KITTSEE / Schloss: Erröffnung des Sommerfestivals mit DAS FEUERWERK
26. Juni 2023 (Premiere)
Von Manfred A. Schmid
Der Schlager „O mein Papa“ ist Allgemeingut geworden und hat es 1954 – in der englischsprachigen Version „Oh! My Pa-Pa“, gesungen von Eddie Fisher – sogar zum Nummer-1-Hit in den USA gebracht. Er stammt aus der 1950 in München uraufgeführte musikalische Komödie in drei Akten von Paul Burkhard. Das Feuerwerk, so der Titel des auf einer ursprünglich schwyzerdütschen Urfassung beruhrenden Werks, erinnert in seinem Sujet wie auch in seiner Machart an amerikanische Musicals und ist damit typisch für die in den 1950er Jahren erfolgte eine Abkehr von der traditionellen Operette im deutschsprachigen Unterhaltungstheater der 1950er Jahre. Die 1954 mit prominenter Besetzung erfolgte Verfilmung – u.a. mit Lilli Palmer als Zirkusdiva Iduna und Romy Schneider als jungverliebtes Mädchen Anna – machte das Stück, das man hin und wieder auch heute noch auf Spielplänen finden kann, weithin bekannt.
Kurz zum Inhalt: Alexander Oberholzer, das schwarze Schaf der Familie, das sich vor 30 Jahren von seiner gutbürgerlichen Familie verabschiedet hat, kommt zum 60. Geburtstag seines Bruders unverhofft zurück und bringt, als Zirkusdirektor Obolski, die angeblich heile, aber – wie man nach und nach erfährt – gar nicht so perfekte Welt seiner drei Brüder und deren Ehefrauen ganz schön ins Wanken. Die Zuspitzung des Aufeinanderprallens zweier Lebensphilosophien wird erreicht, als Anna, die Tochter des Geburtstagskinds, des Fabrikanten Albert Oberholzer, vom Zirkusbazillus infiziert, damit liebäugelt, sich der Truppe ihres Onkels anzuschließen. Dessen Ehefrau Iduna gelingt es aber, sie von diesen Gedanken wieder abzubringen, indem sie ihr klarmacht, dass auch das unstete Leben im Zirkusmilieu keine Honiglecken sei und sie selbst immer wieder die Geborgenheit eines Heims vermisse. Einem Happyend steht nichts mehr im Wege: Annas Vater stimmt, aus Erleichterung über diesen Sinneswandel, einer Verbindung Annas mit dem zuvor für nicht standesgemäß abgelehnten Gärtner Robert zu.
Gerhard Ernst, der künstlerische Leiter des Sommerfestivals Kittsees, inszeniert mit flotter und erfahrener Hand eine unterhaltsame Sommerkomödie, die nach der Pause etwas an Schwung verliert. Grund dafür sind allzu viele aneinandergereihte Zaubertricks, für die der Herr Zirkusdirektor eigens von Magic Christian angelernt wurde und sich dabei als sehr lernfähig und geschickt erweist. Ein paar Tricks weniger hätten nicht geschadet und verhindert, dass die Aufführung zu sehr die Länge gezogen wird. Auch die dramaturgische Kenntlichmachung, dass der miauende, schnurrende und krallenbewehrte Auftritt der drei Ehefrauen eine fantastische Traumsequenz ist, weil sie sich die prüden und spröden Damen im wirklichen Leben nie auf so etwas einlassen würden, wäre für ein besseres Verständnis hilfreich gewesen. Die Bühne von Manfred Waba aber kommt, in bewährter Manier, mit wenig Mitteln aus und schafft trotzdem ein stimmiges Ambiente, was auch für die Kostüme von Anna Sophie Lienbacher zutrifft.
