Dirigieren kann ein äußerst gefährlicher Beruf sein
Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger
„Verfolgt von dem donnernden Zorn des Himmels –
was Gelegenheit zu einem brausenden musikalischen Vorspiel (Introduktion) gibt –
kommt Prometheus durch den Wald gelaufen…“
Zitat von Carlo Ritorni aus dem Jahr 1838
in seiner Biografie von Viganò
über den Beginn dieser Ouvertüre

Preisverleihung in der Kölner Philharmonie. Ganz rechts der Gewinner Henri Christofer Aavik . Foto: Andrea Matzker
Das musste auch der erste Preisträger Henri Christofer Aavik vom Dirigentenwettbewerb German Conducting Award 2025 am Montag, dem 20. Oktober 2025, bitter erfahren. In jedem Fall tut es aber seinem Ruf und seinen Chancen für die Zukunft in keinerlei Hinsicht Abbruch. Nachdem er als erster der drei teilnehmenden Finalisten (wir berichteten) gekürt worden war und auch noch zusätzlich den Publikumspreis Kurt Masur erhalten hatte, ging er mit Urkunde und Blumen zum Pult, um die Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ von Ludwig van Beethoven als Zugabe des ersten Gewinners zu präsentieren. Glücklich und charmant strahlend legte er Urkunde und Blumen ab, um sich auf das Finale des Konzertabends zu konzentrieren. Seinem sehr lebendigen und einfühlsamen Temperament entsprechend, begann er den Auftakt zu diesem besonderen Werk mit einer äußerst ausladenden Bewegung des rechten Armes nach oben, denn schließlich musste er das gesamte Orchester dazu bringen, Fortissimo zu spielen und sofort wieder zwei Viertel zu pausieren, um wieder das Fortissimo durch den Saal schallen zu lassen. Genau der erste Ton erschallte sensationell, alle schauten gebannt auf ihn und lauschten in Erwartung des nächsten Fortissimo nach den zwei Viertelpausen. Es folgte ein ziemlicher Schock, denn sein rechter Arm sank plötzlich und konnte sich scheinbar nicht wieder erheben. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Stange des Dirigentenpults, hielt den Kopf gesenkt und mit der linken Hand seinen scheinbar unendlich schmerzenden rechten Arm, bis er kurz darauf leise vom Podium verschwand, seinen rechten Arm festhaltend und stützend. Sofort wurde der scheinbar diensthabende Arzt aus dem Publikum zu ihm gerufen, und nach geraumer Zeit wurde mitgeteilt, dass er nicht mehr dirigieren kann an diesem Abend. Sein Freund und Kollege Luis Toro Araya, der dritte Preisträger, dirigierte dann das Stück für ihn, bevor das Publikum den Saal verließ. Draußen vor der Philharmonie warteten mit Blaulicht Notarzt und Krankenwagen. Man ahnte, dass er sich die Schulter ausgekugelt hatte oder sich zumindest eine böse Zerrung oder einen Muskel- oder Sehnenriss zugezogen hatte. Vielleicht kam noch dazu, dass die gesamte Aufregung und die konzentrierte Arbeit über eine ganze Woche lang einen Schwächeanfall hervorgerufen hatte.
In jedem Fall war der Abend trotzdem ein großer Erfolg für alle Teilnehmenden und natürlich besonders für die drei Finalisten. Man wird in Zukunft sicherlich von Ihnen hören.
Andrea Matzker/ Dr. Egon Schlesinger

