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KÖLN/Oper: BARKOUF OU UN CHIEN AU POUVOIR von Jaques Offenbach

13.10.2019 | Oper

Jacques Offenbach: Barkouf ou un chien au pouvoir, Oper Köln, Premiere 12.10.2019

Deutsche Erstaufführung anlässlich des 200. Geburtstages von Jacques Offenbach
Koproduktion mit der Opéra national du Rhin Strasbourg (Premiere 07.12.2018)

Liberté! Egalité! Leckerli!

Erfreulicherweise bringt das Offenbachjahr nicht nur Begegnungen mit dem Kernrepertoire des Komponisten sondern auch mit Trouvaillen wie «Les Fées du Rhin» (Opéra de Tours und Theater Orchester Biel Solothurn), «Le Roi Carotte» (Staatsoper Hannover und Volksoper Wien) oder jetzt an der Oper Köln mit «Barkouf ou un chien au pouvoir».


Bjarni Thor Kristinsson, Chor der Oper Köln; © Paul Leclaire.

„Barkouf“ wurde nach seiner Uraufführung noch acht Mal gespielt und verschwand dann in den Archiven. Für lange Zeit, bis dem Musikwissenschaftler Jean-Christophe Keck in Zusammenarbeit mit dem Verlag Boosey & Hawkes (Rechtsnachfolger des Verlags Bote & Bock, der schon früh die Rechte an Offenbachs Werken jenseits des Rheins erwarb) die kritische Edition gelang. Die Erstaufführung in neuerer Zeit fand an der koproduzierenden Opéra national du Rhin Strasbourg statt und nun ist das Werk an der Oper Köln zu erleben.

„Barkoufs“ Verschwinden hat seinen Grund hauptsächlich in den Entwicklungen der französischen Opernlandschaft Mitte des 19. Jahrhunderts und einer gegen Offenbach gerichteten PresseKampagne, den Produktionsbedingungen der Uraufführung und – im positiven Sinn – in der Qualität des Werks.
Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Opéra comique ihre Leichtigkeit und das Heitere zu verlieren, immer stärker die Grand opéra zu imitieren während dem die Vaudevilles deutlich an Umfang abnahmen. Hervé und Offenbach sprangen mit der Operette in die Lücke, um das Bedürfnis des Publikums nach einfachen, fröhlichen, satirisch-parodistischen Werken zu füllen. Offenbach stellte gegenüber den Behörden wie auch in der Ausschreibung seines Einakter-Wettbewerbs klar, dass er die Opéra comique als Opéra bouffe wieder an die Ursprünge, die Opéra comique des 18. Jahrhundert angleichen wolle. 1860 war Offenbach, der in Frankreich naturalisierte Deutsche jüdischen Glaubens, am Ziel seiner Träume angekommen: die Opéra hatte bei ihm das romantische Ballett „Le Papillon bestellt und Alfred Beaumont, frisch bestallter Direktor der Opéra comique bestellte, wahrscheinlich zur glanzvollen Eröffnung seiner Intendanz, „Barkouf ou un chien au pouvoir“. Beaumont glaubte mit dem Dream-Team aus Star-Komponist und Star-Librettist, Eugène Scribe, nichts falsch zu machen. Als Barkouf nach viereinhalb Monaten Proben zur Uraufführung kam, startete rasch eine konzertierte Presse-Kampagne gegen Offenbach, die ihm klarmachen wollte, dass sein Platz sein Theater, das Théâtre des Bouffes-Parisiens sei, und nicht die ehrwürdige Opéra comique. Konservatismus, Neid und Groll waren geweckt. Offenbach liess im Rahmen der Auseinandersetzung verlauten, „Barkouf“ sei als Opéra bouffe (Gattungsbezeichnung von der Zensur erzwungen) tatsächlich am falschen Platz, denn die aktuelle Opéra comique habe mit ihren Ursprüngen nichts mehr gemein. „Barkouf“ während der Proben unter keinem guten Stern, den die Sänger und Musiker wandten sich rasch gegen das Werk und dann hatte auch die Zensur noch Einwände. Immerhin konnten die Einwände der Zensur durch verschiedene Entschärfungen und die Herabstufung von der Opéra comique zur Opéra bouffe rasch gelöst werden. Die sich auch in Krankheiten äussernde Opposition des Sängerpersonals blieb aber bis zur Absetzung des Werkes bestehen. Offenbach konnte mit „Barkouf“ beim Publikum einen Achtungserfolg erringen. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Musik kaum je die Erwartungen erfüllt, die man mit Offenbach verknüpft, und so modern ist, dass sie den strengen Kriterien der zeitgenössischen Verfechtern der Opéra comique nicht Genüge tut. Es wurden weder ein Libretto noch ein Klavierauszug der Oper gedruckt.


