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KIRCHSTETTEN/ Schloss: I PAZZI PER PROGETTO von Gaetano Donizetti

04.08.2024 | Oper in Österreich

SCHLOSS KIRCHSTETTEN: I PAZZI PER PROGETTO von Gaetano Donizetti

 am 31.7.2024 (Premiere)

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Das Ensemble. Foto: Ilse Reitner

Kirchstetten, ein Ort mit 115 Einwohnern, in der Nähe von Neudorf im Weinviertel (nicht zu verwechseln mit (dem viel größeren) Kirchstetten an der Westbahnstrecke. Am Ortsrand der übriggebliebene prächtige Hauptflügel eines ursprünglich vierflügeligen Schlosses. Durch eine wundersame Fügung des Schicksals – die Betreibergesellschaft eines hier ursprünglich geplanten Hotels ging pleite – entstand hier quasi als Notlösung ein Opernfestivalchen, das bis heute (österreichische Provisorien!) erfolgreich stattfindet: und zwar im „kleinsten Opernhaus Europas“ (Eigenbezeichnung).

Als besonders klug erwies sich die Entscheidung von Intendant Stefan Gartner, seit ein paar Jahren hier noch Belcanto-Opern aufzuführen, was erstens bestens zum Spielort passt und zweitens Kirchstetten ein gewisses Alleinstellungsmerkmal sichert.

Heuer stand die Farsa „I PAZZI PER PROGETTO“ (Die Verrückten aus Absicht) von Gaetano Donizetti auf dem Programm. Kennen Sie nicht? Kennt keiner ! Und schließlich handelt es sich ja auch um die österreichische Erstaufführung…!

Ihr Berichterstatter gesteht ja freimütig, kein großer Donizetti-Fan zu sein. Zu viele uninspirierte Opern, zu lange Längen, zu schwankende Qualität des musikalischen Materials. Die „Pazzi“ (wurden ja nicht zufällig für das schönste Theater der Welt, das Teatro San Carlo in Neapel geschrieben) sind aber wirklich super, wie aus einem Guss, von durchgehendem Brio beseelt, auf ein extrem ungewöhnliches, sehr sehr witziges Libretto.Die Handlung spielt in einem Irrenhaus, in das sich die Protagonisten aus verschiedensten Gründen flüchten und als Irre ausgeben, um ihren diversen Problemen zu entgehen. Eine Art neapolitanische Pension Schöller also.

Die Aufführungen finden im (eigentlich viel zu schönen, mit äußerst kostbaren Fresken bedeckten) Maulbertsch-Saal statt, der, wenn’s hoch geht, 170 Gäste fasst. Die Zuschauer sitzen auf kleinen Tribünen an den Längsseiten des Saals, im der Mitte ist gerade noch ein schmaler Laufsteg für die Akteure freigelassen. Das bringt mit sich, dass wir hier das intimstmögliche Operntheater erleben, dass sich nur vorstellen lässt: nicht nur singen alle wunderbaren Darstellerinnen unverstärkt, sie s p i e l e n auch unverstärkt, sprich: aufgrund der räumlichen Nähe zum Publikum sind divenhaftes Gehabe, pathetische Gesten, „an die Rampe gehen und singen“-Allüren hier schlichtweg unmöglich. Weil wir ja die Mimik des Sängerensembles wie bei Filmgrossaufnahmen direkt vor unseren Nasen mitbekommen.

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Drum seien alle Mitwirkenden vor den nicht existierenden Vorhang geholt, um mit Lob überschüttet zu werden: der dem jungen Michael Niavarani sehr ähnlich schauende Emilio Marcucci als Colonel Blinval, die mexikanische Sopranistin Dora Garcidueñas ist eine furchterregende Norina, Sevana Salmasi eine begehrenswerte Cristina, Szabolcs Hámori ein autoritätsvoller Irrenhausdirektor Darlemont etc.etc.

Selbstverständlich wären ihre Leistungen nicht ohne den jungen Regisseur Richard Panzenböck (der hier schon zum fünften Mal inszeniert) und dessen kongenialen Partner in Crime, dem Dirigenten Hooman Khalatbari denkbar.

Eine besondere Erwähnung verdienen auch noch die Kostüme: selten hat man diesen Sommer soo schöne, sowohl „historisch informierte“ als auch fantasiereiche, witzige, um nicht zu sagen „verrückte“ (und also gut zum Thema passende) Kostüme gesehen. Ihre Schöpferin: Almasa Jerlacic. Wird man sich merken müssen.

Kurz gefasst: eine der erquicklichsten Opernaufführungen des heurigen Sommers. Ein Vergnügen, eine Lust, eine Freude. Kirchstetten, das Anti- Anti- St.Margarethen schlechthin. Hier gilts der Kunst, und nur der Kunst und nicht dem populistischen Kasperlspektakel. Bitte weiter so !

 (Nächstes Jahr spielt man Rossinis „L‘occasione fa il ladro“.)

 Robert Quitta, Kirchstetten

 

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