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KLAGENFURT/Stadttheater: „TRISTAN UND ISOLDE“ – Leider schon Dernière!

27.10.2025 | Oper in Österreich

KLAGENFURT/Stadttheater: „TRISTAN UND ISOLDE“ (25.10.2025). Leider schon Dernière!

klj
Copyright: Stadttheater Klagenfurt

3 Tage lang ist diese Aufführung schon her, und immer noch klingt sie mir in den Ohren und steht mir vor Augen. Was für eine Leistung dieses Opernhauses!

Nach dem „Ring“ hat das Stadttheater Klagenfurt sich über „Tristan und Isolde“ getraut und eine zutiefst beeindruckende Produktion auf die Beine gestellt, von der ich leider nur die letzte Vorstellung erlebt habe.

Es war zum einen Teil die ganz erstaunliche Leistung des Kärntner Sinfonieorchesters unter der musikalischen Leitung seines nunmehrigen Chefdirigenten Chin-Chao Lin – ein junger Dirigent und viele junge Orchestermusiker, alle von hoher Qualität. Ein gegenüber Wien naturgemäß zarterer Klang, so waren (so ich dies von meinem Seitenplatz richtig gesehen habe) nur vier Celli und 2 Kontrabässe eingesetzt, und die Streicher insgesamt weniger dominierend, als dies im großen Wiener Orchestergraben möglich ist. Aber dennoch ein wunderschöner, transparenter und wahrscheinlich auch authentischer Klang. Zurecht wurde die Spielerin des Englischhorns zum Schlussapplaus auf die Bühne gebeten (und ist im Programm namentlich genannt, Angelika Neuwirth-Joham). Chin-Chao Lin hat offenbar großartige Probenarbeit geleistet, und in der letzten Vorstellung der Serie spielte das Orchester tadellos. Ein von Anfang bis Ende packendes Dirigat, das die leisen, melancholischen Momente der Oper ebenso zum Klangerlebnis machte wie die rauschhaften Fortissimi, wobei der Dirigent gleichzeitig stets sehr sängerfreundlich agiert, und auch souverän rasche Reaktion zeigte, als er den einzigen kurzen Wackelkontakt des Abends (im ersten Aufzug der sonst sehr gute Herrenchor und Herrenextrachor) sofort einfing.

Und welch gute Sänger und vorallem Sängerinnen! Katherine Broderick, eine Engländerin, ist sängerisch wie darstellerisch als Isolde hervorragend. Ein wunderschöner, jubelnder Sopran ohne jedes störende Vibrato, mit herrlichen Piani und überragenden Höhen, und einem unendlichen Durchhaltevermögen – ihre Isolde wirkte mühelos. Schade, dass ihre Auftritte rar sind, für die nächsten Monate steht laut Operabase vorallem die Opera North mit Auftritten in England auf ihrem Programm. Hervorragend auch Melissa Zgouridi, eine gebürtige Kalifornierin, die auch am Mozarteum Salzburg studiert hat. Sie verfügt über einen wunderbaren, sicheren Mezzo mit profunder Tiefe, und auch ihre Brangäne klang durchwegs so, als wäre die Partie sehr einfach zu singen. Sie kann man demnächst als Cornelia (Giulio Cesare in Egitto) im Salzburger Landestheater (wieder) erleben.

Beiden Sängerinnen auch ein großes Kompliment für das völlig akzentfreie Deutsch und für die besondere Wortdeutlichkeit, die über weite Strecken die Übertitelung überflüssig machte.

Eric Caves‘ Tristan merkte man die Schwere der Rolle mehr an als den beiden Damen, aber insbesondere der 3. Aufzug mit den Fieberträumen gelang ihm darstellerisch wie sängerisch imposant.

