Klagenfurt: „DIE WALKÜRE“ von Richard Wagner – Pr. 16.9.2021
Martina Welschenbach, Julian Hubbard. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Muss man bei einer so bekannten Oper den Namen des Komponisten in die Kopfzeile schreiben?
In diesem Fall: ja! Weil sich da kein Interpret dieser voll geglückten Premiere für wichtiger erachtete als der Autor. Für Interessenten jeden Alters und vor allem für Neulinge, die das Werk noch nie auf der Bühne gesehen haben, kann das nur ein idealer Einstieg in die Wagner- und insbesondere in die „Ring“-Welt sein. Nicht weil da szenisch etwa schon erfolgreich Dagewesenes wiederholt, oder etwa auf historische Kostüme zurückgegriffen wurde, sondern weil die gesamte Ausstattung und Personenführung schlicht und einfach die musikalische und verbale Aussage des Wagnerschen Meisterwerkes wiedergab. Gute Sänger mit vokalem und darstellerischem Ausdruckvermögen standen für alle Rollen zur Verfügung. Dass von keinem betörenden individuellen Timbre zu berichten ist, wohl aber alle Solisten technisch Wagners hohen Ansprüchen gerecht wurden, mögen böse Zungen als „provinziell“ durchgehen lassen. Für erfahrene Wagnerianer war die gesamte Aufführung beglückend, weil alle in dieser Menschen- und Götterwelt behandelten Vorkommnisse, so hochgegriffen sie auch ist, uns im Innersten berühren konnten.
Aron Stiehl, der Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, führte selbst Regie, und der neue Chefdirigent, Nicholas Milton, hat sich damit den Wunschtraum erfüllt, mit Wagner seine hiesige Tätigkeit zu starten. Die beiden dürften sich in allem einig gewesen sein, worauf es ankommt. Interessanterweise gab es nur deutsche Untertitel an den seitlichen Bühnenecken – für dieser Sprache Unkundige blieb ja die Musik und die Bühne, meine ich….
Auf den Fotos sehen Sie die einfache, stimmige Ausstattung. Bühne und Kostüme: Okarina Peter, Timo Dentler.
Julien Hubbard, Martina Welschenbach. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Im Freiraum vor einem Zaun, einem Lichtmast, an dem das berühmte Schwert befestigt war, dem Eingang zu einem Holzhüttchen, wo Hunding von seiner Frau eingeschläfert wurde, und einem leicht umnebelten Gebirgshintergrund spielte sich der 1.Akt ab, ehe sich die ganze Bühne im von Siegmund und Sieglinde erträumten „Lenz“ aufhellte. In höherer Gebirgslandschaft mit einem breiten Spieltisch im Vordergrund und einem Berglift zur Rechten, in welchem sich Fricka in noblem Gewande „herabließ“, um mit ihrem Göttergatten zu diskutieren, fand der 2.Akt statt. Brünnhilde und später dann ihre Schwestern durften sich in modischen Hosenröcken, mit militärisch wirkendem Obergewand und ebensolchen Kappen wie auch den authentischen Wagner-Speeren in Aktion setzen. Alle wichtigen Dialoge spielten sich im Vordergrund ab, unterstützt von passender Beleuchtung und zuletzt vom entzündeten Feuer um Brünnhildes langjährige Schlafstelle im Hintergrund, sodass die Sänger sich optimal präsentieren konnten. Jegliche Aktionen und Reaktionen waren von einer Natürlichkeit, als passierten sie hier und jetzt.
