Österreichs Weltstar Günther Groissböck schuf Opern-Wunder Oper Klosterneuburg mit Verdis sensationellem „Don Carlo“
ZUSATZVORSTELLUNG 6. August 2023
Unglaublich, was Mozarts Zauberflöte langfristig ermöglichte: Vor 20 Jahren sang der aus Waidhofen an der Ybbs stammende Bassist Günther Groissböck im Rahmen der Oper Klosterneuburg den Sarastro als deutlichen Karrieresprung. Nun kehrte der inzwischen zum Weltstar gereifte vielseitige Menschendarsteller dank des Geschickes von Intendant Michael Garschall anlässlich dessen 25. Produktion in den Kaiserhof des Stiftes zurück, um an der Spitze eines grandiosen Ensembles nicht nur als überragender König Philipp, sondern auch als Regisseur in die Welt Giuseppe Verdis und auch ein wenig in jene Friedrich von Schillers zu führen.
Garschall, Groissböck und Maestro Christoph Campestrini, der aufgrund der vieraktigen Mailänder Fassung (ohne Fontainbleau-Vorspann) im große Gesten und intime Atmosphäre klug aufeinander abgestimmten Bühnenbild von Hans Kudlich und den mit der Kulisse harmonisierenden Kostümen von Andrea Hölzl einen dramaturgischen Rahmen schuf, gelang ein Opernereignis der Extraklasse. In dessen Mittelpunkt stand schon bei den öffentlichen Proben Günther Groissböck, der als primus inter pares seine Kolleginnen und Kollegen sowie primär sich selbst als Philipp II zu absoluter Höchstform geleitete.
Philipp leidet optisch und stimmlich doppelt: einerseits unter der mangelnden Liebe seiner Frau Elisabetta, andererseits durch den Primat der durch den Großinquisitor beängstigend dargestellten kirchlichen Autorität. Das dunkle Kostüm Elisabettas ist ebenso aussagekräftig wie der grellrote Umhang des geistlichen Diktators.
Doch Groissböck ist als Philipp II an diesem Klosterneuburger Abend keineswegs alleine. Da ist zunächst Thomas Weinhappl zu nennen. Er glänzt durch seine immer wieder aus Vorsicht eingebremste stattliche Erscheinung und vor allem durch seine baritonale Aussagekraft, die nun nach seinem Badener Escamillo den absoluten Gefühlsausdruck blendend meistert. Arthur Espiritu ist als eher klein gewachsener Titelheld Don Carlo stimmlich kraftvoll-flexibel und muss sich neben den Superstars mit bescheidenerer Präsenz zufriedengeben. Matheus França ist ein hemmungslos Respekt heischender Großinquisitor, die Auseinandersetzung mit Philipp der musikdramatische Höhepunkt für den Diktator.
Die beiden weiblichen Kontrahentinnen stehen ihren männlichen Kollegen an stimmlicher und darstellerischer Präsenz nicht nach. Karina Flores setzt ihren nuancierend genützten Sopran nahezu artistisch ein, darstellerisch hat sie es gegen ihre mit kräftigem Mezzo aufwartende Rivalin Prinzessin Eboli von Margarita Gritskova nicht leicht. Beniamin Pop darf als Mönch und als etwas salopp auftretender Karl V erscheinen, als Tebaldo und Stimme vom Himmel glänzt Florina Ilie. Florian Machold und Ferdinand von Plettenberg ergänzen das Solisten-Ensemble.
Die Beethoven-Philharmonie und der Chor der Oper Klosterneuburg (Einstudierung Michael Schneider) bieten unter dem versierten Christoph Campestrini den feinsinnig nuancierten Klangteppich für die Sänger.
Nach dem Genuss dieses Opernabends dürfen wie noch einen Gedanken anbringen: Unserem Gefühl nach ist dem Regisseur Groissböck zum oben Gesagten noch etwas gelungen: Er hat die Verbindung des Erfinders auch von Verdis Charakteren und seiner Librettisten Joseph Méry und Camille du Locle zum eigentlichen Schöpfer des Dramas perfektioniert. Wir meinen Friedrich von Schiller, ohne den es dieses Meisterwerk der Opernliteratur nicht gäbe.
I.R.