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KARLSRUHE: DER PROPHET

09.11.2015 | Oper
Karlsruhe: Der Prophet 8.11.2015
 
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Foto: Matthias Baus
Karlsruhe hat jetzt in einem Wurf die äußerst selten gespielte Oper Der Prophet von Giacomo Meyerbeer produziert, seine 3. Grand Opera für Paris auf das Libretto von Eugene Scribe und Emile Dechamps. Wie auch die Vorgängeroper ‚Die Hugenotten‘ greift sie ein historisches Sujet auf, nämlich die Wiedertäufer-Bewegung im westfälischen Münster. In der Inszenierung von Tobias Kratzer wird es aber in die Moderne transponiert. Jean, der spätere Prophet, ist Barkeeper und wird von seiner Verlobten Berthe aufgesucht, um sich mit ihm zu verheiraten, wozu sie aber die Genehmigung des Gouverneurs benötigen. Der lehnt die Genehmigung aber ab, da er selber ein Auge auf Berthe geworfen hat und sie gleich mal mit seinem Büttel in einem Polizeiauto entführt. Das Volk, das gegen die Unterdrückung aufbegehrt, wird von drei Wiedertäufern, in der Inszenierung wie Zeugen Jehovas wirkend, mit Bibeln zu einem Gottesrausch angestachelt. Jean wird von ihnen als Führer ausgewählt, er soll, nachdem er seine Freundin verloren hat, auch gleich seine Mutter verleugnen. Er verbleibt aber in einem Zwiespalt, obwohl er sich die Insignien des religiösen Führerpropheten verleihen lässt. Erst als er sich von der Masse getragen fühlt, verleugnet er Fidès öffentlich, und er bringt sie in einer Art Wunder dazu, dass sie sich als Sohn von ihm lossagt. Als sich die Macht der Wiedertäufer dann aber dramatisch verschlechtert, sprengt er in einer letzten Harakiri-Aktion das Glaubenszentrum, sein ehemaliges Cafe, in die Luft.
 Meyerbeer hat aus der dramaturgisch verschachtelten Handlung eine vielfarbige dramatische Oper mit grandiosen Effekten komponiert. Die Staatskapelle spielt sie mit großer Emphase, und Johannes Willig, der im Graben fast wie ein „Schlangenmann“ auch noch die hintersten Pulte animiert, zeichnet und interpretiert die Musik mit langem Atem und mit großem Bogen.
 
Der Ausstatter Rainer Sellmaier hat auf der Drehbühne mit Gusto diese zweistöckige Pariser Cafe gebaut, das später rückgebaut teilweise zerstört zum Gemeinderaum der Wiedertäufer mutiert. Das Ambientete mutet jetzt wie die Pariser Banlieus an. An einem Baseballplatz spielt eine Rappertruppe ‚TruCru‘ und treibt ihr Unwesen, aber nimmt mit tollen Breakdanceeinlagen für sich ein. Es finden sich auch immer wieder die Massen in trashigen Kostümen ein. Die meisten Szenen werden mit Live-Kameras gefilmt, besonders multimedial und farbig aufbereitet, wenn der große Prophet zu seinen Anhängern redet.
 
Viele Bürger, Bauern und Wiedertäufer sind solistisch aus dem Staatsopernchor, der unter Ulrich Wagner musikalisch gute Figur macht, besetzt. Der Kinderchor kommt auch süffisant zum Einsatz (Hitler-Parallele). Den Oberthal singt Andrew Finden mit angenehm prägnantem Bariton. Die „Zeugen Jehovas“ Zacharias, Mathisen und Jonas geben die tieferen Stimmen Renatus Meszar und Luiz Molz, und als lyrischer Tenor Mathias Wohlbrecht stimmlich duftig und sehr spielfreudig. Jean van Leyden wird von Marc Heller in dieser gnadenlosen Partie mit teils sagenhafter Höhe tenoral durchdrungen, muß sich aber passagenweise sehr zurücknehmen, um durchzuhalten. Die Fides von Ewa Wolak hat auch mehrere Bravourarien zu bewältigen und macht das mit ihrer orgelnden Tiefe und gut daraufgesetzter Höhe ganz atembraubend. Toll auch die stimmliche Entwicklung von Ina Schlingensiepen, die sich als Berthe dem katastrophalen Morden nur durch Selbstötung entziehen kann. Sie ist mit ihrem plastisch gestyltem und gleichzeitig hell schimmendem Timbre jetzt eine jugendlich Dramatische, die in weiteren Großrollen ihres Fachs Furore machen wird.

Friedeon Rosén

Foto: Matthias Baus

 

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