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KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater: LOHENGRIN – Von verschiedenen Seiten beleuchtet

08.12.2025 | Oper international

Richard Wagners „Lohengrin“ am 7.12.2025 im Badischen Staatstheater/KARLSRUHE

Von verschiedenen Seiten beleuchtet

Mirko Roschkowski, Pauliina Linnosaari, Staatsopernchor, Extrachor
Mirko Roschkowski, Pauliina Linnosaari. Foto: Felix Grünschloss

Bei der Inszenierung von Manuel Schmitt wird das Publikum deutlich vor politischen Verführungsmechanismen gewarnt. Die Handlung wird hier in durchaus komprimierter Form gezeigt. Ein fremder Ritter, der sich „Lohengrin“ nennt, ist bereit, vor Gericht für die fälschlich des Brudermordes angeklagte Elsa von Brabant zu kämpfen. Allerdings macht er zur Bedingung, dass sie ihn nie nach seinem wahren Namen und seiner Herkunft fragen darf. Lohengrin siegt über den gegnerischen Friedrich von Telramund, wird zum neuen Anführer erwählt und heiratet Elsa. Doch Telramund und seine Frau Ortrud versuchen mit allen Mitteln, Zweifel in Elsas Herz zu säen – damit drängen sie sie zur alles entscheidenden Frage. Daran zerbricht zuletzt  das Glück zwischen Elsa und Lohengrin.

Die Inszenierung von Manuel Schmitt hinterfragt auch Wagners Rezeption im Nationalsozialismus. Hitler finanzierte im Jahre 1936 persönlich eine Neuinszenierung von Wagners „Lohengrin“ unter der musikalischen Leitung von Wilhelm Furtwängler. Die Inszenierung stammte von Heinz Tietjen, die Bühne von Emil Preetorius. Julius Theodor Semmelmann hat dessen Entwürfe in das Karlsruher Bühnenbild einfließen lassen. Damit wird der Zuschauer zu einer neuen Sichtweise herausgefordert, die als mahnende Reminiszenz wahrgenommen werden kann. Das gilt ebenso für die eigentlich „modernen“ Kostüme von Carola Volles. Und dies betrifft vor allem den zweiten Akt mit der großen Szene zwischen Ortrud und Telramund. Die aufwändige Produktion Hitlers sollte auch die zahlreichen ausländischen Gäste, die anlässlich der Olympischen Spiele in Deutschland weilten, nach Bayreuth locken. Dämonische politische Verführungskunst wird hier gebrandmarkt. Im ersten Akt begegnen dem Publikum schroffe Holzflächen, es handelt sich um ein zerstörtes Parlament oder einen Gerichtssaal in Brabant. Das Land versinkt hier im Chaos. Telramund und Ortrud versuchen durch einen Staatsstreich die Macht an sich zu reissen, außenpolitisch droht sogar ein Krieg. Auffallend ist bei Manuel Schmitts Inszenierung der Hang zum Monumentalen und Überdimensionalen, was insbesondere bei der Auseinandersetzung zwischen Elsa und Lohengrin packend zum Vorschein kommt. Die beiden Bühnenbilder im zweiten und dritten Akt überzeugen den Zuschauer übrigens mehr als der erste. Als die Beziehung des Paares auseinanderbricht, zerfällt auch das Bühnenbild und es bricht plötzlich Nacht herein. Zitiert wird in dieser Inszenierung auch immer wieder Winifred Wagner, die sich hinsichtlich der Faszination äussert, die von Hitler ausging. Zum Glück zitiert Schmitt im Programmheft aber auch Hannah Arendt und beleuchtet das Geschehen damit von einer anderen, jüdischen Seite: „Das Böse ist immer nur extrem, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, keine Dämonie.“ Tief aber und radikal sei immer nur das Gute. Diese wichtigen Sätze gelten auch für Richard Wagners „Lohengrin“, der Grenzen überwindet. Denn Wagner sprach sich gerade als Revolutionär gegen die Verführung der Massen durch den Einzelnen aus und propagierte die Freiheit. Das haben die Nationalsozialisten wohl nie begriffen und ihn dennoch für sich vereinnahmt. Wichtig ist jedoch, dass das Theater dieses Problem thematisiert. Und dies ist Manuel Schmitt mit seiner differenzierten Inszenierung durchaus gelungen. Er hinterfragt jede Szene. Bei ihm ist Ortrud auch nicht nur böse, sie erscheint zum Schluss als gebrochene Frau, die den Erben von Brabant krampfhaft in ihren Armen hält. Im Mittelpunkt der Inszenierung scheint hier auch Wagners Grab zu stehen, um das sich die entscheidenden Szenen abspielen. Lohengrin ist für Schmitt ein Mensch, der beauftragt ist, Gutes zu tun, für andere in Not einzustehen und Hilfe zu leisten. Alle Menschen sind hier Teil der Gralsgesellschaft und es wird ein großer Bogen zu „Parsifal“ gespannt. Die Masse macht aus Lohengrin allerdings etwas, was er gar nicht wollte. Bei Schmitt hat die Gesellschaft auch mit  starken Verwerfungen zu kämpfen, was in der Aufführung deutlich zum Vorschein kommt. Die Handlung spielt bei ihm in einer fiktiven Zeit, die sich aus drei Zeitebenen speist und Assoziationen zu allen dreien ermöglicht. Im Jahre 936 ist der ostfränkische König Heinrich I. gestorben, in dieser Zeit spielt auch die Oper. Tausend Jahre später wurde Heinrich I. als Begründer des ersten Deutschen Reiches gefeiert und das Werk Richard Wagners vom Nationalsozialismus vereinnahmt. Das Grab in der Inszenierung erinnert deswegen nicht nur an Richard Wagner, sondern auch an das des Herzogs von Brabant sowie an Heinrich I. Die Assoziationen sind also vielfältig, was den Wert dieser Regiearbeit ausmacht. Die Aspekte werden von allen Seiten beleuchtet – auch  im zweiten Akt, wo Gerümpel und Möbelutensilien mitten auf der Straße liegen. Sogar der Schwan erscheint als Person, der Elsas Nachfolger Gottfried zuletzt Platz macht.

