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KASSEL/ Staatstheater: SIEGFRIED. Premiere

15.09.2019 | Oper

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Daniel Brenna. Foto: Agentur

SIEGFRIED

Staatstheater Kassel, 14. September 2019, Premiere

Der zweite Tag ist geschafft, nun steht noch das große Weltende bevor – das Staatstheater Kassel hat seine Neuproduktion vom Ring des Nibelungen mit dem Siegfried  um einen weiteren Baustein vorangebracht.

Für die Inszenierung zeichnet Markus Dietz verantwortlich, Oberspielleiter des Schauspiels in Kassel, der in den letzten Jahren bereits einige Werke des Musiktheaters inszeniert hat und sich nun der herausfordernden Tetralogie annimmt. Dietz und sein Team mit Ines Nadler, Bühne, und Henrike Bromber, Kostüme, verlegen den ersten Akt in eine ziemlich unaufgeräumte Behausung, der Amboss ist eine Art Schaltpult, ansonsten gibt es zwischen Töpfen und Waschmittel allerlei Requisiten; etwas weniger wäre hier sicher mehr gewesen, doch die unsympathische Schmuddeligkeit passt genau zum Charakter der hier Lebenden. Das Spiel in diesem Raum hat Dynamik und Tempo. Im zweiten Akt erlebt der Zuschauer dann einige nur in Unterwäsche gekleidete Menschen, die in einem Käfig leben; offenbar sind sie Fafners Gefangene. Der wird in bühnengroßen Videoprojektionen als schmieriges Wesen dargestellt, das gern frisst, und das wohl Menschenfleisch. Seine Tötung kann also als Befreiung der gefangenen Menschen verstanden werden. Doch diese Befreiung, vielleicht symbolisch auch als Befreiung der Welt und Erlösung aus der verfahrenen Situation um den Ring, nützt scheinbar nicht viel. Denn im dritten Akt sind diese Menschen zu fast unbeweglichen Statuen erstarrt, ähnlich wie Erda, die müde,  energielos und fahl weiß geworden nichts mehr zur Weltrettung beitragen kann. Lichtblick schließlich im weißen Raum in weißem Gewand, ähnlich dem seiner Mutter – Siegfried bekommt es im ersten Akt von Mime – ist die Erweckung Brünnhildes. In welche Richtung die Reise der nun Vereinten weitergeht, wird die Götterdämmerung im kommenden März zeigen.  

Musikalisch ist dem Haus eine insgesamt sehr überzeugende Aufführung gelungen. Das lag vor allem an einer Besetzung, die überwiegend viel Erfahrung mit Wagner, auch an großen internationalen Bühnen, mit nach Kassel bringt. Daniel Brenna, der beide Siegfriede zuletzt in San Francisco verkörperte, brauchte am Premierenabend zwar ein wenig Zeit, um sich frei zu singen. Aber er verfügt über genau den Stimmtyp, den der junge Siegfried braucht, konnte mit metallisch-strahlenden Spitzentönen genauso überzeugen wie mit wunderbaren Piano-Passagen. Sehr respektabel war, dass er nach einem Sturz auf der Bühne nach dem zweiten Akt den dritten mit verbundenem Bein nicht nur sang, sondern auch weiter spielte. Brenna fand sich überhaupt als Darsteller genau in die Rolle und die Regie ein. Dabei half ihm zweifelsohne der großartige Arnold Bezuyen als Mime. Stimmlich und darstellerisch ließ Bezuyen – der den Mime im kommenden Ring in Bayreuth übernehmen wird – keinerlei Wünsche offen. Wie sehr er die Verschlagenheit des besessenen Zwergs herauskehrte, war wunderbar anzusehen und zu hören.

Ebenfalls rundum konnte Egils Silins als Wanderer überzeugen. Mit seiner voluminösen, üppig strömenden und über jede Orchesterwoge erhabenen Stimme verlieh er Wotan bei seinen letzten Auftritten auf der Opernbühne große Autorität, aber auch die nötigen Zwischentöne. Kelly Cae Hogan verfügt nicht über einen metallischen, hochdramatischen Sopran, fand aber doch mit leuchtenden Höhen und berührend innig gesungenen Phrasen zu einem starken Rollenprofil, das neugierig darauf machte, wie ihr die Brünnhilde in der Götterdämmerung gelingen wird.

Die übrigen Rollen waren mit Edna Prochnik als tief und geheimnisvoll tönender Erda, Thomas Gazheli und Runi Brattaberg als imposanten Alberich und Fafner sowie Elizabeth Bailey als koloratursicherem Waldvogel mehr als passend besetzt.

Weitere Garant für einen dramatisch packenden Abend war Francesco Angelico am Pult des Staatsorchesters Kassel. An einigen Stellen ließe sich durch straffere Tempi der Spannungsbogen sicher noch weiter intensivieren. Insgesamt aber hat Angelico seine Musiker mit ausgesprochen ausbalanciertem Klangvolumen sehr gut auf die an Farben und Nuancen so reiche Partitur eingestimmt, das ausgewogene und differenzierte Musizieren sowohl der großen Höhepunkte, der dramatisch packenden und der stillen, zurückgenommenen Szenen gelang sehr gut. Von kleinen Unkonzentriertheiten abgesehen, folgte ihm das Orchester dabei sehr aufmerksam und mit üppiger Klangschönheit.

Starker Beifall und viele Bravos für das Ensemble sowie Franceso Angelico und das Staatsorchester. Und auch das Regieteam wurde mit durchaus freundlichem Applaus auf der Bühne empfangen. 

Christian Schütte

 

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