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KÖLN: LA GRANDE-DUCHESSE DÉ GEROLSTEIN zum 200. Geburtstag von Jacques OFFENBACH

13.06.2019 | Operette/Musical

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Foto: Oper Köln/ Gerd Uhlig

KÖLN: LA GRANDE-DUCHESSE DÉ GEROLSTEIN zum 200. Geburtstag von Jacques OFFENBACH
12.6. 2019 (Werner Häußner)

Mit „Piff-Paff-Puff“ stellt sich der Herr vor. Es ist der Sound von Platzpatronen, aber zur Vorsicht geht man doch erst einmal in Deckung. Der Mann ist kommandierender General der großherzoglich gerolsteinischen Armee, die sich in akuten Kriegsvorbereitungen befindet. Sein Name, General Boum, ist Programm: Ein „boum“ ist nicht nur der Knall einer Kanone, sondern auch die Bezeichnung für eine nicht immer von Schlüpfrigkeiten freie Fete.

Was um alles in der Welt den französischen Regisseur Renaud Doucet geritten hat, diese ambivalente Offenbach-Figur als einen Art Öko-Turnvater-Jahn in den gelbgrünen Dress eines Senioren-Fitnesslaufs zu stecken und in einem Hambi-Besetzerlager umhertappen zu lassen, ist die erste von zahlreichen Fragen, die sich mit der Neuinszenierung von Jacques Offenbachs genialer Operette „La Grande-Douchesse de Gérolstein“ in Köln verbindet. Klar: Wir sind nicht mehr in der Zeit von 1867, der erotische Zauber der Montur ist ebenso verblasst wie die unkritische gesellschaftliche Begeisterung für uniformierte Hierarchen. Auch die von der Zentralstaat-Metropole Paris aus belächelte deutsche Kleinstaaterei mit ihren wichtigtuerischen Fürsten – die sich damals gerade rund um die Weltausstellung an der Seine amüsierten – ist passé.

Aber was dann die Operettenarmee des fiktiven Eifelstaates mit der Hambacher-Wald-Bewegung und dem Widerstand ökologisch beflügelter Aktivisten gegen den Braunkohleabbau zu tun haben soll, worin der Mehrwert einer Verwandlung der Großherzogin zur Herrscherin eines Mineralwasser-Imperiums bestehen soll, das bleiben uns die Herren Doucet (Regie) und Barbe (Bühne und Kostüme) schuldig. Denn der „gesellschaftskritische“ Ansatz versickert im Dekorativen, die sowieso nur mit knirschender Gewalt aufgesetzte „Aktualisierung“ zerfließt spätestens im zweiten Akt vor der goldenen Monumentalstatue eines Frosches in Bedeutungslosigkeit. Wenig Piff-Paff und ein großes „Puff“.

Aber wer Renaud Doucet und André Barbe verpflichtet, bekommt den Stil des Teams auch. Und der zeigt in der Kölner „Großherzogin“ zum 200. Geburtstag von Jacques Offenbach genau die Schwächen, die auch bei anderen Inszenierungen der beiden auffallen: Da sind zwar Cécile Chaduteaus Choreographien flott und auf den Punkt gearbeitet – das Reiterballett im dritten Akt ist herzerwärmend putzig –, aber sie bleiben Dekor im geschickten Aufbau von Bewegungsbildern. Da wird ein Transfer in die Gegenwart versucht, bleibt aber halbherzig, weil die Begriffe unscharf und inkonsequent sind: Am Ende landen wir mit einem schräg gestellten, üppigen Bild in Plastik-Barock und einem hübsch ausstaffierten Bett eben doch in der „guten“ alten Operettenwelt.

Dorthin weisen auch die Figuren, selbst wenn sie zwischen fantasievoll-opulenten Kostümen auch mal den mittlerweile üblichen blauen Banker- oder Trump-Anzug tragen wie der durchtriebene Baron Puck, bei Miljenko Turk ein eher harmloser Vertreter politischer Ibiza-Fraktionen. Dass diese Offenbach’schen Verschwörer komisch und gefährlich sind, wird nicht berücksichtigt. Stattdessen macht der orgelnd tremolierende Vincent Le Texier aus General Boum einen chargierenden Trottel, dessen Auftreten sich aus dem Repertoire überzogener Komödien-Affektiertheit bedient, ohne hintergründig, witzig oder wenigstens lustig zu sein.

Und bei allem Respekt vor der Lebensleistung von Jennifer Larmore: Die altersmilde Generosität ihrer Großherzogin holt weder die unbekümmerte Naivität der von sich selbst überzeugten Potentatin ein, noch ihre pralle erotische Energie. Doch als die Gerolsteinische First Lady dem mit ökologisch korrektem Naturhaar ausgiebig bepelzten Ex-Gefreiten Fritz – dem tenorblassen Dino Lüthy – ihre Sehnsucht nach authentischer Beziehung offenbart, gelingt der Sängerin ein berührender Moment. Offenbach, der Satiriker, der Spötter, der über den Blumen des Frivolen flatternde Schmetterling, kannte das zarte Sentiment: Er war eben auch ein Familienmensch, der den Wert von Zuneigung, Liebe und Treue zu schätzen wusste.

François-Xavier Roth lässt das Gürzenich-Orchester Köln durchaus mit der leichten Phrasierung und den pointierten Noten spielen, die der Musik ihren unverwechselbaren Esprit geben. Er überzieht auch die Tempi nicht in Richtung hastiger Eile. Es dürfte die Akustik des Saals im Staatenhaus sein, die Transparenz, deutliche Konturen in den Bläsern und trennscharfe Bässe behindert. Für die Momente der Parodie, für das aufgeblasene Pathos der Szene mit dem „Säbel vom Papa“, für die lustvoll schaurige Verschwörungsszene bringt Roth die Lust an der sanften, aber wirksamen Übertreibung nicht mit. Die Musik klingt, als sei sie ernst gemeint.

Veranstaltungen rund um den 200. Geburtstag Offenbachs

„Piff-Paff-Puff“: Das Couplet des Generals gibt auch den Events in Köln rund um den 200. Geburtstag von Jacques Offenbach am 20. Juni das Motto. Das Jubiläum stürzt derzeit nicht nur seine Geburtsstadt in einen ausgiebigen Offenbach-Taumel. In Köln sind derzeit in der Volksbühne am Rudolfplatz die beiden durchgeknallten Einakter „Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre“ und „Die Insel Tulipatan“ zu sehen – letztere eine unverständlicherweise lange Zeit unbeachtet gebliebene Persiflage auf vorschnelle Zuordnung von Geschlechtern, ein passendes Thema also zur Gender-Debatte.

Ein Symposion in Köln und Paris widmet sich den Forschungsfragen rund um Offenbachs Biografie und das längst nicht erschöpfend entdeckte und bearbeitete Œuvre des „Mozart der Champs-Elysées“. Bis 27. Juni hat die Kölner Offenbach-Gesellschaft ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt, das unter anderem am 22. und 25. Juni eine Jubiläums-Offenbachiade von Christian von Götz auf der Baustelle des Opernhauses beinhaltet. Über das ganze Jahr werden sich die Veranstaltungen hinziehen, unter anderem mit der Kölner Erstaufführung der satirischen komischen Oper „Barkouf“, in der ein Hund an die Macht kommt, eine Übernahme von der Opéra du Rhin aus Strasbourg.

 

Werner Häußner

 

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