KÖLN: ARABELLA in der Oper am Dom am 10. Mai (Premiere am 25.April)
Die neue Produktion von Straussens ARABELLA in Köln leidet unter einer kruden Regiekonzeption. Zwar ist die Personenführung als solche durchaus konventionell und verdirbt nichts. Das Bühnenbild von André Barbe hingegen mag jeder für sich selbst interpretieren. Logisch ist es nicht. Die Bühne wird linksseitig zu rund einem Drittel von einem abgestürzten überdimensionalen Kronleuchter blockiert. Vor dem Kronleuchter türmen sich Sandsäcke, wie sie in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs üblich waren. Regisseur Renaud Doucet läßt zudem Verwundete herumtorkeln. Wenn der Rezensent das richtig verstanden hat, ist Elemer durch den Kopf geschossen worden, Dominik ins Rückenmark und daher querschnittgelähmt. Nur Lamoral hat es verschont. Der hat nur Blutflecken auf der Uniform. Das Finale findet in einem Lazarett statt. Bevor Familie Waldner mit Mandryka die Szenerie betritt, wird die letzte Leiche hinausgetragen. Das mag alles der Idee geschuldet sein, die Handlung in der Kompositionszeit anzusiedeln. Mit den Vorgaben Hofmannsthals hat das aber nichts zu tun.
Die musikalische Seite war demgegenüber deutlich erfreulicher, wenngleich nicht jede Partie betreffend. Es sei in Erinnerung gerufen, daß in einer früheren Produktion in Köln noch Kire te Kanawa die Titelrolle (und Jean van Ree den Matteo) gesungen hat. An den von ihrer Rollenvorgängerin verbreiteten Glanz vermochte Emma Bell nie anzuknüpfen. Dafür war die Stimmführung bereits im Mezzoforte zu unruhig, in den wunderschönen Strauss-Bögen sogar tremologefährdet. Lediglich in der extremen Höhe traten derartige Probleme in den Hintergrund. Zudem schien es fast so, als hätten Masken- und Kostümbildner das Vorurteil von der stets unattraktiven Engländerin auf der Bühne umsetzen wollen. Die Lieblichkeit oder auch nur Liebenswürdigkeit der Figur, die Hofmannsthal sich vorgestellt hat, kam nicht über die Rampe. Bell wirkte eher wie eine ältliche Gouvernante.
Rollendebütant war in dieser Serie der Lette Eglis Silins, und insofern kann man nur von einer echten Entdeckung sprechen. Hinsichtlich seiner Stimmkraft, seines Volumens und seiner Persönlichkeit steht er einem Hampson oder Konieczny nicht nach und wird daher sicherlich über kurz oder lang mit dieser Partie auch auf den großen Bühnen zu hören sein. Lediglich die Wortverständlichkeit bedarf der Nachbesserung. Ein stimmlich und darstellerisch gleichermaßen überzeugender Waldner war Bjarni Thor Kristinsson. Demgegenüber blieb Dalia Schaechter als Adelaide arg blaß, wenngleich rollendeckend singend. Anna Palimina war eine charmante Zdenka mit jugendlich frischem Sopran. Ladislav Elgr prunkte als Matteo mit fulminanten Höhen. Wie schwierig es ist, vor allem im letzten Akt die zahlreichen Intervallsprünge der Tessitura sauber zu bewältigen, ist allgemein bekannt. Das Verehrer-Trio der Arabella bildeten Jeongki Cho (Elemer), Wolfgang Stefan Schwaiger (Dominik) und Lucas Singer (Lamoral). Alle Drei bewältigten ihre Partien rollendeckend.
Als Kartenaufschlägerin war wieder einmal Alexandra von der Weth zu hören, die vor ein, zwei Jahrzehnten eine beachtliche Karriere hatte und nach gewissen gesundheitlichen Problemen wieder auf die Bühne zurückzukehren scheint. Neben der nur bedingt schwierigen gesanglichen Aufgabe hatte sie eine zusätzliche Statistenrolle zu bewältigen und erschien unentwegt als das personifizierte Schicksal auf der Bühne, welches die Erfüllung der von der Kartenaufschlägerin im ersten Bild gegebenen Prophezeiung herbeiführt. Bleibt noch Beate Ritter als Flakermilli zu nennen. Sie steuerte blitzsaubere Koloraturen bei und überzeugte durch darstellerische Beweglichkeit. Leider lenkte eine weitere eigenartige Idee des Regisseurs von der Aufmerksamkeit für den Gesang ab. Er hatte sie als Animierdame mit Sattel auf dem Hinterteil und Pferdeschwanz darunter ausgestattet. Auch hier mag sich jeder seinen Teil selbst denken. Die Anspielung auf gewisse sexuelle Praktiken war offensichtlich. Hilfreich im Sinne des Stücks war auch das natürlich nicht.
Die ersten Aufführungen hatte Stefan Soltesz dirigiert. Den besprochenen Abend übernahm der Dortmunder GMD Gabriel Feltz, der dem großen Maestro nicht nachstand, die Partitur auslebte und das notwendige Gespür für eine handlungsgerechte Struktur mit den nötigen Tempowechseln und Pausen aufbrachte. Das Gürzenich-Orchester war durch die Voraufführungen bestens eingeprobt.
Klaus Ulrich Groth