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KLAGENFURT/ Stadttheater: LA CENERENTOLA

23.03.2025 | Oper in Österreich

22.3.2025 : LA CENERENTOLA (Stadttheater Klagenfurt)

Was muss Gioachino Rossini für ein lebensfroher, menschenfreundlicher Charakter gewesen, was für eine präzise Beobachtungsgabe für menschliche Schwächen – nicht nur für jene seiner italienischen Zeitgenossen – muss ihm geschenkt gewesen sein, dass sein Humor, den er wie kein anderer durch die Musik ausdrücken konnte, die Zuhörerinnen und Zuhörer bis heute so unmittelbar ansteckt. Und: dass seine Geschichten so zeitlos sind, dass sie sich – wie wenig andere – reibungslos auf die „heutige Zeit“ übertragen lassen. Wie es aktuell in der Produktion seiner Cenerentola des Berliner Regisseurs Bernd Mottl der Fall ist, die seit Kurzem (und bis Mitte Mai) am Stadttheater Klagenfurt gezeigt wird: der die Geschichte als ausgelassene, ein wenig trashige, grell-pinke Auseinandersetzung mit der Welt der Influencer anlegt, was im Unterschied zu diversen Werken, denen man zuletzt mit diesem „Gag“ zu Leibe gerückt ist, in diesem Fall, da es in der Vorlage immerhin um Schein und Sein, um die wahre Liebe im Unterschied zu vordergründigen Äußerlichkeiten geht, hervorragend funktioniert. Sympathisch auch die Lösung, am Ende die Schwestern und den opportunistischen Vater nicht so schlecht wegkommen, sondern Untertitel „Der Triumph der Güte“ zu seinem Recht kommen zu lassen. Sowie das romantische Ende, in dem nicht der „Prinz“ Angelina „zu sich emporhebt“, sondern auch er sein Outfit ablegen und ein Mensch wie Du und ich (und eben sie) sein darf.

Als dieser steht der italienische Tenor Matteo Macchioni im musikalischen Mittelpunkt des Abends, ein echter Tenore di grazia „di qualitá“, der trotz der weißen Grundfarbe seines Timbres eines maskulinen Ausdrucks fähig ist – was man nicht so häufig zu hören bekommt, und der als Don Romiro mit sicherer Höhe, quirligster Geläufigkeit und jugendlicher Spielfreude beeindruckte. Sein burschikoses und doch berührend warmherziges Aschenputtel/Angelina gab Dilara Baştar, von der es in ihrem Internet-Profil heißt, sie sei eine Sängerin im Fach „Sopran, Mezzo und Alt“ – was man sich (schon physiologisch) gar nicht recht vorstellen kann; in der Realität lässt die junge hübsche Türkin eine ausdrucksfähige, bis tiefste Tiefen imposante Stimme hören, welche allerdings die technischen Herausforderungen der Koloraturen nicht ganz verbergen kann und in der Höhe auch tendenziell zum Forte neigt.

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Happy End (Don Ramiro und Angelina, im Hintergrund Don Magnifico und Ensemble) © Stadttheater Klagenfurt © Arno Pöschl

Als schlacksiger, mit glitzernden Ikonen der Gegenwartskultur behängter Dandini gefiel Bernhard Hansky mit beweglichem, facettenreichen Bariton, während Adrew Nolen, der in beigem Cord-Anzug mit Brille „am Band“ als weiser „Strippenzieher“ Alidoro quasi in der „Uniform“ der Intellektuellen steckt und als solcher das Geschehen aus dem Hintergrund vorantreibt. Den beiden bösen Schwestern der Angelina, hier zwei IT-Girls mit allem, was zwischen Smartphone und Live-Cam dazugehört, von Tahnee Niboro (Clorinda) und Lindsey Coppens (Tisbe), wird bei ihren Bemühungen, Clips mit möglichst vielen Likes zu generieren, einiges an beachtlicher Beweglichkeit abgefordert – musikalisch sind beide (Niboro vielleicht noch ein bisschen mehr) bei Rossini bestens aufgehoben und empfehlen sich für größere Aufgaben. Den Vater der beiden – oder eigentlich aller drei – Mädchen sang und spielte Wilfried Zelinka: Da seiner Figur wenig Selbstironie (oder vielleicht auch italienische Kasperliade) gegönnt wurde, wirkte sein Don Magnifico recht harsch und erweckte auch sein Umgang mit der ungeliebten Stieftochter (samt ihrer treuherzigen Reaktion) ziemlich „echte“ Betroffenheit. Stimmlich warf sich der Steirer recht ins Zeug, manchmal wäre etwas weniger mehr gewesen.

Ein fünfköpfiges (oder soll man sagen: zehnbeiniges) Tanzensemble geisterte als surreale Wunschgestalten von Cloringe und Tisbe durch den Abend und sorgte zusätzlich für Lebendigkeit. Den Rest dazu tat Johannes Braun, der das Kärntner Symphonieorchester und den Herrenchor samt Herren-Extrachor (fast) ohne Pannen und zügig durch den Abend führte.

P.S.: Wie es gehen kann, wenn die Obertitel-Anlage nur halbe Sätze anzeigt, der dafür Verantwortliche – sichtlich kein Theatermann – nach der Pause vor den Vorhang tritt, um das Publikum bei Laune zu halten (indem er einlädt, ob nicht jemand herauskommen und einen Witz erzählen möchte), während versucht wird, diese (schließlich ohne Erfolg) zu reparieren, sodass sie am Ende des Abends ganz durchdreht und Auszüge des Wetterberichts und einer Schlagzeile mit dem Bild von Donald Trump aus orf.at einblendet, das ist eine andere, wie wohl durchaus bemerkenswerte Geschichte … 

Valentino Hribernig-Körber

 

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