Die in der Ostukraine geborene Sopranistin Kateryna Kasper ist seit der Spielzeit 2014/2015 Ensemblemitglied der Oper Frankfurt. Für mich zählt ihr Sopran zu den schönsten Stimmen, die ich kenne und da sie noch am Anfang ihrer Karriere steht, bin ich zuversichtlich, dass wir noch viel von ihr hören werden. Merker-Kollege Sune Manninen schrieb über ihren Auftritt beim Mirjam Helin Gesangswettbewerb im Jahr 2014: „Mit ihrer silbrigen Stimme von hohem individuellen Reiz, noch angesiedelt zwischen lyrischer Soubrette und lyrischem Sopran, sang Kateryna Kasper sich mit einer zum Zuhören zwingenden Interpretation der Pamina-Arie in die Herzen des Publikums…“ Es ist fast unnötig, zu erwähnen, dass sie diesen Wettbewerb gewann.
Kateryna ist mit Musik aufgewachsen und singt seit ihrem dritten Lebensjahr. Sie begann mit Volksmusik und Pop und lernte diverse Musikinstrumente zu spielen. So war es die logische Konsequenz, dass sie an der Prokofiev-Musikakademie in Donetsk ein Gesangsstudium aufnahm. Durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes konnte sie nach dem Bachelor ihr Studium bei Edith Wiens in Nürnberg fortsetzen. Als diese nach New York zog setzte Frau Kasper ihr Studium in Frankfurt fort und schloss 2014 ihren Master und das Konzertexamen bei Hedwig Fassbender ab. „Als ich das erste Mal in Frankfurt war, spürte ich sofort, dass ich hierbleiben möchte. Ich habe hier meine musikalische Heimat gefunden. Die Stadt ist äußerst lebendig und international und kulturell wird sehr viel geboten. Ich bin hier glücklich und die Oper Frankfurt ist mein künstlerisches Zuhause.“ Das Hausdebüt fand im Jahr 2012 noch während ihrer Studienzeit statt: Waldvogel in Siegfried. Eine bei OehmsClassics erschienene CD zeugt von dieser ersten Rolle am Haus. Seitdem konnte sie sich ein Repertoire vom Barock bis zur Moderne erarbeiten und gastierte bereits in Los Angeles, in Bergen, bei den Bregenzer Festspielen und beim Edinburgh International Festival.
Ende 2016 kam Kateryna Kaspers Sohn zur Welt und der Wiedereinstieg als Sängerin fand mit dem Mozart Requiem in London und kurz darauf als Agilea in Händels Oper Teseo in Moskau statt. Dies war in mehrerlei Hinsicht aufregend. Die Rolle ist sehr virtuos und anspruchsvoll, es waren die ersten Konzertreisen gemeinsam mit dem Nachwuchs und im Unterbewusstsein schwang sicher auch eine gewisse Nervosität aufgrund der angespannten politischen Lage zwischen der besetzten Heimat und Russland mit. Diese unterschwelligen Gedanken erwiesen sich aber zum Glück als unbegründet, denn sie wurde vom russischen Publikum sehr freundlich empfangen. „2014 habe ich das letzte Mal in der Ukraine Silvester gefeiert. Seitdem habe ich mich nicht mehr in die Heimat getraut und mit Kind halte ich das jetzt sowieso für unverantwortlich. Meine Eltern wohnen noch dort und besuchen mich oft, um meinen musikalischen Auftritten beiwohnen zu können. Es ist schon sehr schmerzlich, dass ich nicht mehr nach Hause kann.“
