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KÖLN: Chilly Gonzales bei Weltstars auf dem Roncalliplatz 2024

26.07.2024 | Konzert/Liederabende

Chilly Gonzales bei Weltstars auf dem Roncalliplatz 2024 am 25.7.2024

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

     „Ein Konzert ohne Zuhörer ist kein Konzert.“

                                                                    Zitat von Chilly Gonzales

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Abendbeleutung zum Ende des Konzerts am Kölner Dom. Foto: Andrea Matzker

Bei seinem ersten Kölner Konzert im Studio 672 des Stadtgartens spielte er vor 14 Seelen, wie er selbst während des Konzerts erzählt. Nun, am 25. Juli 2024, waren es ungefähr 3000 Begeisterte auf dem Roncalliplatz. Gegen 21:00 Uhr fielen ein paar Regentropfen, doch der Himmel überlegte es sich – Gott sei Dank – anders. Bei Traumwetter, den ab und zu läutenden Domglocken und unter kreisenden Domfalken, die fast genau zum Takt der Musik ihre Laute hören ließen, gab es ganze zwei Stunden lang ein konzentriertes Konzert der Superlative.

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Das Publikum vor dem Kölner Dom – auf Stehplätzen und auf der Tribüne. Foto: Andrea Matzker

Nach ruhigen, meditativen und unaufgeregten, zeitweise an Erik Satie erinnernden Stücken zum Einklang steigerte sich das Konzert unaufhörlich bis zum fulminanten Höhepunkt am Ende. Charmant spricht der Künstler, der 1972 in Montreal geboren wurde, über seine Versuche mit der deutschen Sprache und nimmt dabei ein Buch zu Hilfe. Er erzählt von einer „Schnapsidee“ und seinem neuen deutschen Song „I.C.E.“, seiner Hommage an Deutschland mit all seinen Vor- und Nachteilen. Inzwischen lebt er seit zwölf Jahren in Köln und hat sich mit den meisten Eigenheiten angefreundet.

Wie für ihn üblich, und von seinem Publikum nicht anders erwartet, tritt er im seidenen Morgenmantel, diesmal in Schwarz, mit Pantoffeln auf. Dementsprechend stellt er auch eine weitere neuen Komposition vor: „Opening the Kimono“. Er zeigt das Offenlegen der eigenen Seele und das Zeigen von unserem Wesen, wie wir wirklich sind. Ganz „ofenfrisch“ gibt es auch diesen Song auf seinem neuen Album mit dem Titel „Gonzo“, das am 13. September 2024 erscheint.

Das Einzige, das ihm an Köln missfällt, ist die Existenz einer Straße mit dem Namen Richard Wagners. Er selbst besuchte schon in jungen Jahren mit seinem Vater sämtliche Wagner-Opern, die er auch sehr schätzt. Gegen den Komponisten an sich hat er ja auch nichts, ganz im Gegenteil. Aber man müsse die Kunst von dem Künstler unterscheiden, denn er war bekennender Antisemit. Und damit ist Gonzales oder, wie ihn seine Freunde nennen, „Gonzo“ definitiv nicht einverstanden. Aus diesem Grunde schlägt er vor, die Richard-Wagner-Straße in Köln umzubenennen.

Diese Ehre gebühre einer anderen großen Musikerin, die ebenso Köln zu ihrer Wahlheimat gemacht hatte, bevor sie leider kürzlich verstarb: Tina Turner. Mittels seiner Online-Petition hat er bereits fast 15.000 Unterschriften für dieses Vorhaben gesammelt. Zufall oder nicht, dass dieser Aufruf haargenau parallel zur feierlichen Eröffnung der Bayreuther Festspiele stattfindet? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Musikalisch manifestiert sich seine Ansicht jedenfalls ausgesprochen vehement und klanggewaltig betont von Paukenschlägen im neuen Song mit dem Titel „F*ck Wagner“, der ebenso auf dem neuen Album „Gonzo“ zu hören ist. 

Gefühlvoll und zart wird das Andenken Tina Turners untermalt von der hinreißenden Darbietung des ewigen Hits „Private Dancer“ der ebenfalls kanadischen Sängerin, Komponistin und Performance-Künstlerin Peaches. Außer Tina Turner selbst hat es wahrscheinlich niemand jemals so gekonnt interpretiert. Sie trat in einem auffallenden, knallrot leuchtenden Gewand auf, wie ein Liebesbeweis, und verließ die Bühne erst, nachdem sie von einem kleinen Mädchen, das ein Straßenschild mit der Aufschrift „Tina-Turner-Straße“ trug, abgeholt wurde.

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Chilly Gonzalez vor dem Kölner Dom. Foto: Andrea Matzker

Bei Chilly Gonzalez langweilt man sich nicht eine einzige Sekunde lang. Dementsprechend ist das Publikum auch hochgestimmt, lacht und jubelt. Der Künstler überrascht mit dem Verbinden verschiedenster Genres, wie Klassik, Blues, Jazz, Rock, Pop und Rap (mit geistreichem Wortwitz und viel Selbstironie) und Emotionen, alles dargeboten mit dem ihm eigenen unbestreitbaren Können, seiner Virtuosität und seiner Persönlichkeit. Ihm und seiner hervorragenden Band macht es einfach Spaß, Musik zu machen. Er involviert sein Publikum, indem er mit ihm spricht, es zum Singen bringt und zum Tanzen animiert. Die zwei Stunden vergehen wie im Flug.

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Surfing the Crowd über den gesamten Platz. Foto: Andrea Matzker

Seinen kanadischen Landsmann Bryan Adams ehrt er, indem er dessen Song „Summer of 69“ am Flügel begleitet, und mit „Never Stop“ spricht er sicherlich dem gesamten Publikum aus dem Herzen, wirft sich aber, ganz „Surfing the Crowd“, noch überraschend und singend in die Menge, durch die er über den gesamten Platz getragen wird, bevor er sich gekonnt auf die Bühne zurückschwingt, dort mehrere Purzelbäume schlägt und die Füße in die Luft streckt, sodass man seine Pantoffeln deutlich sieht. Ein traumhafter und schwungvoller Abend geht zu Ende, leider ohne das Signieren von Schallplatten und CDs, aber das liegt wohl auch an den strengen Regeln im Schatten des Doms.

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Chilly Gonzalez vor dem Kölner Dom. Foto: Andrea Matzker

Unbedingt hervorzuheben ist die ausgesprochen hervorragende Organisation des Konzertes! Neben geordnetem Einlass, aufmerksamer Aufsicht und funktionierender Gastronomie war zum Beispiel für etwa fünfzehn Rollstuhlfahrer extra eine Bühne mit Rampe in der Nähe der Konzertbühne aufgebaut worden, wo eine ganz zauberhafte und im Notfall auch resolute Ordnungshüterin mit dem wunderschönen Namen Diana umsichtig und freundlich den ganzen Abend lang ihres Amtes waltete und viele Besucher am Ende noch hinausbegleitete, bevor der gesamte Platz blitzartig geräumt wurde.

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Chilly Gonzalez vor dem Kölner Dom. Foto: Andrea Matzker

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Die Anwohner auf dem Roncalliplatz beobachteten das Konzet von ihren Fenstern aus. Foto: Andrea Matzker

 

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