Friedemann Röhlig war ein stimmschöner, fesselnder König Marke, dessen Monolog von der Regie hervorragend unterstützt wurde, und der den tiefen Kummer des Königs ohne jegliche Larmoyanz und äußerst berührend gestaltete. Auch Birger Radde als Kurwenal war eine reine Freude, ein junger Sänger (der schon den Wozzeck an der Wiener Staatsoper gesungen hat) mit einem bemerkenswert schön timbrierten Bariton, und mit großer Bühnenpräsenz. Demnächst Orest in Metz, oder im Juni als Gunther in Budapest zu hören.

Sänger, die ich mir merken werde!

Tadellos auch Thomas Paul als Melot, David Jagodic (als mönchischer Hirte und junge Stimme eines Seemanns) und Dariusz Perczak (Steuermann).

Zum zweiten Teil war es Regie (Intendant Aron Stiehl, der zum Schlussapplaus auf die Bühne kam, um Orchester und Sängern sowie dem ganzen Team in äußerst netten Worten zu danken und Lob auszusprechen), in Verbindung mit dem wunderbar schlichten und wandlungsfähigen dazu fabelhaft beleuchteten Bühnenbild (Bühne: Thomas Stingl, Licht: Walter König) und guten Kostümen (Bettina Breitenecker), die diesen Opernabend zu einem herausragenden machten.

Klagenfurt hat eine Inszenierung, die einerseits die vielen menschlichen Aspekte und Interaktionen dieser Oper sehr klug und nachvollziehbar darstellte, aber auch die kosmische Dimension des Liebesthemas in großartigen Bildern darstellt.

Packendes Schauspiel sind die Interaktion der Frauen mit den übergriffigen Männern am Schiff, dann die Auseinandersetzung von Tristan und Isolde (die den Splitter von Morolds Schwert um den Hals trägt) noch in einem metallenen Schiffsraum mit (sängerfreundlicher) Decke – mit dem Liebestrank verschwindet die Decke. Die Spiegelung eines strahlend blauen Himmels auf dem Meer beleuchtet die Liebenden – sodann grelles Licht auf die beiden und auf den ganzen Zuschauerraum beim Auftritt von König Marke.

Im zweiten Aufzug wandeln sich durch die Drehbühne die silberfarbenen Mauern mit Wellenmustern in Projektionsflächen für den dunklen Sternennachthimmel und ein Weltall im Liebesduett, an denen Tristan und Isolde sich aufeinander hinbewegen, sich stützen und sich nur ganz langsam näher kommen. Während der Brangäne-Rufe verschwinden sie hinter den Mauern, um dann zuletzt auf Isoldes Mantel Platz zu nehmen.

Welch ein Unterschied zu dem entsetzlich banalen Konzept des möbelzerschlagenden Tristans, das Wien derzeit zu bieten hat!

Wenn Melot und Marke auf die Bühne kommen, wird derselbe grelle Lichteffekt auf Zuschauerraum und auf der Bühne verwendet, wie beim ersten Marke-Auftritt.

Auch die Idee der Regie, dass die beiden treuen Charaktere Kurwenal und Brangäne mittlerweile zueinander gefunden haben, und mit großer Anteilnahme gemeinsam den Monolog des König Marke mitverfolgen und schon fast aufklären, was es mit dem Verrat von Tristan und Isolde auf sich hat, ist überaus stimmig (und macht die Verzweiflung und die Vorwürfe Kurwenals im dritten Aufzug gegenüber Brangäne noch tiefer). Wunderbar auch im zweiten Aufzug die Personenführung Tristan/ Isolde gegenüber Marke. Die Schuldgefühle, die Wagner hier komponiert hat, werden auch höchst überzeugend dargestellt. Für mich besonders aufwühlend war das Schlussbild, als Tristan bei Isoldes Auftritt sich bereits einem Licht im Hintergrund nähert. In einem Lichttunnel ist seine Gestalt noch sichtbar, als Isolde bei sonst dunkler Bühne, mit einer riesigen blauen Schleppe, den Liebestod so wunderbar singt.

Riesenapplaus, völlig zu Recht.

Fazit: ein wunderbares Opernerlebnis. Danke an Klagenfurt!

Suanne Kosesnik-Wehrle

 

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