Neben Oper und Konzerten gilt Katerynas Liebe der Kammermusik. Im Dezember durfte ich einem bezaubernden Liederabend mit Werken von Fanny und Felix Mendelssohn beiwohnen, den Katerina gemeinsam mit dem Pianisten Dmitry Ablogin gegeben hat. Es war ein sehr intensives Erlebnis und es wäre schön, wenn auch andernorts das Publikum die Möglichkeit erhalten wird, sich mit diesem Programm auseinander zu setzen. „Es ist ein Herzensprojekt von Dmitry und mir und wir schreiben kontinuierlich Veranstalter an, um hoffentlich mit diesem Programm eingeladen zu werden. Der Zauber, der bei einer Aufführung entstehen kann, liegt nicht nur in der Verantwortung der Künstler. Was wir machen, muss Resonanz im Publikum finden, um ein Konzert zu etwas Besonderem zu machen. Das hat an diesem Abend stattgefunden und war für uns alle sehr schön.“
Hier können Sie sich einen Eindruck des Abends verschaffen:
„Ein Traum, der für mich in Erfüllung gegangen ist, ist mein über Crowdfunding finanziertes Debutalbum ‚O wüßt‘ ich doch den Weg zurück….‘, das hoffentlich in diesem Jahr herauskommt. Wir haben die CD in Bayreuth am originalen Steinway Flügel von Richard Wagner aufgenommen. Mein Pianist Hilko Dumno und ich haben eng mit dem genialen Tonmeister Johann Steinecker zusammengearbeitet. Wir wollten, dass die CD möglichst ausdrucksstark und individuell wird. Natürlich ist es nur eine Momentaufnahme und manches würde ich sogar jetzt schon anders machen. Aber viele CDs, die heute veröffentlicht werden klingen für mich zu steril und damit sehr ähnlich. Ich glaube, oft haben Tonmeister und Künstler Angst davor, zu sehr von der aktuellen Hörgewohnheit abzuweichen. Und die würde ich eher als kühle und puristische „Hochglanz-Ästhetik“ bezeichnen. Es gibt heute fast eine Panik vor Kitsch und Geschmacklosigkeit, aber das ist für einen Künstler wie ein Korsett. Schon oft habe ich gehört ich solle ’nicht so viel Kunst machen‘ und doch lieber ganz schlicht singen. Das finde ich schade, denn damit beraubt man die Musik der unendlich vielen Nuancen, die letztendlich das sind was sie herzlich macht und berührt. Für mich ist eine Aufnahme ein ganz besonderes Medium, fast eine eigene Kunstform. Und ich wünsche mir, dass meine CDs auf ihre Art genauso berühren und fesseln wie ein Livekonzert.“ Über dieses Projekt schreibt Kateryna auf der Crowdfunding-Plattform: „Ich glaube, in unserer heutigen Zeit, in der alles gemessen, bewertet und optimiert wird, schlummert in vielen Menschen eine ‚romantische‘ Sehnsucht nach dem Geheimnisvollen, dem Irrationalen, dem Zeitlosen – nach dem Menschlichen. Die Musik und die Poesie der Romantik sind deshalb heute aktueller denn je!“
Der Ukrainerin sind Opern ebenso wichtig wie Operetten, Konzerte und Liederabende. Sie möchte sich die ganze Bandbreite der Möglichkeiten erhalten. Sei es Barock, sei es Strauss, sei es zeitgenössische Musik. Eine Beschränkung auf ein bestimmtes Segment ist für sie nicht vorstellbar. Sie hat große Lust einmal etwas ganz Ausgefallenes und Verrücktes auf der Bühne machen zu dürfen, gerne mit viel Tanz.
Eine gewisse Portion Lampenfieber vor ihren Auftritten gehört für Kateryna zum Geschäft, aber „Angst ist schlecht. Es bleibt nur ‚Fliehen oder Angreifen‘ und zum Fliehen haben wir auf der Bühne keine Möglichkeit. Wenn wir uns entschieden haben, vor Publikum zu singen, dann müssen wir auch die Verantwortung dafür übernehmen. Man muss mit dem Herzen und mit Liebe dabei sein und für das brennen, was man tut.“
Auf der Bühne der Oper Frankfurt wird die Sopranistin in dieser Spielzeit als Valencienne in Die Lustige Witwe und bereits im Januar als Antonida in Iwan Sussanin zu erleben sein. Bachs Johannes-Passion führt sie im März nach Caen, Lille, Aix-en-Provence und Paris.
Das Gespräch führte Marc Rohde im Januar 2018