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KARLSRUHE: DER FREISCHÜTZ. Neuinszenierung

09.12.2018 | Oper

Bildergebnis für staatstheater karlsruhe der freischütz
 Armin Kolarczk, Ina Schlingensiepen, (c) Tim Köhler               

Karlsruhe: Der Freischütz   Neuinszenierung/ Vorstellung am 8.12.2018

In der zentralen Szene der ‚Wolfsschlucht‘  sehen wir eine Messe in dem gotischen Kirchenraum, dem Einheitsbild dieser Inszenierung. Es ist aber beileibe keine schwarze, keine satanische Messe, sondern eine relativ normale katholische, nur daß einmal eine Ministrantin auf dem Altar tanzt und ihre Unterhose unter dem Talar auszieht und auf Max wirft, der mit seinem Gewehr hin und her durch die Reihen läuft. Es ist nicht sie einzige sexuelle Anspielung. Schon beim dramatischen Vorspiel wartet Agathe vor dem Beichtstuhl und wird von Max in diesen hineingezogen. Kasper hat zu seinem Lied ein junges Mädchen mitgebracht, die erst vor den Jägerburschen strippt und dann mit Max auf allen Vieren zwischen zwei Kirchenbänken verschwindet. Man könnte sagen, Max‘ tiefe psychische Verstörtheit findet in der Sexualität immer wieder ein Ventil, aber die eigentliche ‚Untat‘, das Gießen von Bleikugeln mit dem Teufel und die damit einhergehenden schlimmen Obsessionen, wird eigentlich gar nicht thematisiert. Auch Samiel, der „Böse“, wird außen vorgelassen.

Verena Stoiber (Regie) und Sophia Schneider (Ausstattung), die mit dieser Inszenierung alle Preise bei einem Wettbewerb eingeheimst haben, wollen die Geschichte eines Paars in einem Dorf spielen, das eng mit der Kirche verwachsen ist. Agathe wohnt sogar in ihr. Demnächst sollen sie hier von Pfarrer Ottokar getraut werden, obwohl die große Liebe wegen Max‘ Obsessionen, die Agathe nicht versteht, vorbei ist. Die Kirche ist Raum für alles, auch für die Fest- und Jagdgesellschaft, bei der ein Hirschkopf samt Geweih auf dem Altar liegt. Anstelle der gesprochenen Texte stellen sich die Protagonisten in Videos kurz vor (Thiemo Hehl). Die Regie bemüht sich in dem Einheitsbild um ftottes Spiel, kann aber große Symbole nicht wirklich visuell umsetzen. Das Bühnenbild mit der Kirche ist auf Dauer einfach zu brav. Es fallen auch wieder die super heutigen modernen Kostüme auf. Ännchen darf auch mal im Schlafanzug auftreten. 

Das Orchester spürt auf seine Weise den seelischen Erregtheiten des Max nach, besonders in dessen zentraler Arie, wo die Bratschen nur so klopfen. Johannes Willig am Pult hat dies präzis herausgearbeitet und stellt eine gute Balance zwischen Bühne und Graben her. Besonders die Holzbläser und die bei dieser Oper so wichtigen Hörner spielen einen exzellenten Part. Die Chöre erscheinen präsent und klanglich wohl ausgewogen, der Jägerchor wirkt geradezu artistisch virtuos.

Die hübschen Brautjungfern in eleganten bunten Kleidchen stammen z.T. vom Cantus Juvenum Karlsruhe, und Camelia Tarlea, Marlene Payer, Katharina Bierweiler und Anne Flender singen ihre Strophen ganz animiert. Den Kilian gibt mit kräftig baritonalen Intros Konstantin Ingenpaß, worauf der Chor prächtig einfällt. Der Eremit, der auch schon vorher auf Knien durch die Kirche rutscht, aber ohne besonderen Bezug zu Agathe, die sich auch schon mal den Rücken geißelt, ist mit warmem voluminösem Baß Vazgen Gazaryan. Renatus Meszar gibt in voller Livree eines Erbförsters den Kuno. Edward Gauntt ist der Ottokar mit durchdringendem zugespitztem Bariton. Als Ännchen tritt Katharina Rückgaber agil und amüsant auf, kommt aber mit ihem an sich hübschen Sopran etwas kleinstimmig herüber. Mit ihrem gefühlvoll gestimmten lyrischem Sopran haucht Ina Schlingensiepen der Agathe Leben ein, aber  stellt sie regiebedingt ohne Liebeseuphorie eher sehr trist dar. Auch Max fügt sich letzten Endes in sein Schicksal und ist froh, daß er in der ‚Jagdgesellschft‘ verbleiben kann. Nicholas  Brownlee singt mit angenehm weichem Timbre eher verinnerlicht, ist dabei sehr ausgewogen in den hohen und den tieferen Registern.                                         

Friedeon Rosén 

 

Foto: Armin Kolaczk, Ina Schlingensiepen, (c) Tim Köhler               

 

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