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KARLSRUHE: TRISTAN UND ISOLDE. Galavorstellung

30.05.2016 | Oper

Karlsruhe: Tristan & Isolde  29.5. 2016 – Gala

Dieser Tristan ist eine ganz ‚britische‘ Produktion unter GMD Justin Brown, dem Regieteam Christopher Alden, Paul Steinberg, Sue Willmington und unbedingt hörens- und sehenswert. Merkmal des bei geschlossenem Vorhang gespielten Vorspiels ist das Vorwärtsdrängen aller Instrumentengruppen, wenn sie zum Einsatz kommen, von Justin Brown klug angeleitet. Er steuert besonders die ganz große Steigerung und Kulmination sehr impulsiv. Es folgt ein sehr energiegeladener 1.Akt, der erst bei Tristans großem Auftritt zu etwas majestätischer Ruhe kommt. Diese langen großen musikalischen Bögen, die an- und abschwillen sind für mich mindestens wie der Tristanakkord eine einmalige Besonderheit bei ‚Tristan‘. Während die die sich anschleißende festliche Musik noch fast ‚aufgesetzt‘ erscheint, wird sie im 2.Akt C-Dur aber scharf und schneidend gedreht und symbolisiert den Tag als negatives Pendant zur nächtlichen Weihe, was von Justin Brown scharf getrennt erscheint. Die badische Staatskapelle spielt das brillant mit besonders schöner solistischer Oboe, das Englischhorn könnte etwas präsenter klingen, die Holztrompete erscheint akkurat auf die Orchesterwogen gesetzt.

Christopher Alden verlegt das Geschehen in die 30/40er Jahre des letzten Jahrhunderts. In Sitte und Etikette ist es aber noch im 19.Jahrh. verhaftet. Das kommt darin zum Ausdruck, daß sich die Protagonisten eigentlich kaum nahe kommen. Isolde holt eine Fotographie ihres umgekommenen Verlobten in Uniform aus dem Schrein hervor und umgibt sie mit Kerzen. Brangäne erscheint erdnäher und räkelt sich schon mal in einem der vielen Feauteills. Diese gehören zu einem hallenartigen Festsalon eines Kreuzfahrtschiffs bzw. einem repräsentativen Saal in Markes Schloß. Rechts umfasst er auch eine Galerie, wo später Melot oben erscheint und auf Tristan, später auf Kurwenal mit einer Pistoel schießt (Bühne Paul Steinberg). Isolde und Tristan verbleiben nach der Einnahme des Tranks statisch nebeneinander. Während des ‚Liebesaktes‘ sind die Diener-Figuren auch in der Halle anwesend, kommen sich auch mal nahe, lassen aber wieder voneinander ab.  Das ‚hohe Paar‘ behandelt seine Liebe eher disputierend wie in einer philosophischen Agora. Das wird von der aggressiven Marke-Gesellschaft unterbunden.Die teilweise Anwesenheit Isoldes im 3.Akt soll zeigen, wie sich die Liebenden eigentlich wieder fremd geworden sind, wenn Tristan in den Wahngesängen sein Leben aufarbeitet. Hier stehen auch eine Menge Koffer an der Seite, die später von Markes Leuten fortgenommen werden, auch der tote Kurwenal wird weggetragen. Allein mit dem toten Tristan singt Isolde die Verklärung, und es bleibt offen, ob sie stirbt.

Der Hirt und junge Seemann singt mit angenehmem Timbre Eleazar Rodriguez. Im 3. Akt bedient er auch einen Schallplattenspieler, der mit Kurbel aufgezogen wird oder liest ostentativ Zeitung. Ein großes Lob für die Sängerin der Brangäne. Katharine Tier ist ein ausdrucksvoll expressiver junger Mezzo, der die Isolde auch stimmlich kontert und ebenso Verve in die Wachtgesänge legt. Klaus Schneider ist ein wortdeutlicher Melot und opfert sich auch gesanglich kurz dem König auf. Kurwenal Seung-Gi Jung ist ein ganz frischer Gefährte mit schlankem Bariton. Während der Ausschau auf das Schiff steht er ganz oben auf den nun aufeinander getürmten Feauteills. Jan-Hendrik Rootering wirkt als Marke vielleicht stimmlich nicht mehr so brillant, zieht die musikalische Attacke im Monolog aber spannend  durch. Stephen  Gould spielt auch ganz agil, wenn er barfuß über Glas- und Vinylscherben  balanciert und hat eine große stimmliche Ausdruckspallette mit inclusiver Bombenhöhe. Die Isolde der Rachel Nicholls ist aber eine Ausnahmerscheinung. Klein, eher unscheinbar mit Kurzhaarfrisur ist sie doch gesanglich ein Vulkan, und wie flüssige Lava strömt ihr Spitzensopran und kommt dabei wie schlafwandlerisch über ein ‚rasendes‘ Orchester.        

Friedeon Rosén

 

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