Dirigent Hooman Khalatbari mit Juan de Dios Mateos (Graf Almaviva), Karolina Wieczorek (Rosina), Biljana Kovac (Bertha), Daniele Macciantelli (Dr. Bartolo), Thomas Weinhappel (Figaro), Leszek Solarski (Basilio) und Rastislav Lalinský (Fiorello). Foto: Festival Kirchstetten
KIRCHSTETTEN/ NÖ – „IL BARBIERE DI SIVIGLIA“ am 4.8.2018
Warum man die Idee von Beaumarchais unbedingt bearbeitet muss und die Handlung holprig ins Heute überträgt, fragt man sich. Das Stück, der erste Teil der „Figaro Geschichte“, ist an sich schon zeitkritisch. Eine absolute Anklage an die Aristokratie. Regietheater um jeden Preis sollte nicht im „Sommertheater“ stattfinden.
Abgesehen von Regieungereimtheiten und nicht ganz passenden Kostümen kann man aber sagen, diese Produktion ist sicher besser als so manches derzeit an der Wiener Kammeroper, jedenfalls musikalisch.
Sängerisch gab es auch wirklich sehr gute Leistungen. Der junge spanische Tenore di grazia Juan de Dios Mateos als Conte Almaviva singt die schwierigen Kadenzen wirklich hervorragend. Eine schöne, gut geführte Stimme, die sicher auch in einem größeren Haus sehr gut über die Rampe kommt. Der gut aussehende junge Sänger spielt auch lustig und animiert. Demnächst kann man ihn als Narciso in Oviedo alternierend mit David Alegret erleben.
Thomas Weinhappel ist fast schon Stammgast in Kirchstetten und konnte als Figaro das Publikum begeistern. Sein heller Bariton klang frisch und flexibel, die Spielfreude war nicht enden wollend. Mit der Regie hatte er es nicht gerade leicht. Figaro in Lederhosen (zum Glück hat er fesche Haxen) erinnert bei der Auftrittsarie mehr an den Adam im Vogelhändler! Und dann im zweiten Teil einen Teller voll Rasierschaum ins Gesicht geknallt bekommen ist wirklich ein peinlicher Gag aus komischen deutschen Filmen (Lingen gegen Moser). Auch im Duett mit Almaviva, das einer der Höhepunkte war, wurden die Protagonisten von den die „Bottega“ darstellenden Chorkomparsen doch sehr gestört. Die Bühne ist so klein, somit immer wieder Unruhe am kleinsten Raum entsteht. Da wird den Künstlern sehr viel abverlangt.
Eine Entdeckung ist der Bass Daniele Macciantelli als Dottore Bartolo. Eine sehr schöne ausgereifte Stimme. Sein Bartolo ist allerdings ein fescher junger Draufgänger, ein wenig mehr Maske hätte man ihm schon verpassen können, denn so wirkt er wie Rosinas Bruder, nicht wie der grantelnde Onkel. Wenn der so fesch ist, warum sieht sie sich nach einem anderen um? Die Arie gelang großartig, das Parlando perfekt, ob er komisches Talent hat konnte man nicht so ganz feststellen.
Rosina, das reiche Mündel des Dottore Bartolo ist Karolina Wieczorek mit etwas sehr scharfer Höhe und verschliffener Koloratur. Sie wäre sicher spielfreudig, aber was sie machen darf ist schon etwas dümmlich und schmälert dadurch auch das Gesamtbild der künstlerischen Leistung. Vom Kostümentwurf ist sie arg benachteiligt. Mit einem hellen Dirndl und einem weißen Kränzchen im Haar wirkt sie wie ein übergebliebener Firmling. Als intriganten Don Basilio lernte man Leszek Solarski kennen. Eine hohle, wenig ansprechende Stimme, die nicht wirklich gut sitzt und bei höheren und Fortetönen immer wieder in den Hals rutscht. Die Intonation ist Glücksache. Als Schauspieler ist er richtig und auch als Einziger mit gutem Kostüm. Eine Contraaltenddeckung dagegen ist Biljana Kovac als brave Haushälterin Berta, die bei ihrer Arie eine imposante Tiefe präsentierte. Brava! Als Fiorello konnte Radislav Lalinsky mit hübscher Stimme überzeugen. Ein Extralob an den Gitarristen aus Palermo, der die beiden Cavatinen Almavivas begleitete.
Am Pult wirkte Hooman Khalatbari souverän und achtsam mit dem kleinen aber guten Orchester Virtuosi Brunensis, das sich aus den besten Orchestern Brünns zusammen setzt. Der Wiener Kammerchor sang seinen Part sehr ordentlich. Dafür wurde der Leiter Gerhard Eidherr auch sehr beklatscht. .
Die Regie war Joanna Godwin Seidl anvertraut. Die vom Schauspiel kommende junge Britin hat viele Ideen, oder eigentlich zu viele. Dabei übersieht sie in ihrer ersten Arbeit für die Oper, dass Singen anderen Gesetzen als das Schauspiel folgt. Weniger wäre sicher mehr gewesen und warum diese Änderung von Ort und Zeit? Was hatte gestern Kirchstetten mit Sevilla außer der Hitze gemeinsam?
Aber lassen wir doch die Szenerie in Sevilla und auch in der Zeit! Die Trachtenszenerie wäre super für den „Vogelhändler“ oder für den „Wildschütz“. Die Kostüme von Gerhard Panzenböck haben wenig Phantasie und noch weniger Verständnis für eine problematische Frauenfigur. Wenn schon Dirndl, dann doch ein langes und dunkles. Muss man jedes Manko so an den Pranger stellen. Und das von einem Modedesigner!
Unglaublich, dass dies bereits die zwanzigste Spielzeit im Schloss Kirchstetten, im Maulbertsch Saal, dem kleinsten Opernhaus Österreichs ist
Wie gesagt, ein angenehmer Opernabend, sicher besser als die Wiener Kammeroper, mit kleinen Einschränkungen. Musikalisch ist auch an großen Häusern nicht immer alles hundert Prozent, und man spricht von einem guten Abend !
P.S. Franz Anton Maulbertsch (1724 – 1796) war ein bedeutender aus Vorarlberg stammender österreichischer Maler des Spätbarocks, er schmückte viele Schlösser mit Fresken aus. .
Elena Habermann