Susanne Elmark, Patrick Kabongo, Chor der Oper Köln; © Paul Leclaire.

Fernab von Frankreich, in Lahore hat der Grossmogul, um sein Volk, das sich angewöhnte die Vizekönige jeweils früher oder später aus dem Fenster zu stürzen, zu bestrafen, den Hund Barkouf als Vizekönig eingesetzt. Der Grosswesir Bababeck, der sich selbst Hoffnungen auf den Posten gemacht hatte, ist verständlicherweise wenig begeistert. Barkouf lässt nur das Blumenmädchen Maïma, seine frühere Besitzerin an sich heran, und so wird diese faktisch zur Regentin. Bababeck gelingt es nicht sich Maïma gefügig zu machen und so übersetzt sie, mittlerweile Sekretärin des Vizekönigs, dessen Äusserungen ganz frei. Die Steuern werden halbiert, die zum Tode Verurteilten, so auch Xaïloum, der Geliebte ihrer Freundin und Orangeverkäufern Balkis, begnadigt. Weise und umsichtig verhindert Maïma einen Anschlag von Bababeck und dessen Kumpanen auf Barkoufs Leben. Als sich der Grosswesir daraufhin mit den Tartaren verbündet und das Königreich bedroht, zieht Barkouf in den Kampf und fällt ehrenvoll.

Mariame Clément (Inszenierung) lässt den ersten Akt in einer Art Repräsentationsraum spielen, die beiden folgenden Akte dann in einem Aktenkeller (Bühne und Kostüme: Julia Hansen): der Geheimdienst und seine Aktenproduktion als Charakteristikum jeder gepflegten Diktatur. Clément gelingt ein locker-leichte Umsetzung, der Humor, sei es der unter Aktentürmen stolpernde Hausmeister zwischen erstem und zweitem Akt (Choreografie Mathieu Guilhaumon)oder die mit Masken „aktualisierten“ Verschwörer, wirkt nie aufgesetzt oder übertrieben. Das Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung Stefan Soltesz spielt den unerwartet wenig operettenhaften, oft hochmodernen Offenbach hervorragend, so dass es die reine Freude ist mit dem Orchester die unbekannten Seiten des Komponisten zu entdecken. Der von Rustam Samedov vorbereitete Chor der Oper Köln ist mit grosser Spielfreude am Werk. Was die Textverständlichkeit angeht, ist noch Luft nach oben.

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Andrew Penning, Martin Koch, Matthias Klink, Patrick Kabongo, Kathrin Zukowski; ; © Paul Leclaire.

Tenorbuffo Matthias Klink als Bababeck verkörpert den Repräsentanten des korrupten Systems hervorragend. Sein Hauptanliegen ist die Besitzstandswahrung, nebenbei auch noch seine Tochter Périzade, gesungen von Kathrin Zukowski, unter die Haube zu bringen. Martin Koch ist als Eunuch Kaliboul Bababecks dauernder Begleiter. Susanne Elmark verkörpert das Blumenmädchen Maïma und bewältigt die enorme schwierige Partie mit stupender Technik und wunderbarer Höhe perfekt. Judith Thielsen als Orangenhändlerin Balkis steht ihr in Nichts nach. Die lyrischen Tenöre Patrick Kabongo und Sunnyboy Dladla brillieren in den Rollen der Geliebten Saëb und Xaïloum. Bjarni Thor Kristinsson ergänzt das Ensemble als Großmogul. Ein Fest der schönen Stimmen!

Mikroports waren aus der Entfernung des Zuschauerraums nicht wahrzunehmen. Ihre Verwendung ist aber anzunehmen, da die Vorstellung fürs Radio aufgezeichnet wurde.

Eine absolut lohnende Begegnung mit einem unerhörterweise ungehörten Offenbach.

Weitere Aufführungen: 17 Do / Okt 19, Staaten-Haus Saal 2, 19:30 – 22:30; 20 So / Okt 19, Staaten-Haus Saal 2, 16:00 – 19:00 23 Mi / Okt 19, Staaten-Haus Saal 2, 19:30 – 22:30; 27 So / Okt 19, Staaten-Haus Saal 2, 18:00 – 21:00 30 Mi / Okt 19, Staaten-Haus Saal 2, 19:30 – 22:30; 01 Fr / Nov 19, Staaten-Haus Saal 2, 18:00 – 21:00 03 So / Nov 19, Staaten-Haus Saal 2, 16:00 – 19:00.

Radio WDR 3: (Aufnahme vom 12.10.19 aus dem Staatenhaus, Köln): 27 So / Okt 19, 20:04 – 23:00.

Jan Krobot/ Zürich

 

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