KÖLN: „La Damnation de Faust“. Oper am Dom am 13.12.2014 (Premiere am 07.12.2014)
Die Kölner Oper hat sich für eine konzertante Produktion entschieden. Das läßt sich aus dem Werk selbst rechtfertigen. Das Stück ist keine Oper im eigentlichen Sinne und vom Komponisten auch als „Une Légende dramatique“ bezeichnet worden. Innerhalb der aneinander gereihten Episoden überlappen sich die Handlungsebenen bis zum Vierfachen. Das ist bühnentechnisch schwer umzusetzen, obwohl es die Deutsche Oper Berlin vor kurzem mit Erfolg getan hat.
Am Pult stand der Bremer Generalmusikdirektor Markus Poschner. Abgesehen vom fulminanten Finale geriet ihm die Interpretation eigenartig spannungsarm. Das galt bereits für den Rakoczy-Marsch. Letztmalig hat der Rezensent das Werk unter Levine gehört. Daraus leitet sich die Erkenntnis ab, daß es durchaus einen großen Unterschied macht, ob ein inspirierter Maestro ein solches Meisterwerk ausdeutet oder ein solider Kapellmeister einen ebenso soliden Abend über die Runden bringt. Da mag man zu Levine und insbesondere seinen Tempi stehen, wie man will.
Eine geradezu glanzvolle Leistung erbrachten die von Andrew Ollivant einstudierten Chöre und zwar Damen wie Herren gleichermaßen. Da stimmte einfach alles. Wenn man sich die Schwierigkeiten der Partitur vor Augen führt und den Mut bedenkt, den Berlioz hatte, das Werk schon 1846 zu präsentieren, als Verdi noch ausschließlich in tonaler Schönheit schwelgte, wird verständlich, wieso die ersten beiden Aufführungen in der Opéra Comique Mißerfolge waren, macht aber auch deutlich, welche Anforderungen es schon damals an die Chöre gestellt hat und heute auch noch stellt.
Das Ensemble war erlesen. Die Titelpartie hatte Burkhard Fritz inne, ein gestandener Heldentenor mit fulminanter Höhe, in den anderen Lagen aber doch etwas farb-losem Material. Marguérite war Vesselina Kasarova, die nach wie vor eine enorme Bühnenausstrahlung hat. Bedauerlicherweise ließ sie sich aber angesichts der Tatsache, daß der Sopranpart vergleichsweise weniger große Momente ermöglicht, als sie den Herren zu Gute kommen, zu einer mit Händeringen und Gefuchtel verbundenen Gestik aus dem letzten Jahrhundert verleiten. Da wäre es sicher besser gewesen, man hätte ihr und übrigens dem Mephisto-Darsteller ebenfalls eine halbszenische Umsetzung ihrer Partien ermöglicht. Stimmlich verfügt die Kasarova nach wie vor über eine satte untere und mittlere Lage. In der Höhe treten jedoch zuweilen einige Schärfen auf.
Brander war der Australier Luke Stoker, der nicht nur gut aussieht, sondern auch über einen kultivierten Baß verfügt.
Zentrale Figur des Abends war nicht nur rollenbedingt Samuel Youn als Méphistofélès. Er gestaltete seinen Part mit außerordentlicher Vitalität, war stets in Bewegung und ließ erkennen, daß er (als einziger ohne Noten singend) die Rolle in Berlin schon einige Male auf der Bühne umgesetzt hat. Da gibt es keine Registerbrüche, keine Schwächen in unterer oder oberer Lage. Allerdings ist sein Timbre eher kernig als schön (im Sinne der Eleganz eines Samuel Ramey): Auch sein martialisches Er-scheinungsbild mit hochgesteckten Haaren und Vollbart, welches in Rollen mit Kostüm und Maske gar nicht sonderlich auffällt, weckt Assoziationen an Dschingis Khan. Für die Partie des Mephisto ist das aber geradezu ideal.
Klaus Ulrich Groth