Paul Burkhards musikalische Komödie war ursprünglich für singende Schauspieler geschrieben. So gesehen und gehört, ist die Besetzung, die in Kittsee aufgeboten wird, geradezu luxuriös, handelt es sich dabei doch ausschließlich um sängerisch hervorragend ausgebildete Schauspielerinnen und Schauspieler bzw. um darstellerisch hervorragend ausgebildete Sängerinnen und Sänger. Aber Sommerfestival-Intendant Christian Buchmann, der heuer, wie er in seiner Eröffnungsrede sagte, sein zehntes Jubiläum in dieser Funktion feiert, hat bekanntlich einen guten Zugriff auf die Elite in diesem Metier. Und da es sich – bis auf das Liebespaar Anna und Robert, das von Elisabeth Schwarz und Michael Havlicek herzerfrischend über die Bühne tanzt – um durchwegs ältere Semester handelt, muss sich hier der von Regisseur Gerhard Ernst wieder einmal strapazierte Vergleich des Alters mit dem reifenden und dabei immer besser werdenden Rotwein bewähren. Er tut es mit Anstand.
Im Zentrum steht das schillernde, in der bürgerlichen Umgebung geradezu exotische anmutende Paar der Zirkusleute. Thomas Sigwald ist nicht nur, wie oben angedeutet, ein überraschend guter, frischgefangener Magier, sondern strahlt insgesamt den Charme eines Zirkusdirektors und Lebenskünstlers aus, der wohl auch seine dunklen Seiten hat. Gestaltet von Alexandra Reinprecht, ist seine Ehefrau Iduna eine echte Zirkusdiva, geheimnisumwittert und umschwärmt von den alltagssatten Ehemännern, die an ihrer Seite endlich einmal etwas exotische und wohl auch erotikgeschwängerte Zirkusluft schnuppern wollen. Die von Iduna magisch angezogenen Männer sind: der handfeste Landwirt Fritz Oberholzer (Daniel Ohlenschläger), der an Husten leidende Oberregierungsrat Gustav Oberholzer (Gerhard Ernst), der an ihrer Seite herausfindet, dass das seinen Husten verursachende Allergen niemand anderer als seine eigene Frau ist, weshalb er fest entschlossen aus der Ehe ausbrechen und Clown im Zirkus werden will. Komplettiert wird das Trio durch den mit seinen (Latein-)Kenntnissen aufwartende Heinrich Oberholzer, Gymnasialprofessor (Christian Drescher). Ein komödiantisch ausgefeilter Höhepunkt der drei Brüder ist ihr Auftritt als Clowns, bei dem sie mit kleinen Glöckchen das Lied „O mein Papa“ intonieren, das zuvor von Iduna als Hymne auf ihren Vater perfekt, glaubhaft und mit viel Verve vorgetragen wurde.
Ihre Ehefrauen Berta, Paula und Lisa werden von Shlomit Butbul, Regina Schörg und Regula Rosin als das dargestellt, was man gemeinhin als leibhaftige „Bissgurnen“ bezeichnen würde. Etwas abseits der von zunehmenden Zwistigkeiten geprägten Auseinandersetzungen agieren die Gastgeber, Fabrikant und Geburtstagskind Albert Oberholzer (Peter Horak als zurückhaltender Ruhepol) und seine Frau Karoline (Stefanie Kopinits), die stolz ihre nicht sehr ausgeprägten pianistischen Fähigkeiten bei der Aufführung des immer wieder unterbrochenen, von ihrer Tochter Anna eigens für diesen Anlass komponierten Geburstagsständchen vorführen will.
Als Köchin und Haushälterin sorgt Gabriele Schuchter mit hektischen Auftritten am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil ihr Festessen vor lauter Zwischenfällen nicht entsprechend gewürdigt wird, für viele Lacher. Und Lachen und gute Laune gehört zu einem lauen Sommerabend im Burgenland einfach dazu. Anlass dazu gibt es bei diesem Feuerwerk – auch dank des kammermusikalisch fein aufspielenden Ensembles Wiener Charme unter der Leitung von Christian Pollack – am laufenden Band. Nicht zu vergessen das putzige schwarze Pony, das mit seinem Kurzauftritt dem Zirkusambiente die Krone aufsetzt.
Manfred A. Schmid