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KÖLN: Helene und Wolfgang Beltracchi auf dem internationalen Philosophiefest phil.COLOGNE

23.06.2024 | Feuilleton

Helene und Wolfgang Beltracchi auf dem internationalen Philosophiefest phil.COLOGNE

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

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Beltracchi in Köln-14.6.24. Für jeden Autogrammjäger hat der Künstler ein nettes Wort oder-gar einen Scherz. Foto: Andrea Matzker

Obwohl an dem Abend des Freitags, dem 14.6.2024, das lang ersehnte Eröffnungsspiel der Europameisterschaft stattfand, und somit ganz Köln Kopf stand, war der rote Saal der Comedia Colonia in der Kölner Südstadt mit seinen 380 Sitzplätzen bereits seit langer Zeit vorher restlos ausverkauft. Kein Wunder! Denn wer wäre derzeit eher prädestiniert dazu unter den internationalen Künstlern, als Wolfgang Beltracchi, wenn es um das Thema „Kunst und Kunstfälschen im Zeitalter der KI“ geht? Zweifelsohne der Meister, der sich auf einzigartige Art und Weise in jeden Maler jeder Epoche einzufühlen vermag und dank seiner Schulung „von der Pike auf“ und seiner lebenslangen Erfahrung auch in dessen Stil malen kann oder, was viele Experten an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, sie sogar noch übertrifft an Können. Insofern ist auch die allgemeine Bezeichnung dieses Genies, nämlich der sogenannte „Kunstfälscher“, ausgesprochen unpassend, denn Beltracchi hat noch nie ein Werk gefälscht oder gar kopiert, was ihm auch viel zu langweilig wäre, sondern er ist der Herausforderung nachgegangen, sich mit einer ganz besonderen Periode des Lebens und Wirkens eines weltbekannten Künstlers, der ihm persönlich auch zusagen und gefallen musste, zu identifizieren und dann in dessen Stil vom ursprünglichen Künstler nicht verwirklichte, aber womöglich angedachte Werke zu produzieren. Somit schloss er quasi Lücken in dessen Gesamtwerk. Das Einzige, was ihm als sogenannte „Fälschung“ vorgeworfen werden konnte, ist, dass er, anstatt die Bilder mit „Beltracchi“ oder einem anderen eigenen Namen zu signieren, die Signatur der berühmten Künstler (außerordentlich gekonnt, so dass es niemandem auffiel und bis heute meist noch nicht auffällt) unter sein Werk setzte. Außerdem wurden Etiketten und Fotos, die eine glaubwürdige Provenienz beweisen sollten, erfunden oder bemüht. Allerdings in solch guter Qualität, dass man erst nach sehr langer Zeit und auch nur durch einen Zufall darauf kam.

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Beltracchi in Köln-14.6.24. mit seiner Biografie Selbstportrait. Foto: Andrea Matzker

Bevor es allerdings zum Hauptthema kam, entlockte der Journalist, Philosoph und Autor René Scheu dem Künstler einige seiner hochinteressanten Ansichten und Einblicke in seine Arbeit sowie seine Einschätzung berühmter Kollegen aus der Vergangenheit und Gegenwart. Von dem so oft angewandten Wort „Aura“ bezüglich eines Kunstwerkes hält er überhaupt nichts. Hingegen die „Handschrift“ des Malers, die er zu lesen versteht, hält er für immens wichtig. Beltracchi ist imstande, innerhalb von 5 Minuten zu sagen, ob es sich um eine Fälschung oder ein Original eines bedeutenden Künstlers handelt. Und auf dem Handy sieht er das genauso gut, als stünde das Original vor ihm. Ihm ist vollkommen unverständlich, wie heute nach ewig langen Untersuchungen großer Experten immer noch nicht festgestellt wird, ob zum Beispiel ein Rechts- oder ein Linkshänder der Autor eines Werkes ist. Er besitzt diese Fähigkeit, er nennt es seinen „genetischen Defekt“, solche Dinge sofort zu sehen, aber auch intellektuell und logisch zu verarbeiten und zu interpretieren. Man muss diese Handschrift erkennen und umsetzen können. Erst dann kann man ein neues Bild in dieser Handschrift malen. Abgesehen davon, dass der Salvator Mundi, der Leonardo zugeschrieben wurde, scheinbar von einem Rechtshänder gemalt wurde, hätte Leonardo zu seiner Zeit eine Glaskugel niemals so gestaltet, wie sie auf dem für 450 Millionen verkauften Bild gemalt wurde. Er hätte sie mit reellen Spiegelungen versehen, und es wäre sicherlich mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, sie überhaupt abzubilden, da zu Leonardos Zeiten die Glaskugel eine ganz besondere Bedeutung hatte. Danach befragt, ob er mit seinem immensen Wissen nicht Superexperte für Kunstwerke sein wolle, lehnte er sofort dankend ab und lachte: „Niemals im Leben!“ Und er fügt hinzu: „Der Experte ist eh nur so gut, wie der Fälscher schlecht ist. Da hatten die bei mir schlechte Karten.“

Kunst hat sich immer entwickelt aus Können und Kennen. Nur wer früh genug Zugang zur richtigen Kunst hat, schafft es, oder nie. Auch muss der Rahmen stimmen, und man muss sich bilden. Die großen Maler fingen bereits mit zehn oder elf Jahren an und lernten täglich, bis sie 20 Jahre alt waren. Beltracchi selbst lernte das Handwerk intensiv bei seinem Vater, der Kirchenmaler und Restaurator war, seit er zwölf Jahre alt war. Dazu studierte er Illustration, Grafik und anatomisches Zeichnen. Bereits mit 16 oder 17 Jahren hatte er seinen Vater in der Perfektion des Malens übertroffen. Nur durch sehr viel eigene Arbeit und Erfahrung wird man zum Künstler, sonst bleibt man lediglich ein Theoretiker. Auch im Museum zu hängen, bedeutet leider nicht immer für ein Gemälde, echte Kunst zu sein. Auf die Frage hin: „Wie schafft man es in ein Museum?“, bietet Beltracchi drei Möglichkeiten:

  1. Einbrechen,
  2. den Museumsdirektor bestechen,
  3. den Galeristen und den Museumsdirektor bestechen (der ganze Saal lacht schallend, wie sowieso des Öfteren während dieser zwar sehr ernsten, aber doch äußerst humorvollen Diskussion).

