Stefan Vinke, Annemarie Kremer. Foto: Arno Kohlem/ Staatstheater
Karlsruhe: Tristan & Isolde 17.11.2019 Wiederaufnahme
In Karlsruhe wird Tristan & Isolde wieder aufgenommen, und zwar in der bemerkenswerten Inszenierung von März 2016 (wir berichteten). Regie führte Christopher Alden (Einstudierung: Anja Kühnhold), das Einheitsbild einer modernen weißen Lounge stammt von Paul Steinberg, die gediegen modernen Kostüme von Sue Willmington.
Die musikalische Leitung hatte wieder Justin Brown inne, und er ließ einen aufgewühlten 1.Akt entstehen, indem er die Staatskapelle immer wieder zu schnellen Tempi anfeuerte. Der 2.Akt verlief insgesamt wesentlich getragener und konnte nicht so sehr überzeugen wie die Außenakte. Im letzten wurden die Monologe immer wieder dramatisch bis zum Zerreißen zugespitzt. In Karlsruhe besteht ja eine große und lange Wagner-Tradition, wo Tristan unter Felix Mottl noch vor der Bayreuther Erstaufführung gespielt wurde. Die Soli des Englischhorns wurden von Wolfram Lauel sehr nuanciert und traurig gespielt, die Holztrompete (Annette Kiesewetter) kam dagegen geradezu auftrumpfend und wagemutig herüber.
Der auf der Bühne auftretende Herrenchor singt sehr präsent und ins Geschehen involviert. Den Hirten und den jungen Seemann gibt Cameron Becker ebenfalls bühnenpräsent und läßt dabei einen wohldeklamierten klangvollen Tenor vernehmen. Die kurzen Worte des Steuermanns steuert James Homann als Gast aus Heidelberg bei. Den Melot singt tenoral(!) aus der Obergalerie der Lounge Matthias Wohlbrecht fast zynisch. Als Marke kommt Renatus Meszar diesmal nicht so stark stark herüber, es kommt bei ihm keine Schwarzbaßdichte auf, er scheint die Rolle auch etwas unernst (regiebedingt?) anzulegen. Der Kurwenal Seung-Gi Jung kommt besonders im Monolog-Akt mit einem leuchtenden dabei voluminösen Bariton sehr gut zur Geltung. Eine exzellente Brangäne kann auch Katharine Tier stellen. Ihr teils etwas herb timbrierter Mezzosopran baut sich im Zwiegesang mit Isolde und bei den Wachtgesängen sehr schön dramatisch auf. Dabei ist sie recht spielfreudig und wirkt mit ihrer Rundbrille manchmal agil schnippisch.
Den Tristan hat jetzt Stefan Vinke in seinem 25jährigen Bühnenjubiläum an seiner ersten Wirkungsstätte Karlsruhe mit Bravour gegeben. Im 3.Akt, in dem er sich völlig freigesungen hat, legt er in den gewaltigen Ausbrüchen immer noch zu, scheint keine Grenzen zu kennen. Hervorzuheben auch seine gut verständliche Artikulation und Diktion. Dunkel baritonal timbriert verbeißt er sich in sein durch seine traumatische Herkunft bestimmtes Phlegma und in all das, was er sich dann noch Negatives geschaffen hat; erst die Wiederkunft Isoldes befreit ihn von diesen Qualen.
Die Niederländerin und inzwischen international singende Annemarie Kremer hat die Isolde übernommen. Und mit ihrem ersten Ton ist sie voll da. Die wilden Aufschwünge auf dem ‚Schiff‘ meistert sie einzigartig. Auch im Kantilenenmodus des 2.Akt kann sie glänzen. Bei ihrer Wiederkunft in ‚Careol‘ gibt sie noch einmal alles bis zum ‚Liebestod‘. Ihr silbern metallisches helles kraftvolles Timbre läßt aufhorchen. Auch im Piano ist ihr Sopran gut geführt, und sie kann in allen Lagen, besonders natürlich der prägnanten Höhe, mühelos übers Orchester kommen. Dabei gibt sie in klassisch dunkelfarbigen Gewändern und mit gestylter Lockenpracht eine schlanke Figur ab.
Friedeon Rosén