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KÖLN/ Philharmonie: Sir András Schiff in der Kölner Philharmonie

02.11.2021 | Konzert/Liederabende

Sir András Schiff in der Kölner Philharmonie (31.10.2021)

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

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Sir Andras Schiff vor der Kölner Philharmonie. Foto: Andrea Matzker

Eine ganz besondere und gleich doppelte Freude stellte das neuerliche Konzert von András Schiff in der Kölner Philharmonie dar. Erst die Aussicht auf zwei Stunden mit diesem Interpreten in dem herrlichen Saal verbringen zu können, ließ die zwei Autoren zum ersten Mal nach über zwei Jahren wieder Karten für die Kölner Philharmonie erstehen, obwohl sie ursprünglich wegen des nach wie vor herrschenden Coronaproblems eigentlich auch hier hatten verzichten wollen, vor allem auch, um unnötige Kontakte zu vermeiden. Außerdem war die Stadt an diesem Abend besonders unsicher durch viele Halloween-Feiernde, wovor auch öffentlich gewarnt worden war. Da aber davon auszugehen war, dass sich in der Philharmonie, zumal bei einem derart zurückhaltenden und wenig auf Äußerliches Wert legenden Musiker, relativ zivilisierte Musikliebende treffen werden würden, hatte man den Besuch riskiert und wurde auch reichlich dafür belohnt. Erfreulicherweise war der Konzertsaal trotz aller derzeitigen, widrigen und erwähnten Umstände erstaunlich gut besucht, und es überraschte, dass es, obwohl viele Menschen zur Zeit unter der Grippe oder unter Erkältungen leiden, mucksmäuschenstill war, ebenso wie, fast auf den Tag genau, vor vier Jahren bei Riccardo Muti.

András Schiff überlegt sich genau, wie er sein Konzertprogramm zusammenstellt. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, auch nicht die Zugabe. Insofern war das Konzert eine große Hommage, wie aus einem einzigen Guss, an Wolfgang Amadeus Mozart, eigentlich sein Werk von Beginn an bis zum Ende als Pianist begleitend und zugleich noch aus der Sicht eines anderen großen Komponisten gesehen. Im Grunde eine Kurzfassung des Mozart-Klavier-Repertoires durch den Künstler András Schiff, der ja mit seiner Cappella Andrea Barca bereits alle Mozartkonzerte eingespielt hat, selbstverständlich alle als Pianist und Dirigent zugleich, wodurch gerade in seinem Fall eine zauberhafte Einheit von Orchester und Solist besteht, und zudem der kammermusikalische Charakter des Konzertes unterstrichen wird.

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Sir Andras Schiff mit der „Cappella Andrea Barca“. Foto: Andrea Matzker

Schon der Name seiner Musiker, die eigentlich selbst auch jeder für sich Solisten sind, spricht Bände und passt genau in diesen Kontext. Andrea Barca, abgesehen davon, dass es die genaue Übersetzung des Namens von András Schiff auf Italienisch ist, war ein Pianist aus Florenz, der Mozart persönlich kennengelernt und sehr verehrt hatte. Als Auftakt seines Kölner Konzertes hatte der Maestro das Es-Dur-Konzert aus dem Jahre 1777 gewählt, das Mozart, gerade 20-jährig, komponiert und wahrscheinlich einer Künstlerin namens Louise Victoire Jenamy gewidmet hatte. Womöglich handelt es sich bei der Namensgebung von „Jeunehomme“ um einen Lesefehler. Dieses Konzert gilt als bahnbrechend und wurde von Alfred Einstein als Mozarts „originellstes und kühnstes Konzert“ beschrieben mit dem Höhepunkt eines überraschend auftauchenden Menuetts. Eine entspanntere, unprätentiösere wie werkgetreuere Art der Interpretation ist kaum denkbar.

Das einzig Spektakuläre des gesamten Konzertabends war, wenn man es so nennen kann, das sanfte Beiseiteschieben des hinreißenden, 3 m langen Bösendorfer-Flügels aus leuchtendem Mahagoni, dem persönlichen Instrument des Meisters, um zur Sinfonie überzugehen und anschließend wieder zurück zum nächsten Klavierkonzert zu kommen. Bei dem bescheidenen Auftreten des Dirigenten und Pianisten seiner Kollegen erschien das Instrument fast als der einzige Star des Abends.

Am 6. Juni 1860 schrieb Schubert in sein Tagebuch: „Wie von ferne leise hallen heute noch die Zauberklänge von Mozarts Musik. … O Mozart, unsterblicher Mozart, wie viele o wie unendlich viele wohltätige Abdrücke eines lichten bessern Lebens hast du in unsere Seelen geprägt.“ Auch seine 5. Sinfonie in B-Dur aus dem Jahr 1816 ist eine Huldigung an Mozart mit deutlichen Nähen zu Mozarts g-moll-Sinfonie KV 550.

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Sir Andras Schiff und sein Flügel. Foto: Andrea Matzker

Mozarts B-Dur-Klavierkonzert KV 595 sollte das letzte im kurzen Leben des Genies sein. Es wurde am 5. Januar 1791 beendet, und seine Uraufführung im März desselben Jahres sollte auch der letzte öffentliche Auftritt von Mozart als Pianist werden. Alfred Einstein bezeichnet das Konzert, noch eher als das danach geschriebene Requiem, als Mozarts „Werk des Abschieds“. Mozart selbst hatte im eiskalten Januar des Jahres 1791, neun Tage nach Beendigung der Komposition des Konzertes, das Lied „Komm, lieber Mai“ unter dem Titel „Sehnsucht nach dem Frühling“ in sein Werkverzeichnis eingetragen. Die schlichte, unscheinbare und leise Melodie hat die Form eines Rondos und bildet so den quasi nahtlosen Übergang zu der mit frenetischem Applaus herbei gewünschten einzigen, die aber ausgiebigen Zugabe, dem a-moll-Rondo KV 511. Mozart selbst bezeichnete dieses Werk aus dem Jahre 1787 als „Ein Rondo für das Klavier allein“. Er hatte damit reagiert auf den Tod seines „liebsten und besten Freundes“ Graf von Hatzfeld. Sein großer Kummer spiegelt sich in der schmerzlichen Chromatik wider. Er war zu dieser Zeit noch mit den Aufführungen zum Figaro und mit dem Auftrag zu Don Giovanni beschäftigt, was sich in der dämonischen Seite des Rondos zeigt. Das Ritornell erinnert an eine Siciliana und hat dadurch eine südliche Note. Es ist auch eine Verbindung von Mozart zu Schubert gegeben durch den Trugschluss in Des-Dur, der vorausweist auf die Romantik.

Ein wunderbares und denkwürdiges Konzert an einem harmonischen Abend, der seine Zuhörer nachdenklich und nachhaltig hinterließ als würdige Einleitung zum Tag des Gedenkens an die Verstorbenen.

Andrea Matzker, Dr. Egon Schlesinger

 

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