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KÖLN/ Staatenhaus: JEANNE D’ARC von Walter Braunfels. Wiederaufnahme

28.04.2019 | Oper


Juliane Banse. Foto: Paul Leclaire Fotos de.

KÖLN/Staatenhaus: JEANNE D’ARC                  von     Walter Braunfels

Premiere am 15. November 2016                           WA-Vorstellung am 27.4.2019

Es ehrt die Oper Köln, daß sie in ihr Wiederaufnahme-Programm auch „Jeanne d’Arc“ von Walter Braunfels aufgenommen hat, zweieinhalb Jahre nach der Premiere. Etliche Sänger waren schon 2016 dabei, bei einigen neuen sind Rollendebüts zu erleben wie im Falle von dem erstmals in Köln auftretenden PAUL McNAMARA, welcher als Heiliger Michael mit gleißendem Gesang auftrumpft. Im Tenorfach zu Hause ist auch LOTHAR ODINIUS, der sich hierorts vor Jahren mit Tamino und Tito vorstellte (im Mozart-Fach ist der Sänger weiterhin zu Hause). Seine voluminöser gewordene Stimme läßt inzwischen auch den „Rheingold“-Froh zu, und eine noch weiter gehende Facherweiterung dürfte sicher in Bälde zu erwarten stehen. Das enorm raumfüllende Organ von Odinius hat schon jetzt etwas Überwältigendes; zudem überzeugt der Tenor als imaginativer Darsteller des Karl von Valois, König von Frankreich, hier an sich zweifelnd, dort mit großem imperialem Gestus.

JULIANE BANSE hatte als Johanna die Premiere 2016 gerettet, indem sie kurzfristig für eine durch Unfall verhinderte Kollegin einsprang. Sie sang allerdings nur, während Regisseurin TATJANA GÜRBACA das Bühnenspiel übernahm. Jetzt ist die Sopranistin mit ihrer Partie auch szenisch präsent, welche sie bereits bei der Stockholmer Konzert-Uraufführung verkörperte (der CD-Mitschnitt ist nur noch auf Umwegen greifbar) und 2013 in Salzburg auf der Bühne wiederholte. Man darf die Künstlerin als Inkarnation der Johanna bezeichnen: jugendlich schlanke Erscheinung, blühende Stimme, enorme szenische Präsenz.

Am Pult des GÜRZENICH-ORCHESTERs läßt der mit dem Klangkörper vertraute, gestisch äußerst präzise STEFAN SOLTESZ die Musik von Braunfels, welcher sich in den letzten Jahren neu im (auch konzertanten) Repertoire zu etablieren beginnt, wunderbar aufblühen. Die Klangsprache des Komponisten wirkt trotz harmonischer Orientierung in keiner Weise „gestrig“, bietet über weite Strecken auch dissonante Querständigkeiten, doch stets mit dem Ziel eines expressiven Ausdrucks, der das Ohr des Hörers auch unmittelbar erreicht.

Die Oper ist mit „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“ untertitelt, legt es also nicht – wie etwa die stoffgleichen Bühnenwerke Verdis oder Tschaikowskys – auf eine stimmige Erzählung historischer Ereignisse an. Episoden werden eher blockhaft aneinander gereiht, was einem interpretatorischen Nachfantasieren allerdings viele Chancen bietet. Tatjana Gürbaca beläßt es prinzipiell beim Oratorischen, der groß besetzte Chor schwingt mitunter nur seine Körper langsam hin und her. Den Solisten erlaubt die Regisseurin freilich ein expansives und expressives Spiel, wobei ihr die erweiterten Raummöglichkeiten im Staatenhaus fraglos zugute kommen. Daß das von einem Bühnensteg geteilte Orchester nicht in einem Graben sitzt, sondern sichtbar bleibt, möchte man bei dieser großtheatralischen Produktion gleichfalls nicht als Nachteil werten. Es entsteht auf diese Weise sogar der besondere Eindruck eines „teatrum mundi“. Die Kostüme von SILKE WILLRETT halten eine attraktive Balance zwischen historisch und modern, STEFAN HEYNEs Bühne zeigt eine zerstörte, von allerlei Gerümpel übersäte Zivilisationslandschaft, die Erinnerungen an Kriegszeiten beschwört.


Veronika Lee (Page), Bjarni Thor Kristinsson (Herzog de la Trémouille), John Heuzenroeder (Herzog von Alenςon). Foto: Paul Leclaire Foto.de

Bei den Sängern gibt es neben den bereits genannten weitere starke Rollenpersönlichkeiten zu erleben. In der Reihenfolge des Besetzungszettels … Der baßmarkante MATTHIAS HOFFMANN als Erzbischof von Reims und Florent d’Illiers, LUCAS SINGER ebenfalls mit zwei Partien (Johannas Vater, sehr sympathisch porträtiert, und Inquisitor), der die Schlußszene autoritativ beherrschende MARTIN KOCH als Bischof von Beauvais, DINO LÜTHY als rührend wirkender Schäfer Colin. OLIVER ZWARG trumpft baritonal dramatisch auf. Der von ihm verkörperte Gilles de Rais steht Johanna zur Seite. Ihren Tod vermag er nicht zu verarbeiten und wirft der Macht Gottes jene von Satan mit verzweifelten Worten entgegen. Ein bitterer Unterton im verklärenden Dur-Schluß. Johannas Gegenspieler, die Herzöge de la Trémoulle und Alencon, werden von BJARNI THOR KRISTINSSON (virtuos berserkerhaft) und JOHN HEUZENROEDER pointiert konturiert. CHRISTIAN MIEDL wirkt als Ritter Baudricourt, Verwandter von Johanna, gleichfalls bühnenfüllend. Zu ergänzen sind noch MENNA CAZEL und ARNHEIDUR EIRIKSDÓTTIER. Als Heilige Katharina und Margarete haben sie u.a. einen leicht karikierenden Duett-Auftritt, welcher gewissermaßen die Negierung Johannas als Retterin Frankreichs in der Öffentlichkeit einleitet. Als nach dem Tod auf dem Scheiterhaufen ihr Herz unbeschädigt sichtbar wird, bricht der Chor in neue Heilrufe aus. Aber die Figur von Gilles de Rais modifiziert diese Glorifizierung, entzieht dem Finale Hosianna-Wirkung.

Dem groß besetzten Chor fallen wichtige Aufgaben zu, welche glänzend gelöst werden. Auch die Mädchen und Knaben vom KÖLNER DOMCHOR schlagen sich wacker. Ihr Leiter EBERHARD METTERNICH begleitet, zu einer Bühnenfigur anonymisiert, die Kleinen dirigierend zu ihrem Bühnenauftritt. Ein großes Statistenheer macht den personalen Aufwand der Aufführung zusätzlich deutlich.

Eine bedeutsamer Abend. Es handelte sich um die fünfte von sechs Aufführungen.

Christoph Zimmermann

 

 

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