KÖLN: DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
Wiederaufnahme am 20. November 2016 (Premiere am 16. Juni 2005)
Es gibt Stellen in der Musik von Leos Janacek, da ist man dem Himmel ganz nahe. Auch im „Schlauen Füchslein“ sind sie zu erleben und geben Anlass, über den heute teilweise widernatürlichen und ausbeuterischen Umgang mit der Natur nachzudenken. Andererseits hat man dankbar dafür zu sein, dass die von TORSTEN FISCHER stammende Inszenierung von 2005 darauf verzichtet, das letztlich doch märchenhafte Werk mit überkluger Akzentuierung zu beschweren. Eine noch ältere Produktion durch Harry Kupfer ließ ihren heiklen Zungenschlag bereits in der Übersetzung erkennen. Heißt es in der (jetzt wieder benutzten) Max-Brod-Übersetzung an einer Stelle „Ein Haus hat er, dass drinnen drei Plätze fänden“, veränderte Hans Hartleb zu „Schimpft nur, lebst in deinem großen Haus allein wie ein Kapitalist.“ Die einstige Vorzeige-Regie von Walter Felsenstein (1956) hat sich in ihrer naturalistischen Verbissenheit gleichfalls überlebt.
Die Entscheidung von Torsten Fischer, welche vermutlich auch andere gegenwärtige Inszenierungen bestimmt, hat viel Plausibilität für sich: fantasievoll stilisierte Tierkostüme (UTE LINDENBERG), bei denen sehr ausdrucksvolle Kopfmasken die Gesichter der Sänger nicht verdecken. Tierisch auch die Grundbewegungen der Akteure, doch ohne falschen „Kopier“effekt. Auch wenn akkurate Erinnerungen an die Originalpremiere nicht mehr vorhanden sind: die Neueinstudierung von LAUREN SCHUBBE, über deren Bedingungen nur Vages zu erfahren war, hat bei aller Lebendigkeit teilweise etwas Gestelztes. Nun wirken Kinder auf der Bühne (jetzt solche des KÖLNER DOMCHORES) darstellerisch meist etwas vordergründig niedlich und vokal naja. Aber das akzeptiert man, und der Premierenbeifall zeigte, dass guter Wille für die Tat genommen wurde.
Ein Wort zu Torsten Fischer. Unter der Intendanz von Günter Krämer war er von 1990-1995 Oberspielleiter des Kölner Schauspiels, dann bis 2002 Direktor. Wie Krämer arbeitete er aber auch im Bereich der Oper. Sein Kölner „Figaro“ machte übrigens mit der damals noch lyrisch Nina Stemme bekannt, Fischers breit gestreute Karriere setzt sich bis heute fort, bei Schauspiel häufig am Berliner Renaissance-Theater. Wien kennt ihn durch Arbeiten an der Volksoper. Er erhielt u.a. den österreichischen Musiktheaterpreis Goldener Schikaneder als bester Regisseur des Jahres 2012 für die Gluck-Oper „Telemaco“ am Theater an der Wien.
Wie bereits gesagt: Fischers „Füchslein“ ist keine Tier-.Doku und auch keine „Sommernachtstraum“-Idylle. HERBERT SCHÄFER bietet lediglich ein nach vorne abfallendes Bühnenplateau mit Bodenluken für diverse Auftritte. Sparsam eingesetzte Vorhänge, Baumstamm-Soffitten und Projetionen von Wolken und Mond im Hintergrund. Für Naturatmosphäre sorgt nicht unwesentlich das Licht von NICOL HUNGSBERG. Die Regie gibt sich choreografisch natürlich, frei von Klischees. Euphorische Momente wie die Hochzeit des Fuchspaares gerieten jetzt vielleicht etwas dezent. Insgesamt jedoch eine gut ausbalancierte und stimmungssichere Aufführung. Sehr deutlich wird die imaginative Identität von Füchslein Schlaukopf und der attraktiven, allseits geliebten Zigeunerin Terynka.
Die subtile Atmosphäre von Janaceks Musik wird vom GÜRZENICH-ORCHESTER unter ARNE WILLIMCZIK (Studienleiter am Haus und erst kürzlich verantwortlich für Udo Zimmermanns „Die weiße Rose“) klangsensibel eingefangen. Es gibt viele fast schon anonym zu nennende Kleinpartien, darum auch nur eine bloße Interpretenaufzählung in der Reihenfolge des Programmzettels: JUDITH THIELSEN (Försterin), ALEXANDER FEDIN (Schulmeister/Mücke), TIJL FAVEYTS (Pfarrer/Dachs), RALF RACHBAUER (Gastwirt/Dackel), SARA JO BENOOT (Gastwirtin), MARIA ISABEL SEGARRA (Hahn/Specht) und MARIA KUBLASHVILI (Schopfhenne/Eichelhäher).
Das „fuchsige“ Liebespaar gestalten IVANA RUSKO und REBECCA JO LOEB, schönstimmig und lebendig im Spiel. Mit dem Förster kehrt SCOTT HENDRICKS wieder einmal an sein ehemaliges Stammhaus zurück. Er ist ein dezidiert italienischer Bariton (in Köln zuletzt Michele/Schicchi und Jago). Bei Janacek wirkt er (auch wegen leichter Sprachakzente) nicht so ganz so rollenheimisch. Aber bühnenpräsent ist sein baritonkerniger Förster allemal. Als Landstreicher Harasta erlebt MATTHIAS HOFFMANN (Opernstudio) besondere Sympathien des Publikums für seine rasanten Bühnenauftritte: ein junger Wilder, dessen männliche Attraktivität Terynkas Zuwendung nur allzu gut verstehen lässt. Bei Konkurrenz durch einen so einem fetzigen Kerl haben der vertrocknete Schulmeister, aber auch der noch vitale Förster keinerlei Chancen. Das stimmpotente Porträt Hoffmanns könnte allenfalls ein stärkeres Quentchen Anarchie besitzen, was vor elf Jahren bei Samuel Youn so stark wirkte.
Christoph Zimmermann