Seine Handschrift macht den Künstler unverwechselbar, aber sie kann sich auch ändern. Beltracchi: „Ich bin eine multiple Person, das ist manchmal schwierig, meine Frau (die in der ersten Reihe sitzt) kann das bezeugen. Aber in der Kunst ist es praktisch.“ Er wiederholt sich nie und schafft immer Neues. „Fontana hat zehn Jahre lang Leinwände aufgeschlitzt – schade um die Leinwände; er wiederholte sich.“ Er fährt fort: „Heute gibt es mehr Künstler als in den gesamten 2000 Jahren der Kunst vorher. Viele schaffen ihre Werke aus dem absoluten Unvermögen heraus. Das ist für mich keine Kunst, sondern gewünschte Kunst, ich nenne es Wunst. Auf dem Kunstmarkt sind zu viele Kunstwerke, zu viele Kunstschaffende, und alles ist viel zu teuer. Das kommt einer künstlerischen Deflation gleich. Ein großer Maler hinterlässt als Lebenswerk normalerweise 300 bis 500 Werke. Aber heute malt ein Künstler Tausende von Bildern. Der Markt schafft das so lange, wie es Idioten gibt, die es kaufen. Aus Unvermögen etwas heraus etwas zu schaffen, was man nicht kann, und ich mache es trotzdem: Wie fühle ich mich dann? Das ist kein gutes Selbstwertgefühl!“

Beltracchi wird gebeten, einige berühmte Kollegen in ihrem künstlerischen Vermögen zu beurteilen auf einer Rangliste von 0 bis 10:

Leonardo: Als Maler 5, denn Bellini, Tizian und Raffael malten besser als er. Welches Bild hat er je vollendet? Und in die Basilika wurde er auch nicht als Maler geladen. Als Zeichner allerdings 9-10.

Dürer: 6-7.

Rembrandt: 10 wegen seiner Kreativität, für das 17. Jahrhundert war er sehr modern und risikobereit, nur konnte er keine Pferde malen.

Gauguin: Mindestens 8.

Picasso: 10, er war sehr vielfältig und hat sich oft verändert.

Gerhard Richter: 8.

Jeff Koons und Damien Hirst: Beide 0. René Scheu fragt: „Auch unter 0?“ Beltracchi antwortet lachend: „Ich wusste nicht, dass es auch -0 in der Wertung gibt.“

Zu seinen Ansichten in Bezug auf die Künstliche Intelligenz gefragt, meint er: „Der KI-Entwurf eines Beckmann hat nicht annähernd etwas mit Beckmann zu tun. Mit der Malerei hat er es halt nicht, der Computer! Anders bei der Grafik, die Grafikdesigner könnten bald arbeitslos werden. Es ist positiv zu bewerten, dass neue Techniken und neue technische Unterstützungen geboten werden. Ein Computer kann keine Handschrift in der entsprechenden Zeit umsetzen. Er sieht nicht die Zeit, in der ein Kunstwerk entsteht. Computer können keine Emotionen wiedergeben und auch keine Probleme lösen. Ich negiere diese Kunst nicht, denn jeder, der kreativ ist, ist wichtig.“

Auf die Frage nach seinem Lebensmotto antwortet er: „Dein Leben ist dein Gesamtkunstwerk.“ Und zum Abschluss der Veranstaltung nach seinem Wunsch zur Vollendung dieses Gesamtkunstwerks befragt, sagt er direkt und strahlend: „Ein Enkelkind, aber ich kriege bald eins!“

Die anderthalb Stunden waren wie im Flug vergangen, im Publikum befanden sich auch der Philosoph Markus Gabriel und die Journalistin Sonia Mikich. Die 50 Bücher mit dem Titel „Selbstportrait“, die ein Kölner Buchhändler mitgebracht hatte, waren leider in wenigen Sekunden vergriffen. Im Anschluss standen Helene und Wolfgang Beltracchi den vielen interessierten und begeisterten Zuhörern noch über eineinhalb Stunden zur Verfügung, gaben Autogramme und signierten die neu erworbenen oder mitgebrachten Bücher. Wolfgang Beltracchi nahm sich für jeden Zeit, hatte für jeden irgendwelche interessanten Informationen und Scherze auf Lager und malte bei jeder einzelnen Widmung eine zum jeweiligen Fan passende kleine Zeichnung ins Buch.

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Beltracchi in Köln-14.6.24. Helene und Wolfgang Beltracchi beim-Signieren ihrer Biografie. Foto: Andrea Matzker

beltracchi in köln 14.6.24 der künstler signiert jedes buch mit einer persönlichen zeichnung foto andrea matzker p5570709
Beltracchi in Köln-14.6.24. . Er signiert jedes Buch, auch mit persönlichen Zeichnungen. Foto: Andrea Matzker

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Beltracchi in Köln-14.6.24.. Widmung mit Vogel.

Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

 

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