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KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater. TRISTAN UND ISOLDE

06.01.2020 | Oper

Bildergebnis für karlsruhe tristan und isolde
Annemarie Kremer, Stefan Vinke. Foto: Arno Kohlem

Karlsruhe: „TRISTAN UND ISOLDE“

Besuchte Aufführung am 05.01.2020

 Zu Ostern anno 2016 legte Christopher Alden mit seiner Neuinszenierung „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner dem Badischen Staatstheater ein besonderes „Osterei“ auf die Bühne, ich berichtete über die Premiere (Merker 04/2016) sowie die 3. Folgeaufführung. Wenn ich so bedenke was mir danach für Regietheater-Absurditäten,  Verstümmelungen des Werkes gleich widerfuhren, kann ich trotz teils abstruser Personenregie diese Produktion mit dem ästhetischen Bühnen-Ambiente, den zeitlosen Kostümen (Paul Steinberg, Sue Willmington) optisch durchaus akzeptieren, zudem war ich auf  das neue Titelpaar  meiner Lieblingsoper sehr neugierig.

Am Pult der bestens disponierten und prächtig musizierenden Badischen Staatskapelle waltete wiederum GMD Justin Brown. Klangwogen sich allmählich leidenschaftlich in die Liebesekstase steigernd ließen bereits beim Vorspiel erahnen, welche phänomenalen Klangfluten noch über den Hörern hereinbrechen sollten. Diese Ahnungen erfüllten sich, nein übertrafen alle Erwartungen in höchstem Maße. In herrlich klarer Transparenz, in moderaten Tempi u.a. während der Monologe ließ der hervorragende Wagner-Dirigent die betörende Musik fließen, atmen, rückte die suggestiven Details dieser musikalischen Droge bezwingend vom sphärischen Jenseits ins gegenwärtige Diesseits. Schrieb ich dereinst von der 3. Aufführung „eine musikalische Sternstunde“, kann ich diesen euphorischen Einwand heute widerspruchslos erneut bekräftigen. In erster Linie schien bei Browns frischer, dynamischer, farbenprächtiger Partitur-Analyse der prägende Gesamtklang zu dominieren, nie störten überlaute orchestrale Phon-Eruptionen die wogenden Ausformungen der musikalischen Abläufe wunderbar leuchtend in formidabler Intonation. Nach bisher en gros besuchten Tristan-Aufführungen vernahm ich selten so derart spannende Steigerungs-Ekstasen, ausufernde Klangdimensionen der Fieberträume des dritten Aktes. Großartig entfalteten sich Blechfraktionen in lupenreiner Perfektion, bestens harmonierend zum elegischen Streicherklang des gesamten Instrumentariums vereint zu jenem aphrodisischen Klangopium. Mit klarem Blick zur Bühne war der sensibel musizierende GMD seinen Solisten stets ein umsichtiger Begleiter.

Ohne Zweifel fühlten sich die Sänger inmitten des orchestral umflorten Klangbads sichtlich wohl und zu vokalen Höchstleistungen inspiriert. Ungeachtet der grandiosen Vokalisen gebe ich in Galanterie Annemarie Kremer der neuen Gast-Isolde den ersten Eindruck. Mir begegnete die Sopranistin vor wenigen Jahren letztmals im italienischen Fach und begeisterte als hinreißende „Madama Butterfly“. Ihr damals lyrisch-jugendlicher Sopran entwickelte sich inzwischen in dramatische Gefilde,  dennoch leuchtete zuweilen heute gereift, vortrefflich das wunderbare einstige weiche Timbre durch. Eine unglaubliche Entwicklung widerfuhr dieser schönen Sopranstimme: klar, transparent, klangvoll blühten die voluminösen Höhenattacken, herrlich getragen entströmten ihrer Kehle innige Piani, voluminös grundiert erklang die Mittellage zu bestens fundierten silberstrahligen, leuchtenden Oberregionen ohne jeglichen gleißenden Störton. Selten erlebte ich eine so in jugendlichem Überschwang engagierte Isolde, den immensen Vokalkosmos der Partie differenziert, bestens fokussiert durch die Akte zu geleiten und zudem dem finalen mild und leise noch die verklärend-betörende Mystik zu schenken. Einfach fabelhaft!

