KITTSEE / Schloss Batthyány: Sommerfestival-Start mit DIE GIGERLN VON WIEN
29. Juni 2022
Von Manfred A. Schmid
Heiße Sommernächte rufen nach leichter, bekömmlicher, erfrischender Kost. Ein knackiger Salat mit exquisitem Dressing, dazu etwas Prickelndes, ein Glas Sekt oder auch ein „G’spritzter“, mehr braucht es nicht. Charmant serviert werden sollte das alles natürlich auch.
Damit ist man auch schon bei der Premiere des Lustspiels mit Musik Die Gigerln von Wien angelangt. Der knackige Salat, das ist in diesem Fall die zugrundeliegende, gleichnamige Alt-Wiener Posse von Josef Wimmer, die ihrerseits auf einer Vorlage des Feuilletonisten und Autors Eduard Pötzl basiert, der die humoristischen Figuren Nigerl und Gigerl als Wiener Typen erfunden hat: Nigerl, das ist der grantelnde Hausbesitzer in der Vorstadt, und Gigerl, der modebewusste eitle Geck.
Im Stück geraten die beiden Herren aneinander, weil Gigerl, hier Herr von Watzdorf, Präsident des Klubs „Die Gigerln von Wien“ im Laden des Nigerl, in diesem Fall des Hutmachers Eduard Strobl, beim Kauf eines schicken Hutes dessen Frau kennenlernt, sie verführen will und deshalb zu einem Rendezvous an einem verschwiegenen Platz einlädt, der sich als sein luxuriutgeschägzöses Domizil herausstellt. Weil Strobl aber in dem Innenband des Hutes sein Glücksspiellos vor seiner Frau Resi versteckt hat, macht er sich mit dem Privatdetektiv Gasselhuber auf den Weg zum Käufer, wo er seine Resi in einer verfänglichen Situation vorfindet. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, endet aber, wie es sich für ein Lustspiel gehört, Dank der findigen Umdeutung des Geschehens durch Gasselhuber, höchst versöhnlich.
Als Dressing dieser leichten Kost wäre die Bearbeitung der Vorlage durch Alexander Steinbrecher und Rudolf Österreicher zu nennen. Steinbrecher war als gefragter Theaterkapellmeister und Schöpfer von Bühnenmusiken, u.a. für diverse Nestroy-Werke, mit der Theaterpraxis bestens vertraut. So gelingt es ihm, die Handlung dramaturgisch effektvoll zuzuspitzen und in feydeauscher Art voranzutreiben.
Dass das 1940 am Deutschen Volkstheater erfolgreich uraufgeführte Werk bis heute immer wieder Aufführungen erlebt, ist aber vor allem auch Musik geschuldet. Sie liefert das Prickelnde, das für eine bekömmliche Sommerkost, wie eingangs erwähnt, so wichtig ist. Unter den von Alexander Steinbrecher hinzugefügten neuen Nummern gibt es fast zu Volksliedern gewordene Schlager wie „Zwei aus Ottakring“ oder „Warum muss jeder Mann auf Lepschi geh’n“, in anderen wiederum lässt er die Alt-Wiener Weisen und die Ausdrucksformen der Wiener Operette hinter sich und nähert sich – etwa in Resis Lied über ihre versteckte Seite als Vampir bzw. femme fatale – dem Musical an, dass damals im Entstehen begriffen war. Wichtig für die Verbreitung ist auch die knappe Besetzung, die im Original mit 17 Musikern auskommt, in Kittsee aber sogar mit acht Instrumentalisten, Ensemble Wiener Charme genannt und von Christian Pollack unaufdringlich dirigiert, gut reüssieren kann.
Für das perfekte, charmante Service sorgt das unter der Leitung von Gerhard Ernst, des künstlerischen Leiters des Sommerfestivals, zum Einsatz kommende Ensemble. Dass der Volkschauspieler und Sänger nicht nur Regie führt, sondern auch selbst mitwirkt, ist Ehrensache. Als Hutmacher Eduard Strobl ist er ein Herr Nigel, der von seiner Frau an der kurzen Leine gehalten wird, aber auszubrechen versucht und ein Pantscherl mit einer Heurigensängerin anbahnen will.
Alexandra Reinprecht ist eine resolute Geschäftsfrau und strenge Gattin, wird in der Begegnung mit dem Obergigerl aber nach und nach ihrer weiblichen Reize und Schönheit bewusst und singt hinreißend. Ihr bereits erwähntes Outing als femme fatale im plötzlich rot schimmernden Ambiente ist ein Paradestück an Gestaltungskunst.
Peter Edelmann sollte als Herr von Watzdorf, Präsident des Klubs „Die Gigerln von Wien“ eigentlich eine Luxusbesetzung sein, wirkt aber als Dandy und charmanter wie auch schmieriger Verführer in seiner Gestik und Sprechweise etwas zu gekünstelt und damit nicht sehr authentisch. Ein fescher Mann, der gut singen kann, ist er allemal.
Komödianten erster Güte, mit tollen gesanglichen Leistungen sind Elisabeth Schwarz und Michael C. Havlicek als Heurigensängerin Hansi Stelzer und Volkssänger Gustav Stiglitz, die nach einer kleinen Beziehungskrise wieder zueinanderfinden, heiraten wollen und zudem bei Gagenverhandlung äußerst geschickt vorzugehen wissen.
Als phantasievoller Privatdetektiv Matthias Gasselhuber, der Mann, der alles wieder einrenkt, agiert Serge Falck. Wie der zunächst etwas schrullig wirkende Mann plötzlich, als sich die Lage zuspitzt, als deus ex machina die Sache in die Hand nimmt, überrascht das Publikum. Das hätte man ihm nicht zugetraut. Und alle Vorschüsse, die er sich frech gesichert hat, erweisen sich als beste Anlange.
Höchstes Lob gebührt der Dramaturgin Andrea Schwarz, die eigentlich für die Abendspielleitung vorgesehen war, aber bei der Premiere für die erkrankte Edith Leyrer einspringt. Als tratschsüchtige Frau Moldaschl liefert sie ein Kabinettstück an Komik ab. Komisch, geradezu bizarr, geraten auch die Auftritte von Peter Horak als Ober und Kammerdiener. Sympathisch und von jugendlicher Neugier angetrieben Mariella Hofbauer als Lehrmädchen im Hutgeschäft.
Benedikt Volz, Anton Puscha, Benjamin Kopp und Eric Bartos als Klubmitglieder sowie Belen Edelmann als Kammerzofe komplettieren das Ensemble.
Das mit wenigen Elementen geschickt Atmosphäre schaffende Bühnenbild von Manfred Waba hat sich bei der Premiere als sehr beweglich – etwas zu sehr beweglich – erwiesen, aber das wird sich geben. An der Kostümauswahl von Andrea Schwarz ist nichts auszusetzen. Die Personenführung Gerhard Ernsts tadellos und den knappen Raum gut ausnützend.
Im heißen Sommer, der uns bevorsteht, ist ein Besuch der Kittseer Vorstellungen bis einschließlich 15. Juli durchaus angesagt: Geboten wird leichte, bekömmliche, erfrischende Kost. Guten Appetit und Prost!