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KARLSRUHE / Händel-Festspiele: HERCULES von G.F.Händel. Premiere

19.02.2022 | Oper international

Karlsruhe Händel-Festspiele: HERCULES  18.2.2022 Premiere

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Ann Hallenberg, Brandon Cedel   (c) Falk von Traubenberg

Zur Eröffnung der Händel- Festspiele wurde HERCULES, ein englisches ‚Musical-Drama‘  von Thomas Broughton (Libretto) neu inszeniert. Bei diesem Hercules-Abend geht es nicht um bekannte Episoden aus dem Leben des größten Griechenhelden, sondern sprichwörtlich um sein unrühmliches  Lebensende, und wie dieses zustande kam. Der in Trachis am Schwarzen Meer regierende Griechenfürst führt einen Krieg gegen Oechalien. Bei der späten siegreichen Rückkehr schickt er Gefangene voraus, darunter Iole, die Tochter des von ihm getöteten Königs. Das erregt die Eifersucht seiner Gattin Dejanira, da Hercules sie wie eine Tochter in seinem Haus aufnimmt. Sein Sohn Hyllus verliebt sich in sie. Hercules‘ Bote Lichas betont aber Dejanira gegenüber Ioles Schuldlosigkeit, denn sie habe den Feldherrn keinesfalls verführt. Dejanira läßt sich aber nicht beruhigen und erinnert sich an eine Begebenheit am Anfang ihrer Beziehung zu Hercules. Der Zentaure Nessus wollte sie verführen, aber Hercules tötete ihn, und im Sterben gab er Dejanira seinen blutgetränkten Mantel. Ihn solle sie Hercules schenken, wenn sie einmal Grund zur Eifersucht habe. So tut es Iole. Als aber Hercules das Versöhnungsgeschenk annimmt und den Mantel anzieht, vergiftet dieser ihn als späte Rache des Nessus. Der Stoff frißt sich an seine Haut und verbrennt ihn. Er stirbt auf dem Berg Oenus, wo er als Adler zu seinem Vater Zeus aufsteigt. Dejanira verfällt dem Wahnsinn. Hyllus und Iole werden das neue Herrscherpaar.

Händel war es in diesem Fall wichtig, eine Choroper zu komponieren mit dem Chor in der Funktion als Gefolge und hauptsächlich Kommentator. So wird man besonders während  der lange sich ziehenden Vorgeschichte in Trachis an Händels Oratorium ‚Messias‘ erinnert. 

Bei der  Wiedergabe spielen die Deutschen Händel-Solisten samt Continuo Gruppe diesen  Beginn, wo die desolate Situation in Trachis wiedergegeben wird, in getragen langezogenem Duktus. Es wirkt wie ein breiter getragener Streicherstrom, obwohl historisch informiert gespielt, und Lars Ulrik Mortensen leitet vom Cembalo aus mit weit geschwungenen Gesten.

Die Inszenierung verlegt das Geschehen nach 1945, bzw. in die 50er Jahre. Bei Floris Visser kommen Soldaten vor, die an die Alliierten gemahnen. Auch improvisierte Gerichtsverhandlungen im Königspalast erinnern irgendwie an ein Kriegsverbrechertribunal. Auf der Drehbühne steht ein weißes mehrstöckiges Haus, und man kann bei Weglassen jeglicher Außenwände die Haussstruktur noch besser erkennen. (Bühne und Kostüme der Nachkriegszeit: Gideon Davey) Eine hohe steile Treppe führt in das Schlafzimmer Dejaniras, im Schrank hängen die Kleider auch für Iole sowie der vergiftete Mantel. Hier zieht sich die Fürstin zurück, die aber bei Anzeichen von ‚Fehlverhalten‘ in Zwangsjacke und Rollstuhl gesteckt wird. Auf der andern Seite befindet sich ein Saal für kultische Handlungen, oben mit Vestibül samt Vries, wo das Geschehen von oben eingesehen werden kann. Die Inszenierung zeigt sich nach Auflösung der gewissen Anfangsstarre sehr bewegt, und immer wieder kracht oder scheppert etwas. Vor dem Haus ist noch ein ovales Laufband gelegt, wo der segnende orthodoxe Priester oder die von Soldaten bewachten Gefangenen vorüberfahren. Die Lichteinfärbungen spielen bei der Dramatik der Handlung mit (Malcolm Rippeth). Das Durcheinander nach der 2. Gerichtsverhandlung, wo der Oberste Richter wie ein Hans Sachs auch immer rhythmisch mit dem Holzhammer klopft, endet in einem Stepptanz und angedeutetem Striptease von Iole und Hyllus, choreographiert von Pim Veulings. Der Händel Festspielchor, oft szenisch dramatisch eingebunden oder rechts und links aus dem Off, singt mit plastischem Schönklang (E.: Marius Zachmann).

Die kaum von der Seite Dejaniras weichende Amme ist ganz jugendlich Annika Stefanie Netthorn, eine Musical Darstellerin, hat hier aber kaum zu singen. James Hall ist der Lichas, ein Counter Tenor erster Güte, und er singt mit edlem Timbre sehr virtuos. Moritz Kallenberg gibt den Hyllus und bringt Liebe auf den 1.Blick zu Iole zum Ausdruck. Sein edel timbrierter Tenor, dem sich am Ende auch Iole nicht entziehen kann, trägt maßgeblich dazu bei. Lauren Lodge-Campbell  kann mit einem blendenden Sopran aufwarten. Koloraturen setzt sie so akkurat und gefühlig paßgenau an, daß sie damit ihr Trauma, die Tötung ihres Vaters, nicht vergessen aber ertragen lernt. Die Stimme ist gut geführt und blüht in der Höhe auf. 

Händel spürt den Seelenregungen der Dejanira bis in ihre letzten Verästelungen nach. Ann Hallenberg setzt das mit ihrem butterweich angesetzten Mezzo in bester Manier um und zeichnet damit einen großartigen Part. Daß Hercules sie für eine Mörderin halten muß, treibt sie letztlich in den Wahnsinn. Ob sie trotzdem das Altenteil bei den Kindern antritt, bleibt offen.

Brandon Cedel, gewesenes Frankfurter Ensemblemitglied, bringt einen kühlen, markant schwarzen Baßbariton für den Hercules ein. Nach vollbrachtem Kriegshandwerk möchte er sicher seine älteren Tage im Kreis der Familie genießen, stattdessen erlebt er dieses furiose Ende. Andererseits kann er auch seiner Liebe zu Dajanira oder was davon übrig geblieben ist, nicht mehr  Ausdruck verleihen. Dies zeigt die Inszenierung mit harten Bandagen.                                    
Friedeon Rosén

 

 

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