Wie bereits zur Premiere sang Katharine Tier gastweise die Brangäne, blass wie damals vermochte die Mezzosopranistin der Partie immer noch nicht gerecht zu werden bzw. der Vokalise substanzielle Mittel zu schenken und konnte lediglich mit dem Wachgesang punkten. Das Publikum schien meiner Meinung und bedachte die Dame mit dem wenigsten Applaus.

Zur WA am 17.11.2019 feierte Stefan Vinke sein 25jähriges Bühnenjubiläum und sang hier am Hause den Tristan sowie alle Folgevorstellungen. Ich erlebte den sympathischen Tenor während seines Engagements am NT Mannheim sehr oft in diversen Rollen sowie sein Tristan-Debüt anno 2004 welches er als 38-Jähriger gab. Ich rezensierte damals die Premiere und entnahm nun meinen Unterlagen jene Stichworte: kraftvoll, jugendlich ungestüm, kernig, klangvoll voluminös, nuanciert. Inzwischen hat sich Stefan Vinke mit allen Wagner-Recken identifiziert und singt sie international an allen bedeutenden Opernhäusern. Ich muss gestehen, nach seiner Mannheimer Zeit hörte ich den Tenor seltener, lagen diesem Umstand  die weiten Distanzen sowie div. Kriterien zu Grunde. Umso mehr freute ich mich nun auf die Wiederbegegnung einer beglücklichenden Überraschung gleich.

Es lag mir bisher fern in Kritiken Künstler namentlich zu komparieren, werde dies auch künftig nicht tun. Nun erlebte ich heute einen Tristan, trotz der bisherigen Anzahl der dünn gesäten Ideal-Interpreten in höchst qualitativer Formation. In bewundernswertem Rollenportrait verstand es Stefan Vinke in persönlicher Empirie die abstruse Szenerie zu überspielen. Geprägt von hoher Musikalität, vortrefflich intonierend, zu meisterhafter Artikulation voll ausdrucksstarker Fülle interpretierte der exzellente Tenor seinen Part. Gleichwohl im Kalkül des glanzvollen Höhenglanzes, der ausgewogen strömenden Mittellage, weichen Phrasen während der individuellen Momenten der Duette war sein Tristan stets geprägt von hoher Musikalität. Viril, tenoral aufstrebend in metallischen Höhenausbrüchen von elementarer Kraft krönte der Sänger mit überwältigenden Fieberträumen den dritten Aufzug sowie seine geniale persönliche Leistung als Interpret der Sonderklasse. Bravo!

Leuchtende expansive Strahlkraft zu prächtigem Bariton-Fundament mit satten Tiefenregionen und herrlichen Farbnuancen verlieh Seung-Gi Jung in markanter Stimmführung dem getreuen Kurwenal eindrucksvolles Profil.

Eindringlich ohne vokale Larmoyanz umriss Renatus Meszar die Monologe des König Marke und verlieh der Partie mit weichen Bassfarben prägnante Tongebungen.

Cameron Becker sang mit hellem Tenor die Parts Hirt/junger Seemann. In stimmlich guter Verfassung präsentierten Ks. Klaus Schneider (Melot) sowie James Homann (Steuermann) ihre Kurzauftritte. Intensive Akzente setzten zudem die stets vital-präsenten Herren des Staatsopernchores (Ulrich Wagner).

Das Publikum war begeistert und feierte ganz besonders Brown, Kremer und Vinke mit lautstarken langen Ovationen.

Mit Sicherheit werde ich die letzte Aufführung am 02. Februar erneut besuchen und kann sie jedem Opernfreund „wärmstens“ empfehlen.

Gerhard Hoffmann

 

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