Eröffnungskonzert des Rheingau Musikfestivals im Kloster Eberbach via 3sat am 6. Juli 2024/ELTVILLE AM RHEIN
Temperamentvoll mit slawischen Klängen
Ein rein tschechisches Programm präsentierte das hr-Sinfonieorchester unter der inspirierenden Leitung von Alain Altinoglu im Kloster Eberbach. Auch das seltener zu hörende Violinkonzert in a-Moll op. 53 von Antonin Dvorak profitierte in der glutvollen Wiedergabe durch den Geiger Christian Tetzlaff von der monumentalen Akustik des Klosters. Dieses im Jahre 1879 komponierte Konzert nimmt einen verdienten Ehrenplatz bei Solisten und Publikum ein. Temperamentvoll vereinte es auch bei diesem Eröffnungskonzert solistische Bravour mit slawischen Klängen und schöner Melodienfülle. Der erste Satz, Allegro ma non troppo, kreiste vorwiegend um die Stimmungsgegensätze des einprägsamen Hauptthemas, was der Solist und das Orchester sehr gut herausarbeiteten. Schier unerschöpflich erschienen die Rhythmen und Melodien. Und die knappe Improvisation mündete ohne Umschweife in das Adagio ma non troppo, wo die innige Einfalt böhmischer Volksweisen dem Gefühlsreichtum nicht im Weg stand.
Der Dirigent Alain Altinoglu unterstützte den Solisten Christian Tetzlaff auch beim rasant musizierten Rondo-Finale vortrefflich. Dieses Allegro giocoso man non troppo spielte überaus ausgelassen mit slawischen Tänzen wie Furiant und Dumka. Sie ergänzten sich in wirkungsvollem Gegensatz. Als Zugabe musizierte Christian Tetzlaff noch ergreifend und fließend das Largo aus der Violinsonate Nr. 3 in C-Dur BWV 1005 von Johann Sebastian Bach. Von Bedrich Smetana erklangen anschließend vier Sätze aus dem symphonischen Zyklus „Mein Vaterland“, wo die thematischen Beziehungen und Anspielungen zusammengehalten wurden. Sehr durchsichtig und transparent wurde sogleich die ersten symphonische Dichtung „Vysehrad“ interpretiert, wo die Harfe des Sängers Lumir auf dem stolzen Vysehrad erklang, dem Sitz der böhmischen Fürsten und Könige. Wilde Kämpfe kamen – und mit ihnen verblasste die Pracht des Vysehrad. Die Harfe des Sängers tönte geheimnisvoll in der Lento-Einleitung. Ihre schwermütige Weise weitete sich zur feierlichen Größe des Vysehrad-Motivs, das zu begeistertem Triumph anschwoll. Kampflärm rückte heran, heftig wogte die Schlacht, wie das entstellte Motiv offenbarte. Lumirs Harfenklänge klangen im abschließenden Motiv umso herrlicher, was das hr-Sinfonieorchester unter Alain Altinoglu unterstrich. Sehr stimmungsvoll musizierte das hr-Sinfonieorchester auch die berühmte „Moldau“, deren Melodie hier immer breiter und bewegender dahinströmte. Aus den mächtigen Uferwäldern des Flusses tönten Hörner und Trompeten. Auch die reizvoll gestaltete Bauernhochzeit kam nicht zu kurz, die mit übermütigem Polkatanz am Ufer vorbeizog. Ein Idyll mit einer milden Streichermelodie über leise wogenden Klarinettenfiguren begleitete dann tanzende Nymphen. Wirbelnd jagten und drängten sich die Motive schließlich beim Sturmgewitter und stoben in schäumendem Gischt auseinander. Zuletzt strömte die Moldau in strahlender Majestät und hymnischem Glanz dahin. Sehr gut gelang dem hr-Sinfonieorchester auch das leidenschaftlich gestaltete Poem „Sarka“, wo eine legendäre Amazone geschildert wird, die sich an ihrem untreuen Liebhaber rächt. Diese tschechische Version des Penthesilea-Mythos begeisterte hier als schmetterndes Furioso, das an Franz Liszt erinnerte. Ausgezeichnet war zuletzt die höchst melodiös gestaltete Wiedergabe von „Aus Böhmens Hain und Flur“, wo die reiche und gesegnete Schönheit der Heimat in den begeisterten Klängen der Einleitung geschildert wurde, in der die Blechbläser wieder die Erinnerung an Vysehrad wachriefen. Dann verhallte das von echter Ergriffenheit erfüllte Loblied auf die Heimat, und die Klarinetten verkündeten berührend die Heimatliebe Smetanas. Die gleiche innige Empfindung erklang beseelt in einer Oboen-Melodie. Ein erfrischend gespieltes Streicher-Fugato entführte die Zuhörer dann in den Wald – aus der Ferne ertönten facettenreich Hörner und Klarinetten. Eine urwüchsige Polka behauptete sich plötzlich mit derbem Frohsinn. Jubelnd erstrahlte zuletzt das majestätische Vysehrad-Motiv.
Jubel und viel Applaus für das hr-Sinfonieorchester unter Altinoglu.
Alexander Walther