt: eine Modell-Aufführung, die man nicht nur in Köln zeigen sollte. Am Ende zögerte der Applaus ein paar Sekunden; soviel
Betroffenheit und Beklemmung, dann befreiender Jubel, Füße-Trampeln und Bravos für alle Mitwirkenden. Eine Produktion zur richtigen Zeit!
Peter Dusek