Klosterneuburg/Kaiserhof des Stifts: : 08.07.2023 „DON CARLO“. Premiere
Karina Flores, Günther Groissböck.Foto: operklosterneuburg/ Lukas Beck
Die Intendanz der „Oper Klosterneuburg“ bietet seit Jahren hochkarätige Aufführungen auch schwierig zu inszenierender Werke. Heuer hat man Verdis „Don Carlo“ gewählt, eine Oper, die nur mit großen Anstrengungen auf die Bühne zu stellen ist. Ein Glücksfall war, den derzeit wohl besten Bassisten der Opernszene, Günther Groissböck nicht nur als Philipp, sondern auch als Regisseur gewinnen zu können. Seine Erfahrung mit Regiekonzepten auf der ganzen Welt waren wohl ausschlaggebend, dass man vor riskanten Umdeutungen und Zeitverschiebungen (das Werk könnte am Hof von Ponteverdro im 22. Jahrhundert spielen, und König Philipp als Gartenzwerg beim missglückten Pflanzen von Radieschen – „Sie haben mich nie geliebt“) verschont bleiben würde.
Dem Bühnenbild im Stiftshof sind natürliche Grenzen gesetzt, aber der Bühnenbildner Hans Kudlich schaffte es (mit einer Ausnahme, der Autodafe-Szene), Mauerteile und Treppenelemente geschickt für alle Anforderungen zu positionieren. Groissböck bemühte sich erfolgreich, Stehtheater und Rampengesänge zu vermeiden, bisweilen war es erfrischend, Aktreure auch im Lauftempo über die Bühne hetzen zu sehen. Auch die Personenführung war gut, man beschränkte sich auf eine kleine Anzahl gerungener Hände.
Die Kostüme von Andrea Hölzl passten wunderbar, Jeans und Handys vermisste man überhaupt nicht.
Günther Groissböck, Thomas Weinhappl. Foto: operklosterneuburg/Lukas Beck
Musikalisch war die Aufführung weitgehend hochklassig. Christoph Campestrini leitete ein kompetent aufspielendes Orchester (Beethoven Philharmonie) mit viel Übersicht. Diese kam nur im erwähnten Autodafe-Bild etwas ins Wanken, als Orchester und Chor leichte Koordinationsprobleme hatten. Von den Solisten ist natürlich zuallererst Günther Groissböck als Philipp zu nennen. Sein profunder Bass war phänomenal präsent in allen Lagen, die große Arie gelang ihm bestens, auch das Duett mit dem Großinquisitor (ausgezeichnet Matheus Franca) war ein Ereignis. Erstmals wurde der König nicht als alter Mann dargestellt, sondern als mitten im Leben stehender agiler Herrscher, der mit Temperament und Beweglichkeit glänzte. Karina Flores als Elisabeth war wie schon vor zwei Jahren in „Macht des Schicksals) eine wunderschön leidende und singende Heldin, die mit berührenden Piani und kraftvollen Ausbrüchen aufwarten konnte. Margarita Gritskova sang die Eboli mit viel Kraft und Leidenschaft, die Mittellage war nicht ganz ihrem sonstigen Können entsprechend. Thomas Weinhappl war als Posa etwas problematisch besetzt. Sein kerniger Bariton weist ein leichtes Vibrato auf, das vor allem in lyrischen Momenten störend wirkt. Man denkt an Eberhard Wächter in späten Jahren. Eine große Überraschung bot das Auftreten von Arthur Espiritu in der Titelrolle. Der hierzulande nicht eben bekannte Tenor sang der Carlo mit viel Schmelz, Kraft und bobensicherer Höhe, ohne mit der Stimme zu protzen, wo es ihm mögliich gewesen wäre. Das schöne Timbre macht ihn besonders wertvoll für das homogene Ensemble.
Das Wetter war gut, das Publikum etwas erschöpft, sodass der Schlussapplaus nicht so überschwänglich ausgefallen ist, wie man es nach diesem Abend erwarten müsste. Oper Klosterneuburg hat auch heuer wieder gezeigt, welche Qualität man bieten kann, wenn so viele engagierte Mitarbeiter wie hier am Werk sind.
Johannes Marksteiner