Kihun Yoon, Pauliina Linnosaari, Ks. Barbara Dobrzanska, Staatsopernchor, Extrachor
Kihun Yoon, Pauliina Linnosaari, Barbara Dobrzanska. Foto: Felix Grünschloss

Auch wenn szenisch nicht alles gelungen ist, kann diese Arbeit den Zuschauer insgesamt trotzdem überzeugen. Dies liegt jedoch auch an der musikalischen Leistung dieses Abends. Unter Georg Fritzsch musiziert die Badische Staatskapelle wie aus einem Guss. Der überirdische Klang des Orchestervorspiels schwingt sich in sphärenhafte Höhen. Aus zarten Flageolett-Tönen der Geigen entwickeln sich lichte Harmonien. Holzbläser und Hörner übernehmen in ständiger Steigerung die thematische Führung. Mit Trompeten und Posaunen wird dann der emotionale Höhepunkt erreicht. Es kommt zum Vorschein, dass alles nur von einem Thema beherrscht wird. Vor allem die einzelnen Motive werden klangschön herausgearbeitet. Da glänzt im Sinne von Thomas Mann alles in einer „blausilbernen Schönheit“. Der strahlkräftige Tenor Mirko Roschkowski lässt als Lohengrin die Tonart A-Dur mit leuchtenden Kantilenen erstrahlen. Ortrud und Telramund schwelgen geradezu in dämonischem fis-Moll. Pauliina Linnosaari fesselt als Elsa mit warm-weichem Timbre und leidenschaftlichem As-Dur. Konstantin Gorny intoniert als König Heinrich ein machtvolles leeres C-Dur. Kihun Yoon als Telramund und Barbara Dobrzanska als Ortrud bieten eine gesangliche Glanzleistung. Die durchdringende Bratsche intensiviert Ortruds Auftritt, ein tiefes E wird unheimlich beschleunigt. In weiteren Rollen überzeugen ferner Tomohiro Takada als Heerrufer des Königs, Klaus Schneider, Alejandro Aparicio, Lorenzo de Cunzo und Don Lee als die vier brabantischen Edlen sowie Alexandra Klenina, Bianca Venanzi, Lotta Metz und Carla Metz als die mit Walkürenhelmen auftretenden Edelknaben. Ausgezeichnet agiert auch der Badische Staatsopernchor und Extrachor sowie Cantus Juvenum Karlsruhe e.V. mitsamt der Statisterie des Badischen Staatstheaters.

Mirko Roschkowski, Staatsopernchor, Extrachor
Mirko Roschkowski. Foto: Felix Grünschloss

Zuletzt lautstarker Jubel des Publikums. 

Alexander Walther          

 

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