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KIEL/ Oper Kiel: DIE TOTE STADT

11.03.2020 | Oper

Nach verschiedenen Opernbesuchen im südlichen Dänemark und in der Grenzstadt Flensburg bewies nun auch der Abend im Opernhaus Kiel, dass es nördlich von Hamburg viele sehenswerte Produktionen gibt.

Die tote Stadt gilt als größter Opernerfolg von Erich Wolfgang Korngold. Gerade einmal 23 Jahre war der Komponist alt, als die Uraufführung am 4 Dezember 1920 zeitgleich in Hamburg und Köln stattfand. Schon damals war das Publikum begeistert vom unvergleichlichen Klangrausch des Werks. Später wurde Korngold nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland in den USA mit zwei Oscars für seine Filmmusiken ausgezeichnet.

In der Schleswig-Holsteinischen Landeshauptstadt setzt Regisseurin Luise Kautz gemeinsam mit Bühnenbildner Valentin Mattka und Hannah Barbara Bachmann (Kostüme) auf Realismus. Diese Interpretation steht somit auf den ersten Blick im Kontrast zur von Sigmund Freuds Traumdeutung beeinflussten irrealen Handlung. Die Grenzen von Traum und Realität verschwimmen – in der Handlung und auch auf der Kieler Bühne. Die im vorderen Bereich angesiedelte Wohnung des Protagonisten Paul ist zu Beginn der Aufführung durch eine dünne Folie von der eigentlichen Bühne getrennt. Im Verlauf des Stücks reißt Paul diese trennende Membran herunter und die Realität vermischt sich mit der Traumwelt dahinter. Die sich immer wieder wie von Geisterhand verändernden Gartenhecken-Elemente und die mystische Lichtregie führen stets zu neuen surrealen Eindrücken. Das zweite Bild, in dem eine Szene aus Meyerbeers Oper „Robert der Teufel“ geprobt wird, weist einige Längen auf. Hier hätte man sich noch zwei, drei kluge Einfälle der Regie gewünscht, um die Konzentration des Publikums zu erleichtern.

Musikalisch bewältigt das Orchester Kiel unter Leitung seines Generalmusikdirektors Benjamin Reiners die Tücken der Partitur sehr souverän. Das relativ kleine Opernhaus wird naturgemäß leicht von den Stimmen und dem Orchester ausgefüllt. Es fällt positiv auf, dass die Sänger niemals von der Musik überdeckt werden und gleichzeitig stets singen dürfen und nie brüllen müssen.


Marietta (Angnieszka Hauzer) provoziert Paul (Michael-Müller-Kasztelan) mit dem Zopf aus dem Haar seiner verstorbenen Gattin – Foto: © Theater Kiel

Ununterbrochen im Zentrum des Geschehens steht an diesem Abend Michael Müller-Kasztelan als Paul, der dieser anspruchsvollen Aufgabe vollends gerecht wird. Sein Tenor ist sehr direkt und schnörkellos. Scheinbar mühelos bewältigt er bei hervorragender Textverständlichkeit die Partie. Schauspielerisch verkörpert er den liebeskranken und vom Totenkult besessenen Witwer ebenfalls optimal. Agnieszka Hauzer gestaltet die Partie der Marie/Marietta weniger wortdeutlich, aber ebenfalls äußerst eindrucksvoll. Dabei wirkt ihr schon recht schwerer Sopran sehr sinnlich. Die Leichtigkeit, die man mit der Rolle eine Tänzerin assoziieren würde, kommt stimmlich eine Spur zu kurz. Im dritten Bild, in dem sie um Pauls Bekenntnis seiner Liebe kämpft und schließlich provozierend das Haar seiner verstorbenen Frau entweiht, kommt die Protagonistin darstellerisch und stimmlich am besten zur Geltung und hinterlässt bleibenden Eindruck. Kammersänger Tomohiro Takada als Frank/Fritz wartet mit der wohlklingendsten Stimme des Abends auf und Tatia Jibladze als Haushälterin Brigitta überzeugt ebenfalls.

Elizabeth Tredent (Juliette), Marta Mika (Lucienne), Yoonki Baek (Victorin/Gaston), Fred Hoffmann (Graf Albert) und der von Lam Tran Dinh einstudierte Opernchor des Theaters Kiel, sowie der Kinder- und Jugendchor der Akademien am Theater Kiel e. V. trugen allesamt zum äußerst gelungenen Opernerlebnis bei.

Marc Rohde

 

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