Bjarni Thor Kristinsson (Wotan) und Lothar Odinius (Loge). Copyright: N. Klinger
Kassel: „DAS RHEINGOLD“ – Premiere am 01.09.2018
Nach der grandiosen „Tristan und Isolde“ – Produktion der letzten Spielzeit eröffnete das Staatstheater Kassel die neue Opernsaison mit Richard Wagner als Auftakt der Ring-Schmiede den Vorabend „Das Rheingold“. Leider erbrachte dieses Vorspiel zu „Der Ring des Nibelungen“ keine neuen Erkenntnisse, Markus Dietz bediente sich wahrhaft aller Klischees der vergangenen Jahrzehnte, dazu installierte Ines Nadler die fortwährend auf- und absenkende Bühnenkonstruktion, das Stahlgerüst vor dem publikumsblendenden Neon-„W“, Henrike Bromber lieferte die Badedress-Code der Rheintöchter, die Feinripp-Wäsche der Statisten sowie die straßentauglichen Alltags-Kostüme und alle begaben sich somit auf dieselbe Weide der grasenden wiederkäuenden Regie-Banausen wie viele zuvor. Ihrem Ende eilen sie zu! Ob ich für weitere drei Abende (in dieser Formation?) Zeit und Aufwand opfere? Bedenken will ich´s, wer weiß was ich tu´. Das Publikum nahm die zum Gähnen langweilige Produktion ohne Pro und Contra gleichmütig hin.
Meine Hoffnungen auf wenigstens kompetente musikalische Wonnen blieben ebenso teils illusorisch. Mit sensiblem Gespür leitete der neue GMD Francesco Angelico das bemerkenswert aufspielende Staatsorchester Kassel, beeindruckte mit flirrenden impressionistischen Streicherklängen, verband in transparenter Klangarchitektur die instrumentalen Gewebe und animierte seine Blechfraktionen (von kleinen Pieksern abgesehen) zu leichten Überproportionen. Vorherige Genüsse Freias aphrodisischer Früchte wären sicherlich Maestro Angelino bestens bekommen, kam er zwar nicht wie Wotan am Rollator daher, doch hinkte der Dirigent der Partitur zuweilen in spannungslosen Dehnungen hinterher und verstärkte die bereits optische Langeweile umso mehr.
Blieben die sanglichen Leistungen im mittleren soliden Bereich, waren auch vokale Überraschungen zu verzeichnen, berichte ich von jenen vorrangig. Kernig, herrlich timbiert, äußerst kultiviert ließ Hansung Yoo Donners vokalen Hammer schwingen.
Eindrucksvoll in bester stimmlicher Präsenz erblühten die Bassgewalten Fafners (Runi Brattaberg). Den hintersinnigen Loge präsentierte der einstige Mozart-Tenor Lothar Odinius, charakterisierte mit dunkler Mittellage den ätzenden Zyniker, dessen vokaler Feuerschweif farblich glimmte und dem zaudernden Götterclan mächtig aufheizte. In markanter Deklamation (jedoch überzogen larmoyant) gestaltete Arnold Bezuyen tenoral eindrucksvoll den Mime.
Mächtige Mezzosopran-Fülle schenkte Ulrike Schneider der Göttergattin Fricka. In tiefen Registern warnte Erda (Edna Prochnik) vor dem verhängnisvollen Ring.
Unspektakulär fügten sich die Stimmen der Rheintöchter Elizabeth Bailey, Maria-Luise Dreßen, Marta Herman und Jaclyn Bermudes (Freia) sowie die Herren Tobias Hächler (Froh), Marc-Oliver Oetterli als ungewöhnlich hochstimmiger Fasolt in die merkwürdige Szenerie.
Blieben noch die Kontrahenten Wotan und Alberich: Mit mächtigem Bassbariton beeindruckte zwar Bjarni Thor Kristinsson, ließ es keineswegs an göttlicherVokalfülle missen, verlieh Wotan auch die imposante Würde, sparte keineswegs an kraftvoller Substanz, doch ertönte die Stimm so schien mir, tonal öfters nicht im Einklang der Noten geradezu neben der Spur. Bar der gewaltigen physischen Aktionen Alberichs brachte Thomas Gazheli sein kräftiges Baritontimbre eindrucksvoll zu ausdrucksstarker Demonstration. Substanzielle Verfärbungen, auch zu übertriebener Deklamation beeinträchtigten seine Vokalleistungen negativ. Zunehmende Routine und intensivere Rollenidentifikation dürften eventuell jene Defizite beheben ?
Zum orchestral imposant intonierten Einzug der Götter in Walhall, erklomm die göttliche Schar das „W“-Gerüst, Wotan hatte anderes im Sinn, blieb unten und beglückte bereits Erda.
Fazit: die bisher langweiligste Rheingold-Produktion meines Lebens, ein R(h)einfall und nur mit viel Coffein davor und Sonnenbrille während genießbar.
Gerhard Hoffmann