Julian Hubbard. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Als ungemein sympathischer Siegmund, gebürtiger Londoner, groß und kräftig gebaut, doch wohlproportioniert, konnte Julian Hubbard sofort glauben machen, dass die überschlanke, von Anbeginn desperat wirkende Martina Welschenbach (geb. Stuttgarterin) Gefallen an ihm fand. Ihm glaubte man die überstandenen körperlichen Herausforderungen ebenso wie ihr das Schreckensdasein an der Seite des brutalen Kraftmenschen Hunding, den der polnische Bassist Rafael Pawnuk (immer in Begleitung zweier Helfer/Statisten) mit seiner dunklen Stimme wahrhaft bedrohlich sang und mimte. Dem Tenor standen alle geforderten Höhen (incl. der für das blühende Wälsungenblut) und eine breite Mittellage mit festem baritonalem Fundament zur Verfügung – eine optimale Kombination für den Kämpfer und den Liebenden, dem man auch schon den Vater des strahlenden Siegfried abnahm. Sein akzentfreies Deutsch muss extra gelobt werden. Seine Zwillingsschwester und Braut konnte ebenso alle Höhen und Tiefen beeindruckend darbieten und unser Mitgefühl für ihr Schicksal erwecken.
Markus Marquardt, Magdalena Anna Hofmann. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Markus Marquart (geb. Düsseldorf, der an der Wr. Staatsoper u.a. Jochanaan, Amonasro oder den Jaroslav Prus in der Premiere von Janáceks „Sache Makropulos“ gesungen hat) konnte mit seinem kräftigen Bassbariton problemlos das Innenleben Wotans vermitteln, wie auch optisch die Ansprüche und schließliche Entsagungsbereitschaft auf die Taten seiner Lieblingstochter vermitteln. Die aus Moskau gebürtige Fricka Ksenia Vyaznikova, leidlich gut genährt und bekleidet, brauchte eine Weile, bis ihr Mezzosopran sich glättete und damit ihre Anforderungen an den göttlichen Gemahl erfolgreich unterstützte. Die Brünnhilde aus Warschau (ausgebildet am Konservatorium Wien), Magdalena Anna Hofmann, gestaltetete die titelgebende Rolle der Brünnhilde souverän. Jede kleinste seelische Regung des Götterkindes konnte sie uns optisch und akustisch vermitteln. Die etwas vordergründigeren Freuden ihrer sieben speerschwingenden Schwestern boten uns: Franziska Glesemann (geb. Blankenburg im Harz), Meredith Bloomfield (Pennsylvania), Sarah Gilford (aus dem walisischen Cardiff), Ivana Djokovic (Serbien), Olena Pruscha (Ukraine), Larissa Gabshly (Ukraine) und Veronika Dünser (Feldkirch, Vorarlberg) – Vater Wotan war ja bekanntlich umtriebig … Für anhaltende Spannung war demnach den ganzen Abend hindurch gesorgt.
Magdalena Anna Hofmann. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Dass diese ihr musikalisches Fundament im relativ tief liegenden Orchestergraben (mit Ausweichposten von Schlagzeug und Harfe in den beiden bühnennahen Parterrelogen) hatte, mit dem fabelhaften neuen Musikdirektor des Hauses, dem aus dem fernen Australien zugewanderten Nicholas Milton an erhöhter Stelle, muss – last, but not least – als Hauptereignis dieser geglückten ersten Saisonpremiere festgehalten werden. Der Dirigent, der sich diese Premierenwahl dringlich gewünscht hatte, glüht offenbar für Wagner. Das war ihm anzusehen und seiner Zeichengebung zu entnehmen, bei der kein dramatischer Akzent, keine lyrische Passage, kein Detail von des Meisters orchestralen Finessen unterbelichtet blieb, und alles zu Hörende dem Drama diente, das in seiner allgemein menschlichen Aktualität weltumfassend bleibt.
Markus Marquardt. Foto: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl
Das Klagenfurter Premierenpublikum dankte dem gesamten Team mit stehenden Ovationen. Sieglinde Pfabigan
Die weiteren „Walküre“-Termine in dieser Saison: So, 19.9. 15,00 Uhr, 24.9.,29.9., 2.10., 8.10., 13.10.,16.10. und 21.10. jeweils 18,00 Uhr.
In der Saison 2022/23 folgt Siegfried, 2023/24 Götterdämmerung und Rheingold.